• Ihr liebstes und zugleich komplexestes Sujet ist der 3D-Kranz.

  • Beim Ausschneiden kann Vreni Aebi, wie sie selbst sagt, «so richtig abschalten».

  • Scherenschnitte auf Karten und in Bildern stehen zum Verkauf bereit.

  • Vreni Aebi verbringt viele Stunden in ihrem Schnippelzimmer. Ihre Skizze, die sie seitenverkehrt auf die Rückseite des Scherenschnittpapiers gezeichnet hat, ist nun bereit zum Ausschneiden. · Bilder: Chantal Bigler

18.03.2021
Emmental

Mit Schere und Papier in ihrem Element

Vreni Aebi hat sich im letzten Jahr in ihrem Haus in Wasen ihr eigenes Werkzimmer eingerichtet. Die leidenschaftliche Scherenschnitt-Künstlerin verbringt dort unzählige Stunden mit Schere, Papier, Bleistift und Lineal. Diese vier Dinge braucht es nebst der Freude am Zeichnen, der Geduld und einem guten Vorstellungsvermögen, um solche Kunstwerke schaffen zu können.

Wasen · Vreni Aebi, aufgewachsen in den Wyniger Bergen, zog es 1994 mit ihrem Mann nach Wasen im Emmental. Mit ihren beiden Kindern wohnen sie dort. Im letzten Jahr ist aus dem Abstellzimmer ein eigenes Schnippelzimmer oder die «Schnäffubude», wie die zugezogene Künstlerin ihren neugestalteten Arbeitsplatz nennt, entstanden.
Dort ist viel Platz für vielseitige Kreationen, die von traditionell bis modern reichen und auf die Karte geklebt oder hinter Glas gerahmt werden. Doppelherze, Engelsflügel, Blumen verzieren den Raum mit passendem Holzrahmen, welcher ihr Mann für sie angefertigt hat. Auf Vreni Aebis Zeichenpult und daneben liegen traditionelle Scherenschnitte mit Sujets von Berglandschaften mit folkloristisch gekleideten Menschen. Einige ihrer Scherenschnitte sind schwarz-weiss, andere farbig. «Das Erkennungsmal eines Scherenschnittes ist, dass er schwarz-weiss und symmetrisch ist», erklärt Vreni Aebi. Auch wenn manche ihrer Sujets Mut zur Farbe beweisen, ist ihr grösstes Anliegen, diese stets naturtreu wiederzugeben.

Scherenschnitte beginnen mit der Skizze
«Mehr als eine Schere, Papier, ein Lineal und ein Bleistift braucht es dazu nicht», sagt Vreni Aebi. Natürlich sei nebst künstlerischem Talent auch viel Fleiss gefordert, erklärt sie. Denn je nach Grösse des Sujets seien in einem detailgetreuen Bild schon mehrere Stunden Arbeit möglich, sagt sie weiter. Sobald Vreni Aebi eine Idee hat, meist inspiriert durch die Natur, überträgt sie diese direkt aufs Blatt und baut nach und nach weitere Kreationen mit ein, bis ihr das Ergebnis gefällt. «Je nachdem, ob das Sujet fein oder grob zum Ausschneiden ist, verwende ich dickeres oder dünneres Papier», erklärt sie. Nach dem kreativen Teil folgt das präzise Ausschneiden und da vergehen so manche weitere Stunden. Genau hier kann Vreni Aebi aber so richtig abschalten. Wie sie beschreibt, sei sie normalerweise ungeduldig, aber beim «Schärlen» könne sie länger an einer Sache dran bleiben. «Ich kann dabei zusehen, wie etwas entsteht, was letztendlich nicht nur mir, sondern auch den anderen gefällt», freut sie sich.

3D als Faszination für sich entdeckt
Die Kränze von Vreni Aebi könnten auch gemalt sein. Bei genauerem Hinsehen wird aber sichtbar, dass es sich auch hier um einen Scherenschnitt handelt. Zwar nicht um einen klassischen, aber genau das ist das, was
Vreni Aebi hier gefällt. «Mich fasziniert die 3D-Optik», erklärt sie und deutet auf die Tiefe und Lebendigkeit hin, die das fertigmodellierte Bild mit sich bringt. Um diesen Effekt hinzubekommen, bearbeitet sie die Stränge einzeln und hebt in stundenlanger Arbeit einige hervor. «Dies kostet mich je nach Grösse zwei Stunden Zeit aufwärts und ist somit eines meiner komplexesten Sujets», weiss die Scherenschnitt-Künstlerin.
Auf die Idee der Kränze kam sie durch Zufall, als ihre Schwester vor Jahren zu ihr meinte, sie solle nebst Bildern auch Karten anbieten. Seitdem gehören auch Karten in verschiedenen Formaten mit unterschiedlichen Motiven ins Sortiment der zweifachen Mutter.

Verliebt und nicht vergessen
«Ich war schon immer gerne kreativ», betont Vreni Aebi. Während der Schulzeit war sie erstmals mit diesem Handwerk in Kontakt gekommen. In einem kleinen Landschulhaus hatte ihr Lehrer eine Ausstellung von Künstlern mit Scherenschnitten organisiert. «Die traditionellen Muster mit ihren dicken Ornamenten waren riesig», erinnert sie sich begeistert.
Als Vreni Aebi aus der Schule kam, begleitete sie denselben Lehrer ins Berner Oberland nach Feutersoey in die Hochburg der Scherenschnitte. «Wir durften dort einer Frau beim Arbeiten zuschauen.» Die Faszination sprang an diesem Abend auf sie über und sie kaufte sich bald darauf eine Nagelschere und wagte ihre ersten Schnitte. Die Flamme der Leidenschaft musste noch ein wenig ruhen, bis sie im Alter von 30 Jahren durch eine Freundin neu entfacht wurde. Sie animierte Vreni Aebi im Jahr 2000 zu einer gemeinsamen Scherenschnittausstellung. «Von da an habe ich regelmässig geschnitten und die Leidenschaft hat mich nicht mehr losgelassen», sagt Vreni Aebi. Angefangen habe sie mit klassischen Scherenschnittmustern und mit ländlichen folkloristischen Motiven gearbeitet. «Bald darauf hin fing ich an, meine eigenen Sujets zu suchen und zu entwickeln», so Vreni Aebi. Seither «schnippelt» sie nicht nur traditionell, sondern auch gerne modernes. Sie sei immer auf der Suche nach dem, was den Leuten gefällt. So verkaufen sich mittlerweile ihre Kränze aber auch Doppelherze gut an Märkten. «Zurzeit ist es durch das Ausbleiben der Märkte bei den Aufträgen etwas ruhiger geworden», sagt sie und deutet daraufhin, dass ihr Onlineshop sich noch im Aufbau befinde.
Im letzten Jahr wäre Vreni Aebi auch auf dem Handwerkerweg zu sehen gewesen. Hier muss sie sich aber noch ein wenig gedulden, bis wieder Führungen stattfinden können. Als nächsten Schritt möchte sie mit ihren Scherenschnitten mehr in die Selbstständigkeit wechseln, dennoch tue ihr der Ausgleich ihrer jetzigen Arbeit als Servicekraft gut, um ein wenig unter den Leuten zu sein, da sie beim «Schärlen» stundenlang alleine mit sich ist. Träume sind aber da, um sie zu erfüllen, und Vreni Aebi legt ihren Wunsch offen dar: «Mir schwebt eines Tages eine Zusammenarbeit mit jemandem vor, der meine Scherenschnitte voranbringt und sie so von mehr Leuten gesehen und auch gemocht werden.»

Infos: www.v-kreativscherenschnitte.ch

Von Chantal Bigler