Nach Doppelsieg nahe am WM-Titel
Zwei Traumrennen in Argentinien mit den Saisonsiegen Nummer 14 und 15 und die überlegene WM-Führung: Rohrbachs Töffpilot Dominique Aegerter reitet auf der Erfolgswelle.
Motorsport · Was Dominique Aegerter aus Rohrbach derzeit zeigt, ist absolute Spitzenklasse. In beiden Rennläufen in San Juan im Nordwesten Argentiniens war die Nummer 77 einfach eine Wucht. Noch nie konnte der 32-jährige Rohrbacher zuvor auf diesem Rundkurs gewinnen. Diese Scharte wetzte er nun gleich doppelt aus.
Mit zwei Supersport-Renndarbietungen nahe der Perfektion. «Ich bin überglücklich. Wir hatten ein fantastisches Wochenende in San Juan, wo wir mit der Pole-Position und zwei Rennsiegen das Maximum herausgeholt haben», freute sich Aegerter.
Aufholjagd eines Champions
Von der Pole-Position nahm «Aegi» am Samstag das erste Rennen in Angriff. In der zweiten Kurve wurde er von Federico Caricasulo überholt. Wenige Kurven später zog mit Raffaele de Rosa ein zweiter Italiener am Rohrbacher vorbei. Nach drei Runden hatte sich das Trio etwas abgesetzt. Etwas wider Erwarten konnten die Verfolger die Lücke noch einmal schliessen. Nach zehn Runden zog dann auch Stefano Manzi (Italien) am Oberaargauer vorbei. Für den 32-Jährigen war es im Kampf um den WM-Titel aber vor allem wichtig, im Sattel zu bleiben – und sich den grossen Rivalen Lorenzo Baldassarri auf Distanz zu halten. Beides gelang problemlos. Und dann setzte Aegerter zur grossen Show an. 13 Runden vor Schluss lag er an dritter Stelle – mit 1,3 Sekunden Rückstand auf das Spitzen-Duo, aber auch mit fünf Sekunden Vorsprung auf die Verfolger. Mit traumhaft gefahrenen Kurven und laufend schnellsten Runden tilgte Aegerter den grossen Rückstand. In der drittletzten Runde unterlief Caricasulo ein Schaltfehler, was Aegerter erlaubte, vorbeizuziehen. Nun blieben etwas mehr als zwei Runden, um satte zwei Sekunden Rückstand zuzufahren. Aegerter tat es im Stil eines grossen Champions. In der letzten Runde zog die Nummer 77 am Ende der langen Geraden aus dem Windschatten heraus auch am führenden Italiener Raffaele de Rosa vorbei. Und die Spitzenposition gab der zweikampfstarke Schweizer nicht mehr her.
Die letzte Überholmöglichkeit genutzt
Die unglaubliche Darbietung vom Samstag wiederholte Aegerter am Sonntag tatsächlich. Nach dem Start aus der vordersten Position lag der Rohrbacher nach der Startrunde nur an vierter Stelle. Vorneweg fuhr – wie schon am Samstag – der Italiener Caricasulo. Zwischenzeitlich fiel Aegerter sogar an die fünfte Stelle zurück, während Hauptrivale Lorenzo Baldassarri die Runden an zweiter Stelle drehte. Die Wende zum Guten begann neun Runden vor Ende. Der mittlerweile weit voraus liegende Raffaele de Rosa stürzte unbedrängt. Aegerter lag neu an dritter Stelle. Das Rennen führte WM-Konkurrent Baldassarri an. Aegerter war aber nahe dran. In der viert- und fünftletzten Runde lieferten sich der Rohrbacher und Caricasulo heisse Positionskämpfe um die Verfolgerposition hinter dem Leader. Schliesslich setzte sich Aegerter an zweiter Stelle fest.
Nun begann der heisse Ritt gegen Baldassarri. Drei Runden vor Ende zog Aegerter erstmals an seinem Erzrivalen vorbei. Dieser konterte Ende der langen Geraden der zweitletzten Runde. Als Leader ging die Nummer 7 vor der Nummer 77 auf die letzte Runde. Geduldig wartete Aegerter im Windschatten auf den perfekten Moment. Erst vor der vorletzten Kurve zog Aegerter eiskalt innen am verdutzten Italiener vorbei und krönte damit sein Traum-Wochenende. «Ich bin überglücklich! Wir hatten ein fantastisches Wochenende hier in San Juan, wo wir mit der Pole Position und zwei Rennsiegen das Maximum herausgeholt haben.»
Einen Sieg vom WM-Titel entfernt
Die beiden Siege beim drittletzten Stopp der diesjährigen Supersport-Weltmeisterschaft haben Dominique Aegerter ganz nahe an den Supersport-Weltmeistertitel gebracht. Ausstehend sind vier Rennen (100 Punkte). Je zwei Rennen in Indonesien (12./13. November) und in Australien (19./20. November). Momentan liegt Aegerter 72 Punkte vor seinem Rivalen Baldassarri. Holt Aegerter im nächsten Rennen den Sieg (und damit 25 Punkte), steht er vorzeitig und zum zweiten Mal nach 2021 als Supersport-Weltmeister fest. «Unser Polster beträgt jetzt 72 Punkte. Damit haben wir vor den letzten beiden Rennwochenenden in Indonesien und Australien einen beruhigenden Vorsprung in der Gesamtwertung. Ich freue mich auf diese Strecken, die ich sehr mag. Trotzdem werde ich die beiden Wochenenden nicht anders angehen als alle anderen», sagte Aegerter. «Ich höre oft, dass ich vor einem Jahr hier in San Juan viel an die Meisterschaft gedacht habe. Aber ich muss entgegnen, dass ich damals sehr entspannt und sehr fokussiert war – und das bin ich auch jetzt. Ich trainiere viel zu Hause und bereite mich auf einem sehr hohen professionellen Niveau vor. Das ist die beste Ablenkung für mich», so der souveräne WM-Leader.
Resultate: Rennen Samstag (17 Klassierte): 1. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 32:27,154; 2. Raffaele de Rosa, Italien, 32:27,446; 3. Federico Caricasulo, Italien, 32:29,651; 9. Lorenzo Baldassarri, Italien, 32:414,01. – Rennen Sonntag (16): 1. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 32:23,440; 2. Federico Caricasulo, Italien, 32:351,07; 3. Lorenzo Baldassarri, Italien, 32:35,279. – WM-Stand (20/24): 1. Dominique Aegerter, Schweiz/Rohrbach, 424; 2. Lorenzo Baldassarri, Italien, 352; 3. Can Oncu, Türkei, 216; 4. Nicolo Bulega, Italien, 190; 5. Stefano Manzi, Italien, 178.
Von Stefan Leuenberger