«Möchte zu den Top 3 der Schweiz gehören»
Seit Sommer 2019 verfügt die «UE»-Region über einen weiteren Schweizer Spitzenbiker. Der 25-jährige Marcel Guerrini verlegte seinen Wohnort vom Kanton St. Gallen nach Ufhusen. Guerrini gewann in der U23-Kategorie den Schweizermeistertitel und gewann sowohl an der EM wie auch an der WM die Bronzemedaille. Der «UE» unterhielt sich mit Guerrini.
Mountainbike Ufhusen · Sie wohnen seit Sommer 2019 in Ufhusen. Weshalb erfolgte der Wohnortwechsel von Neuhaus im Kanton St. Gallen?
Dies erfolgte der Liebe wegen. Ich habe meine Freundin Samantha vor vielen Jahren bei Campingferien im Tessin kennengelernt. Jahre später haben wir uns wieder getroffen. Ende 2017 hat es dann gefunkt. Ich pendelte oft zwischen unseren Wohnorten. Bis wir zusammenzogen.
Wie haben Sie sich eingelebt?
Sehr gut. Ich mag die ländliche Gegend sehr. Sie ähnelt meinem vorherigen Wohnort. Das Wetter ist oft super und der Blick auf die Berge einmalig.
Haben Sie sich in der Region Ufhusen auch schon kulinarisch verwöhnen lassen?
In der Tat. Speziell gut war es im Bären in Dürrenroth und im Hirsernbad in Ursenbach.
Wie gefallen Ihnen die Bikerouten der Gegend?
Die vorhandenen Trails sind super. Weiter mag ich die ausgezeichnete Erschlossenheit. Selbst auf den entlegensten Hügel führt eine Strasse oder ein Feldweg. Dies war in meinem alten Wohnort nicht der Fall.
Seit 2014 fahren Sie die Bikerennen in der Elitekategorie. An der Bike-SM in Gränichen 2020 haben Sie im Eliterennen den 11. Rang belegt. Zufrieden damit?
Nicht so, nein. Ich habe mir mehr erhofft. Ich habe gedacht, bereits weiter zu sein und erwartete eine Rangierung in den Top-7. Doch ich befinde mich derzeit auf der Rückkehr zu meiner Topform, die ich vor drei Jahren hatte. Seither kämpfe ich mit Problemen. 2018 ging mein damaliges Team Konkurs. 2019 hatte ich Probleme mit meinem Knie, was mir Wettkampfeinsätze verunmöglichte. Nun bin ich auf dem Weg zurück. Aber es braucht Zeit. Dies hat mir mein SM-Resultat deutlich aufgezeigt.
Die regionalen Radsport-Aushängeschilder Mathias und Lukas Flückiger belegten im SM-Rennen die Ränge 2 und 4. Kennen Sie das sehr erfolgreiche Brüder-Duo?
Ich kenne die beiden sogar sehr gut. Mit «Math» trainiere ich mindestens einmal wöchentlich, mit «Luk» sogar drei- bis viermal die Woche. «Luk» ist sozusagen mein Trainingspartner. Wir profitieren voneinander. Ich verbringe auch ausserhalb des Bikens Zeit mit den «Flückiger Brothers». Wir unterhalten uns auch über den Sponsoringbereich. Ich mag die beiden sehr gut.
Ihr Vorbild ist allerdings der Aarauer Florian Vogel. Weshalb?
Weil er über Jahre ein starker Biker war und wir vier Jahre im selben Team waren. Ich konnte viel von ihm lernen.
«Math» bewegt sich auf Augenhöhe mit Ausnahmeathlet Nino Schurter. Das Duo bildet derzeit die männliche Bikespitze der Schweiz. Möchten Sie es auch dorthin schaffen?
Welcher Schweizer Biker wünscht sich dies nicht? Die Frage stellt sich bloss, ob es realistisch ist. Ich tue alles dafür, dass ich es schaffe.
Was möchten Sie sportlich noch erreichen?
Es wäre schon mein Ziel, zu den Top 3 der Schweiz zu gehören. Wer in der Schweiz zu den Top 3 gehört, hat dann auch international gute Chancen, weil das Niveau in der Schweiz so hoch ist.
Im Weltcup sind die Top 10 mein Ziel.
Für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio dürften die Schweizer Plätze besetzt sein. Wie sehen Sie Ihre Chancen für die übernächsten Spiele in Paris?
Die Olympischen Spiele sind für mich primär ein Traum. Es muss so extrem viel passen, um eine Teilnahme zu schaffen, dass es momentan vermessen wäre, ein Mitmachen als Ziel zu nennen. Als Schweizer ist es wegen der Dichte an Spitzenbikern speziell schwierig, sich für die drei Startplätze zu qualifizieren. Lukas Flückiger beispielsweise war Vize-Weltmeister und ist einer der besten Biker der Welt. Eine Teilnahme an Olympischen Spielen ist ihm aber bis jetzt noch nicht gelungen.
Wann ging es bei Ihnen los mit Mountainbikerennen?
Als kleiner Knirps hat mich mein Vater auf seinem Velo im Kindersitz überall hin mitgenommen. Im Alter von sieben Jahren nahm ich in meinem Heimatort an einem Bikerennen teil. Erst zwei Tage davor hatte ich ein neues Bike geschenkt bekommen. Ich habe gleich den 3. Rang geschafft. So habe ich auf Anhieb Gefallen am Biken bekommen und bin bis heute dabei geblieben.
Was fasziniert Sie am Mountainbiken?
Während dem Biken bin ich die ganze Zeit über in der Natur. Durch den Bikesport lerne ich jede Gegend sehr gut kennen. So kenne ich beispielsweise die Region um Ufhusen viel besser als meine Freundin, welche hier aufgewachsen ist.
2016 war Ihr bisher erfolgreichstes Jahr. Sie wurden in der U23-Kategorie Schweizermeister und gewannen an der U23-EM und an der U23-WM jeweils die Bronzemedaille. Hinzu kam der U23-Team-EM-Titel und der erste U23-Weltcupsieg. Ihr persönliches Highlight dieser Erfolgspalette?
Vom Stellenwert her ist dies ganz klar die Bronzemedaille an der U23-WM. Dies hatte zuvor fünf Jahre lang kein Schweizer mehr in der U23-Kategorie geschafft.
Ihr bisher höchstes Preisgeld?
Dies erhielt ich für den erwähnten WM-Podestrang. Und zwar bekam ich 200 Euro. Nino Schurter erhielt für seinen SM-Titel vor wenigen Tagen in Gränichen 330 Franken. Dies zeigt sehr gut auf, dass man sich im Mountainbiken mit Preisgeldern nicht über Wasser halten kann. Sponsoren sind notwendig.
Sie haben eine kaufmännische Ausbildung. Arbeiten Sie derzeit?
Nein. Ich habe mich entschieden, auf die Karte Bikeprofi zu setzen.
Wie verdienen Sie den Lebensunterhalt?
Ich war Fahrer der Teams «Focus» und «jb Brunex Felt». Diese Equipen waren angesehen. Sie zahlten mir einen Lohn. Derzeit stehe ich ohne Team da. Dies ist nicht einfach. Ich finanziere mich derzeit von einigen wenigen Privatsponsoren sowie meinem Ersparten. Gute Resultate wären deshalb doppelt wichtig.
Drängt sich aufgrund der Situation und der Wohnlage nicht der Beitritt in ein regionales Team, beispielsweise ins bekannte Willisauer «Strüby Bixs MTB-Team», auf?
Eine schwierige Frage. Erstens muss man mich zuerst verpflichten wollen und zweitens habe ich als Privatfahrer momentan den Vorteil, dass ich mit dem Material fahren kann, welches ich selber auswähle und so genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Falls aber ein konkretes Angebot zustande käme, wäre ich sicher nicht abgeneigt.
Wie haben Sie die rennlose Coronavirus-Zeit überstanden?
Ich hatte im November 2019 einen Sturz und daraufhin wieder Probleme mit meinem Knie. Bis im Februar konnte ich nicht auf das Velo steigen. Die anschliessend beginnende Coronavirus-Krise nutzte ich als intensive Aufbauphase. Ich habe die ganze rennlose Zeit über voll trainiert. Dies war super für mich. Mental war es etwas schwierig, über eine so lange Dauer keine Wettkämpfe bestreiten zu können.
Wie sehen Ihre nächsten Ziele aus?
In Gstaad will ich am dritten und bereits letzten Rennen des verkürzten Swiss Bike Cups 2020 Vollgas geben, um mich eventuell für die EM in der Schweiz im Oktober ins Gespräch zu bringen. Sicher ins Auge fasse ich den Start am Weltcup in Nove Mesto in Tschechien.
Stefan Leuenberger im Gespräch mit Marcel Guerrini, Bikeprofi aus Ufhusen