Mosers Paukenschlag im Gemeinderat
Die Nachricht aus Trachselwald kam wie ein Paukenschlag: Gemeinderat Matthias Moser tritt nicht auf Ende Jahr, sondern per sofort zurück (wir berichteten). Er begründet seinen überraschenden Rücktritt vor allem mit unterschiedlichen Auffassungen über die zukünftige Entwicklung der Gemeinde.
Trachselwald · Matthias Moser hatte schon im Februar endgültig genug. Mündlich teilte er damals Gemeindepräsidentin Kathrin Scheidegger seinen Rücktritt auf Ende Jahr mit. Die schriftliche Demission erfolgte im April. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab er das Ressort Finanzen ab und betreute noch das Ressort Umwelt und Entsorgung. Weshalb jetzt der plötzliche Rücktritt? Mit seinem Rücktritt habe er die Bevölkerung aufrütteln wollen, sich Gedanken über die Zukunft zu machen, wird Moser zitiert. Ein Rücktritt als Protest? «Man kann das so bezeichnen, wenn man will. Es war für mich mehr die Konsequenz aus dem Umgang mit einer solchen Situation», führt er gegenüber dem «UE» aus.
Eine sachliche Analyse
Für Matthias Moser war es vor allem eine sachliche Analyse. Wenn man mit der Situation nicht zufrieden sei, müsse man versuchen, diese zu verändern. «Wenn ich aber an dem Punkt bin und feststelle, dass ich die Veränderungen, die wichtig und nötig sind, nicht herbeiführen kann», erklärt Matthias Moser, «dann bin ich die falsche Person in dieser Position. Das hat nichts damit zu tun, dass etwa etwas nicht rund laufen würde. Es ist eine objektive Beurteilung, eine logische Konsequenz.» Es ging vor allem darum, welche Aufgaben ein Gemeinderat habe, wie die Prioritäten gesetzt würden und wohin generell die Reise gehe. «Für meinen Geschmack», führt Matthias Moser aus, «wurden Fragen immer wieder zu sehr in den Hintergrund gerückt.»
Matthias Moser zieht einen Vergleich zum Sozialdienst Region Trachselwald. «Wir hatten dort verschiedene knifflige Aufgaben zu lösen. Aber in keinem einzigen Augenblick hätte ich daran gedacht, den Bettel hinzuwerfen. Es ist immer die Frage, hat man einen Konsens und hat man ein gemeinsames Ziel, an dem man arbeitet.» In Trachselwald habe man zwar ein Leitbild und Vorgaben zur nachhaltigen Entwicklung, aber das verbindende, übergeordnete Ziel fehle.
Es gebe in Gemeinderäten immer wieder Rücktritte per sofort. Das kenne man nicht nur in Trachselwald, sondern in vielen anderen Gemeinden auch. Aber man schaue meistens nicht richtig hin. Wenn er an die letzten vier Jahre im Gemeinderat denke, so habe man vieles ganz gut gemacht. Trotzdem habe man ein strukturelles Problem. «Viele Leute», so Matthis Moser, «üben ihr Mandat mit sehr viel Engagement aus und schliessen vorhandene Lücken. So merkt man eigentlich gar nicht, was nicht funktioniert. Man kann sehr viel sehr lange über Wasser halten. Die Probleme werden dadurch aber nicht gelöst.»
Das Team der Gemeindeverwaltung sei nicht klein, sondern vor allem sehr effizient, gemessen an der Einwohnerzahl. Die Menge der Aufgaben sei in Trachselwald zwar kleiner als in einer grossen Gemeinde, die Komplexität hingegen gleich. «Man hat», erklärt Moser, «die genau gleichen Aufgaben wie etwa eine Gemeinde in der Grösse von Huttwil und man braucht die genau gleiche Kompetenz. Das reduziert sich allerdings auf viel weniger Personen.» Die Stellvertretungslösung sei viel schwieriger zu lösen. Dann bleibe auch die Frage der Arbeitgeberattraktivität. «Findet man in Zukunft noch die guten Leute, die in so einer Struktur arbeiten wollen?», fragt sich Moser.
Die Strukturen anpassen
Jedes Unternehmen müsse seine Strukturen der Zeit anpassen. «Bei den Gemeindestrukturen passiert gar nichts», stellt Moser ernüchtert fest. Seit hunderten von Jahren fahren wir gleich fort. Irgendwann fehlen schlicht die Mittel, um die personellen Ressourcen bereitzustellen, um den Ansprüchen genügen zu können.
Wirft Moser den Bettel hin, weil nicht alles nach seinem «Grind» läuft? «Es geht nicht um Matthias Moser sondern um die Sache», gibt Moser zurück. «Ich hätte es mir ja sehr einfach machen können. Ich hätte einfach demissionieren und leise abtreten können. Heute hat man vielfach nicht mehr den Mut, hinzustehen und mit Überzeugung für seine Meinung einzustehen. So gibt es aber auch keine Veränderung.»
Aufgaben professionell wahrnehmen
Könnte eine Fusion mit Nachbargemeinden das Problem lösen? Das Thema Fusion sollte bei der Überprüfung von Gemeindestrukturen nicht im Vordergrund stehen, findet Moser. «Die Frage ist: Welche Struktur braucht es, um die Aufgaben der öffentlichen Hand überhaupt wahrnehmen zu können, und zwar professionell.»
Die KMUs beispielsweise seien darauf angewiesen, dass professionelle Gemeindestrukturen vorhanden seien, die ihre Anfragen effizient und rasch beantworteten. Moser: «Die erste Frage ist demnach doch: Wie können wir effiziente, sichere und starke Strukturen haben, welche Entwicklungen ermöglichen? Zweitens: Wie kann man das organisieren? Und drittens: Was kostet das?» Diese Auslegeordnung könne man einer Gemeinde vorlegen und dann die Diskussion führen. Dieser Prozess brauche aber sehr viel Zeit. Doch irgendwann müsse man ja damit beginnen, die Diskussion zu führen. «Dazu braucht es aber», findet Moser, «den Willen der Gremien und des Gemeinderates, um das Thema zu diskutieren, egal zu welcher Lösung man dann kommt.»
Vom Rücktritt überrascht
«Wir waren sehr überrascht über den sofortigen Rücktritt. Und wir bedauern das auch sehr. Matthias Moser war ein sehr engagierter Gemeinderat und hat viel Fachwissen eingebracht», erklärt Gemeindepräsidentin Kathrin Scheidegger auf Anfrage. Es sei schon so, dass man als Gemeinderat oder Gemeinderätin in einer kleinen Gemeinde sehr viele aktuelle und operative Aufgaben wahrnehmen müsse. «Aber ich habe nicht den Eindruck», wendet die Gemeindepräsidentin ein, «dass wir dem strategischen Denken zu wenig Platz einräumen.» Man habe ihrer Meinung nach sehr gute Schritte gemacht in der Gemeinde, beispielsweise mit der Formulierung der Legislaturziele und der Formulierung von Jahreszielen für den Gemeinderat.
Auch Kathrin Scheidegger betont, dass man nicht im Streit auseinander gegangen sei: «Wir haben immer noch ein gutes Einvernehmen mit Matthias Moser.» Natürlich wäre der Gemeinderat froh gewesen, wenn Moser seine Aufgaben noch bis Ende Jahr wahrgenommen hätte. Nun werde man in den nächsten Tagen die Pendenzen durchsehen und sich überlegen, wie man alles stemmen könne.
Für Kathrin Scheidegger ist eine Fusion im Moment noch kein Thema. «Im Vordergrund steht derzeit eine verstärkte Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden. Das entspricht auch einem Legislaturziel, das wir uns gesetzt haben. Wir werden die Fühler ausstrecken und prüfen, wo eine verstärkte Zusammenarbeit Sinn macht», führt die Gemeindepräsidentin aus. Eine Fusion sei immer ein sehr langer Prozess. Im Bereich der Schule arbeitet die Gemeinde schon lange mit Sumiswald zusammen. «Unsere Schülerinnen und Schüler gehen in Sumiswald in die Sekundarschule», erklärt Scheidegger.
Ersatzwahl im Dezember
Die Ersatzwahl für den Rest von Mosers Amtszeit findet voraussichtlich an der Gemeindeversammlung vom 2. Dezember statt. In der Zwischenzeit werden seine Aufgaben von den anderen Mitgliedern des Gemeinderates wahrgenommen.
Von Daniel Fuchs