Monika Minder tritt von der Theaterbühne ab
Seit 34 Jahren führt Monika Minder bei der Laientheatergruppe des Männerchors Leimiswil bei deren Konzerten die Regie des jeweiligen Theaterstücks. Ihre Inszenierungen erfreuten viele weit über die Kantonsgrenze hinaus, die Vorstellungen waren jeweils mehrheitlich ausverkauft. Nun gibt sie schrittweise das Regie-Zepter an ihre Schwiegertochter Gaby Minder ab und trägt bei den kommenden Aufführungen des Stückes «Belinda» Anfang Februar zum letzten Mal die Hauptverantwortung.
Leimiswil · In den 70er-Jahren wurde Monika Minder vom Männerchor Leimiswil zum Mitspielen angefragt. «Ich habe dann bei etwa fünf Aufführungen mitgespielt. Aber das war nichts für mich. Ich hatte immer Lampenfieber ‹bis a Bach abe›, und es war mir nie wohl dabei», schildert sie ihren Start in die Theaterwelt. Als dann der Regie-Vorgänger Karl Weyermann Gemeindepräsident wurde und die Regie abgeben wollte, hiess es aus den Männerchor-Reihen: Monika Minder macht das. «Ich sagte mir, das probiere ich. Sozusagen zur Bewerbung hätte ich eigentlich drei Theaterstücke vorstellen sollen, fand aber nur zwei, die mir auch gut gefielen. So stellte ich neben einem anderen Stück meinen Favoriten ‹Heimisbach› vor. In der Gemeinde hiess es, die hat den Grössenwahn», lacht Monika Minder im Nachhinein. «Beim ersten Lesen des Theaterstückes sagte ich zu den Darstellern: Ich wage es nicht zu sagen, ich kann das. Aber wenn wir alle zusammen an einem Strick ziehen, einander helfen und wollen, dann geht das.» Es klappte und so ging im Frühling 1990 das erste von Monika Minder inszenierte Theaterstück «Heimisbach» über die Leimiswiler Theaterbühne.
Wie ein Mosaik
Monika Minder führte intuitiv Regie. «Ich weiss nicht, aber vielleicht mache ich das anders als andere. Ich ging stets nach meinem Gefühl und immer im Einvernehmen des jeweiligen Spielenden. Alle durften sich einbringen und ihre Meinung sagen», erzählt sie. «Es ist wie ein Mosaik: Jedes bringt sein Steinchen mit und am Schluss haben wir ein wunderschönes Bild.» Wichtig war ihr aber immer, dass die Rolle auf die spielende Person passte. «Ich mag es nicht, wenn man ‹Theaterlet› und alles überspitzt darstellt. Es soll authentisch sein. In eine Rolle schlüpfen, aber dennoch sich selbst bleiben», erklärt sie. Dieses Mosaik zum «Theaterganzen» fing damit an, dass Monika Minder zweimal pro Jahr nach Belp zum Theaterverlag Elgg fuhr und 60 bis 70 Theaterstücke mit nach Hause nahm. «Ich habe nicht alle ganz gelesen, wenn ich nach ein paar Seiten fand, das passt nicht, habe ich es zur Seite gelegt. Während dem Lesen stellte ich mir die Darstellenden in Echt vor und fragte anschliessend die jeweilige Person, ob sie mitmachen würde. Und wehe, jemand sagt mir ab – das stellte alles auf den Kopf», sagt sie lachend. Über all die Jahre habe sie eine wunderbare Zeit gehabt und immer ein gutes Team. Das Schönste sei für sie, dass der Männerchor und die Theatergruppe zu einer Einheit zusammengewachsen seien. «Das war nicht immer so, war aber immer ein grosser Traum von mir. Der hat sich erfüllt und ich hoffe, dass es so weitergeht», sagt sie bewegt. «Man steckt sehr viel Arbeit in die Proben, Requisiten und das Bühnenbild. Dann kommen die Aufführungen und dann die grosse Leere. Damit hatte ich lange Zeit sehr Mühe, denn die Theaterstücke sind fast wie ein Kind von mir.» Stunden hat sie an der Nähmaschine für Kleider und Requisiten gesessen, viele Meter Stoff verarbeitet. Denn bei ihr musste immer alles passen. «Wenn ich die Person finde, die zur Rolle passt, ist das schon die halbe Miete», erklärt sie. «Und zu guter Letzt müssen dann auch das Bühnenbild und die Requisiten passen. Da habe ich stets grossen Wert darauf gelegt.» Und am Schluss war ihr grösster Erfolg, wenn die Besuchenden sagten, DIE haben das gut gemacht. Nicht eine Person alleine, sondern als ganze Gruppe. «Bei mir gab es nie nur eine Hauptrolle. Bei mir hatte immer die gerade spielende Person die Hauptrolle.»
Abschied mit Belinda
Für ihre letzte Inszenierung wünschte sie sich, noch einmal Belinda aufzuführen, welches sie 1992 als ihr drittes Stück produzierte. Belinda, eine gehörlose Müllers-Tochter, wird im Dorf verspottet und sogar missbraucht. Eine Schande ist, wie die Behörden und die Kirche sich gegenüber der Wehrlosen benehmen. Ein Arzt, der sich im Ort niederlässt, erlöst Belinda aus ihrer totalen Isolation und vermittelt ihr ungeahnte Lebensfreude .… Eine tiefgründige Geschichte. Monika Minder mag das Stück, weil sie darin einige Parallelen zu ihrem Leben sieht. Überhaupt mag sie Stücke, die Lebensweisheiten beinhalten und tiefgründig sind. «Wir sind dafür bekannt, dass in Leimiswil eher ernste Stücke gespielt werden. Wer das mag, kommt zu uns, wer es nicht mag, kommt nicht», sagt sie. Gemocht wurden die Aufführungen offensichtlich sehr. Denn die Produktionen von Monika Minder sind weit über die Kantonsgrenze hinaus bekannt und erfreuen sich grosser Beliebtheit. Wohl nicht umsonst planen einige Gäste aus dem Wallis, aus Zürich, Basel oder Luzern ihre Ferien jeweils genau auf das Konzert- und Theaterdatum. «Bis jetzt durften wir zu unseren fünf offiziellen Vorstellungen wegen der grossen Nachfrage immer eine Zusatzvorstellung machen», freut sich die 77-Jährige. Jeweils über 1000 Personen wollen die einzelnen Produktionen sehen. «Einmal hatten wir sogar 1400 Konzert- und Theaterbesuchende», sagt sie erfreut. «Belinda ist für mich ein toller Moment, um langsam auszusteigen», sagt sie. Auch Corona habe ihr den Ausstieg leichter gemacht und half ihr, sich langsam, aber sicher zu lösen. Zudem werde sie älter und sei gesundheitlich angeschlagen. Gaby Minder, ihre Schwiegertochter, tritt in ihre Fussstapfen und übernimmt die Regie. «Für mich ist Gaby ein Engel, und eine bessere Lösung hätten wir gar nicht finden können», schwärmt Monika Minder.
Nehmen, wie es kommt
Monika Minder konnte ihr Leben lang alles so annehmen, wie es kam. Sie wurde als positiv denkender Mensch geboren. Dafür sei sie sehr dankbar, sagt sie. «Denn es ist nicht immer alles einfach und läuft wie am Schnürchen.» 21 Jahre lang betreute und beherbergte sie Menschen mit Problemen. Ex-Drogenabhängige, Menschen mit Asperger-Syndrom oder anderen schwierigen Lebenssituationen fanden bei ihr ein Zuhause und Halt. «Die Menschen habe ich jeweils auch in das Theater integriert. Entweder spielten sie mit oder halfen beim Licht oder sonst wo.» Und nun ist fertig mit Theater? «Nein, ich bin ja nicht weg vom Fenster und wenn meine Schwiegertochter möchte, unterstütze ich sie in Zukunft gerne. Ich bin aber froh, kann ich die Hauptverantwortung abgeben. Denn es wurde in den letzten Jahren aufgrund meiner Gesundheit mühsamer für mich, alles zu organisieren und zu erledigen. Und auch die Ideen gehen einem nach so vielen Jahren langsam, aber sicher aus. Ebenfalls ist es schwierig, noch neue und gute Stücke zu finden», erzählt sie. Sie habe mit ihren nun 33 Stücken ja schon fast alles gespielt, was es gebe.
Langweilig wird ihr aber sicher nicht. Falls gewünscht, wird sie sich noch vor die Nähmaschine setzen und Kleider für die Theaterleute nähen. Ihre zwei langjährigen Hobbies, das Schnitzen und Malen, führt sie weiterhin mit viel Freude aus. Ihre fünf erwachsenen Kinder besuchen sie regelmässig. Und das Schönste: «Meine Grosskinder hüten», sagt Monika Minder mit leuchtenden Augen.
Gut zu wissen
Das Konzert und Theater des Männerchor Leimiswil wird an folgenden Daten im Schulhaus-Saal Leimiswil aufgeführt: Samstag, 28. Januar 2023, 13 und 20 Uhr; Mittwoch, 1. Februar 2023, 20 Uhr; Samstag, 4. Februar 2023, 20 Uhr; Sonntag, 5. Februar 2023, 13 Uhr; Freitag, 10. Februar 2023, 20 Uhr.
Von Marianne Ruch