• Der stattliche Drogeriebau an der Dorfstrasse in Lützelflüh. · Bild: Ernst Marti

13.06.2018
Emmental

Nach 90 Jahren hat das Dorf keine Drogerie mehr

36 Jahre lang führten Susi und Hans Wüthrich erfolgreich die Brandis-Drogerie in Lützelflüh. Doch damit ist nun Schluss, denn Anfang Juli geht das Geschäft zu. Drogi-Hans, wie er auch genannt wird, bedauert, dass keine geeignete Nachfolge gefunden werden konnte.

Lützelflüh · Ab dem kommenden 7. Juli wird es soweit sein, dass Lützelflüh nach fast 90 Jahren über keine Drogerie mehr verfügen wird. Fast zeitgleich mit Denner und Landi, die im Gotthelfdorf ihre Pforten ebenfalls schliessen werden. Für Susi und Hans Wüthrich, letzterer im Dorf fast besser bekannt als Drogi-Hans, soll nach 36 Jahren Geschäftstätigkeit die Lebensphase Ruhestand beginnen.

Spezialitäten und Rezepturen bleiben erhalten
An der Dorfstrasse in Lützelflüh ist das stattliche Gebäude, an dessen Fassade das Brandis-Logo und die Bezeichnung Brandis-Droguerie prangt, nicht zu übersehen. Das Haus wurde im Jahr 1929 vom Vater der damals jungen Drogisten Ernst und Walter Aeschimann, welche das Geschäft während Jahrzehnten führten, als Drogerie gebaut. Im Jahr 1982 erwarb Hans Wüth-rich, der vorher einige Jahren als Geschäftsführer in Thun wirkte, zusammen mit seiner Frau Susi die Brandis-Drogerie.
Nun, nach 36 Jahren soll auch diese Lebensphase für die beiden beendet sein. «Ja, wir gehen mit einem lachenden und einem weinenden Auge», sagen beide, denen am meisten zu schaffen macht, dass keine geeignete Nachfolge gefunden werden konnte. Das Haus ist inzwischen verkauft und Ende September werden die beiden ihr langjähriges Heim verlassen.
Wie das stattliche Geschäftshaus in Zukunft genutzt wird, ist noch nicht genau definiert. Ihre persönliche Zukunft sehen Susi und Hans Wüthrich so: «Zuerst nehmen wir ausgiebig eine Auszeit und danach werden wir sicher der Region erhalten bleiben.»
«Klar ist das Geschäftsleben inden letzten Jahren härter geworden, denn auch die Drogerien spüren die Konkurrenz der Grossverteiler. Dazu kam, dass zum Beispiel mit der Einführung der Digitalfotografie das Fotogeschäft völlig wegfiel. Unsere guten Produkte und die persönliche Beratung waren jedoch immer unsere Stärke», betont der Geschäftsinhaber. Doch: «Der persönliche Kontakt mit den Kundinnen und Kunden sowie die vielen guten Gespräche werde ich bestimmt missen.» Eine weitere Stärke der Brandis-Drogerie ist das breite Angebot der Kräuterspezialitäten, wobei hier besonders das grosse Teesortiment hervorsticht.

Rezepturen bleiben erhalten
Doch gehen nun mit der Betriebsschliessung alle die speziellen Rezepturen verloren? Mitnichten sagt Drogi-Hans: «Diese Rezepte werde ich meinen Kollegen in der Region übergeben. So können meine bisherigen Kunden dort ihre gewohnte Spezialität beziehen. Gute Lehrlingsausbildung wurde in der Brandis-Drogerie stets hochgehalten. 18 Lehrlinge bildete das Ehepaar Wüthrich in den 36 Jahren in Lützelflüh mit Erfolg aus. Von den zwei letzten Lehrlingen absolviert Jenny König soeben die Abschlussprüfungen und wird danach die Berufsmittelschule besuchen. Céline Leuenberger steht am Ende des zweiten Lehrjahres. Die letzten zwei Lehrjahre wird sie nun bei einem Berufskollegen von Hans Wüthrich, der in Biglen eine Drogerie führt, absolvieren.

Pläne für den Ruhestand
Angst vor dem Ruhestand haben Susi und Hans Wüthrich nicht. Hans ist begeisterter Sportfreund, wobei ihm besonders die SCL Tigers und die Berner Young Boys am Herzen liegen.
Und da ist noch die Musik. Nicht etwa, dass Drogi-Hans nun Berufsmusiker wird. Zwar spielte er als Jüngling Orgel in einer Tanzband, doch was er jetzt vorhat, geht in eine andere Richtung. Zusammen mit einigen Freunden, welche in einer anderen Band aktiv sind, hat er die Band «Drugstore John and Friends», oder auf Deutsch «Drogerie Hans und Freunde», gegründet. Über den Standort des Übungslokals weht noch der Schleier des Geheimnisses. Klar ist jedoch, dass am 2. November 2019 in der Kulturmühle Lützelflüh ein grosses Konzert stattfindet. Bis es soweit ist, haben also Hans und seine Freunde noch genügend Zeit zum Üben.

Von Ernst Marti