Nachfrage nicht grösser, aber anders
In den letzten zehn Jahren hat sich in den Altersheimen der Region viel verändert. Einzelne wurden grösser, andere haben das vermieden und in einzelnen Fällen heisst grösser werden nicht unbedingt, mehr Betten anzubieten. Eines aber scheint bei der Umfrage in den Altersheimen der Region des «Unter-Emmentalers» klar: Die Altersheime verändern sich, um die veränderte Nachfrage decken zu können.
Region · Zum Ende des Jahres 2018 gab es in der Schweiz fast 100 000 Plätze in Alters- und Pflegeheimen, jährlich werden die von etwas über 150 000 Personen belegt. Dies geht aus Statistiken des Bundesamtes für Statistik hervor, welches die Gesamtkosten dieser Einrichtungen auf satte 10 357 000 000 Franken beziffert – oder in Worten: zehn Milliarden dreihundertsiebenundfünfzig Millionen. Während die durchschnittliche Aufenthaltsdauer 890 Tage, also etwas mehr als zwei Jahre, beträgt, betreuten 2168 Spitex-Dienste 367 378 weitere Klienten und leisteten dabei 16,9 Millionen Pflegestunden sowie mehr als 6 Millionen hauswirtschaftliche und sozialbetreuerische Stunden. Alters- und Pflegeheime werden derweil aus unterschiedlichen Gründen aufgesucht. Zumeist führen körperliche Gebrechen dazu, dass ältere Menschen ohne pflegerische Hilfe nicht mehr alleine leben können, andere wiederum vereinsamen, beispielsweise in ländlichen, abgelegenen Gebieten, und ziehen den Einzug ins Altersheim vor. Davon ausgehend, dass die Bevölkerung ständig älter wird und Menschen länger leben, steigt auch die Nachfrage nach Plätzen in Altersheimen. Die Politik will zwar diese Anzahl aus Kostengründen möglichst tief halten und sogar das Angebot verkleinern, die Nachfrage könnte aber aufgrund der Demografie dennoch steigen.
Haslibrunnen: Plätze verdoppeln
So wird beispielsweise in Langenthal in näherer Zeit das Angebot deutlich vergrössert. Im Haslibrunnen soll ein Neubau entstehen, der die heutige Bettenanzahl von 72 auf 152 verdoppelt, vor der Eröffnung eines zwischenzeitlich eingeführten Zweit-standortes im September 2016 an der Haldenstrasse stand die Haslibrunnen AG sogar erst bei 53 Betten. Mit dem geplanten Umbau erhält das Altersheim Haslibrunnen aber nicht 80 «normale» zusätzliche Betten, drei neue Abteilungen sollen nämlich von jeweils 14 Betten profitieren können. Dies wird einerseits eine Demenz-Abteilung sein, eine Station für Übergangslösungen und eine Abteilung für die Palliative Betreuung wird ebenfalls eingerichtet. Gewöhnliche Altersheim-Betten erhält das Haslibrunnen nach aktuellem Stand 38 zusätzliche. «Aktuell wird die Überbauungsordnung geprüft, wenn der Stadtrat wie geplant im Sommer darüber befindet, könnte danach das Baugesuch gestellt werden», informiert Heimleiter Hansjörg Lüthi. Die weitere Planung sieht vor, dass im Januar der Pavillon als Übergangslösung bezogen wird und der Rückbau des jetzigen Standortes beginnt. Im Sommer 2021 soll dann die zweijährige Bauzeit für ein neues Heim starten, investiert werden dafür rund 50 Millionen Franken. «Geplant ist, dass wir hier eine Zentrumsfunktion für umfassende Dienstleistungen einnehmen», sagt Hansjörg Lüthi. Dementsprechend wird auch eine Physiotherapie im Gebäude betrieben, angrenzende Alterswohnungen sollen von unterschiedlichen Dienstleistungen ebenfalls profitieren können. Mit dem Neubau würden laut Lüthi neue Chancen entstehen, auf die sich das Heim freuen darf.
Ausserdem liege die Hauptmotivation für einen Umbau nicht in der gestiegenen Nachfrage, in den letzten Jahren sei diese konstant geblieben. Aber: «Eigentlich müsste es das Ziel sein, dass Langenthaler auch ihren Lebensabend in Langenthal verbringen können. Dafür haben wir aber rund 200 Betten zu wenig.» Wenn daher die neue Station erst aufgestellt ist, geht Hansjörg Lüthi davon aus, dass die neuen Betten rasch besetzt werden können. «In den letzten zehn Jahren lag die Auslastung stets bei 98 bis 99 Prozent. Zudem wurden viele Langenthaler auswärts in umliegenden Heimen platziert.»
Violino: Platzmässig grösser werden
Während in Langenthal zusätzliche Betten benötigt werden, heisst andernorts «umbauen» noch lange nicht auch vergrössern. Im Violino in Zell liefen in den letzten Monaten entsprechende Arbeiten, grösser soll das Altersheim aber nicht werden. «Wir haben uns vor Jahren damit befasst, wie wir unser Altersheim entwickeln möchten», sagt Heimleiter Beat Chapuis. Die vom Kanton geforderten Plätze für die Planregion Willisau sind bereits vorhanden, auch habe man keine erhöhte Nachfrage in den letzten Jahren festgestellt, die einen Ausbau rechtfertigen würden. «Platzmässig werden wir aber grösser», sagt Chapuis weiter, «einzelne Doppelzimmer werden aufgelöst, ein umfunktionierter Materialraum wird seiner ursprünglichen Funktion wieder zugeführt, und in einzelnen Abteilungen vergrössern wir die Zimmer wegen des Pflegebedarfs.» Deshalb wird das Altersheim durch den Umbau zwar grösser, auch werden mehr Zimmer angeboten, die Anzahl Betten bleibt aber weiterhin bei 68. «Ausserdem hatten wir teilweise in Ess- und Aufenthaltsräumen zu wenig Platz und zudem richten wir acht Betten für demenzkranke Bewohner ein.» Dass das Violino aber trotz nicht unbedingt grösser werdender Nachfrage beliebt sei, zeige letztlich auch die Altersstatistik. «Unsere Rentner sind zu einem grossen Teil noch rüstig. Deshalb haben wir einen eher tiefen Pflegegrad und der Durchschnitt liegt knapp unter 84 Jahren. In Zell», so Beat Chapuis, «kommen die Menschen eher früh zu uns. Das Altersheim ist auch deshalb lebhaft.» So soll das Altersheim jetzt – am 25. April hätte man Eröffnung gefeiert – die Bewohner umso mehr begeistern. «Hier wird den Bewohnern alles geboten. Viele kommen aus ländlichen Gebieten zu uns und schätzen das Leben im Dorf mit den vielen Möglichkeiten.»
Patrik Walther: «Menschen bleiben länger zuhause als früher»
Andere Erfahrungen macht Patrik Walther, Heimleiter vom «Sumia» in Sumiswald. Er sagt, dass sich die Bedürfnisse älterer Menschen mehr und mehr verändern und deshalb der Altersdurchschnitt in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. «Unsere Bewohner sind im Schnitt 87 Jahre alt und halten sich zumeist nicht lange im Altersheim auf. Früher war der Schnitt jünger, der Aufenthalt im Heim aber länger.» Die Entwicklung begrüsse er vor allem aus finanzieller Sicht, weil Langzeitinstitutionen teurer sind als beispielsweise das Engagement der Spitex. «Ich denke, wir könnten durchaus expandieren und grösser werden, die Nachfrage wäre wahrscheinlich sogar vorhanden. Das wäre jedoch ein falsches Signal – und hier finde ich, haben wir eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.» Letztlich sei auch ein grosser Teil der Bewohnerschaft Bezüger von Ergänzungsleistungen, sodass ein früherer Eintritt die Staatskasse wiederum stärker belastet.
Im Sumia werden deshalb seit dem Umbau im Jahr 2016 130 Betten angeboten. Damals wurden die umliegenden Altersheimstationen geschlossen und die Betten verlagert. «Wir haben dabei absichtlich keine zusätzlichen Betten installiert, sondern so umgebaut, dass genau gleich viele Betten angeboten werden können wie zuvor.» Das Angebot wird von einer AG getragen, deren Trägergemeinden Affoltern, Dürrenroth, Lützelflüh, Trachselwald und Sumiswald davon profitieren. «Auch ohne Umbau und ohne Überbetten haben wir eine Belegung von durchschnittlich 98 bis 99 Prozent, bei 40 bis 50 Todesfällen pro Jahr. Anders gesagt: Wir können zufrieden sein mit unserer Auslastung.»
Sonnegg auch nach Ausbau ausgelastet
Grösser zu werden berge zudem ein anderes Problem, sagt Patrik Walther und erhält Zustimmung von Iris Schenker, Heimleiterin der Sonnegg Huttwil. Beide sagen, dass vor allem das Suchen nach gutem Personal eine Herausforderung sei – und mehr Bewohner benötigen mehr Personal. «Es geht nicht nur darum, Arbeitnehmer zu finden, die gut ausgebildet sind. Sie brauchen auch eine gewisse Empathie», erklärt Iris Schenker. Als die Sonnegg Ende 2014 deshalb um elf Betten vergrössert wurde, sei dies die grösste Herausforderung gewesen. «Wir waren sofort ausgelastet, innerhalb von zwei Wochen konnten wir elf neue Bewohner aufnehmen.» Während vor dem Umbau 37 Betten vorhanden waren, können nun 48 angeboten werden. Ausserdem gibt es in der Sonnegg ein «Puffer-Bett», quasi ein Überbett, über welches sie jeweils sehr froh sei. «Viele Eintritte werden direkt vom Spital an uns verwiesen. Solche Notfall-Eintritte können wir dann mit diesem Bett abfangen.»
Mehr als die 48 gemeldeten Betten würde sich Iris Schenker für die Sonnegg aber nicht wünschen, dennoch tendierte die Auslastung in den letzten Jahren gegen 100 Prozent.
Sunnehof: Erfolg mit Doppelangebot
Neue Betten gab es derweil erst kürzlich in Rohrbach, vor zwei Jahren wurde dort der Sunnehof eröffnet. Dieser besteht aber nicht nur aus dem eigentlichen Altersheim, sondern auch aus Alterswohnungen. Auf dem Gelände werden einerseits 20 Altersheim-Betten mit vollumfänglicher Betreuung angeboten, andererseits stehen 16 Wohnungen für Betagte zur Verfügung, die einzelne Dienstleistungen zur Mietvereinbarung dazu buchen können. «Es gibt immer wieder einzelne Bewohner, die beispielsweise bei uns zu Mittag essen», weiss Dora Wyss, Pflegedienstleiterin vom Altersheim. Die Alterswohnungen sind zudem sehr gut ausgelastet, vermeldet die Verwalterin, die Bracher und Partner Immobilien AG Langenthal, gut ausgelastet ist auch das Altersheim selbst.
Gleiches sagt auch der «Schärme» in Melchnau, der erst im letzten Jahr um- und ausgebaut hat. «Wir hatten zuvor 55 Betten, weil jetzt eine Demenzabteilung dazukommen ist, sind es 67», sagt Heimleiter Beat Nydegger. Er selbst habe das Gefühl, dass der Bedarf in Zukunft zwar noch wachsen könnte, weil die Menschen älter werden und die Spitex alleine die Nachfrage kaum decken könne. Aktuell sei er aber mit der Grösse des Schärme zufrieden, überlastet sei man nicht, auch Wartelisten würden sich in Grenzen halten. «Wir sind bei rund 95 Prozent Auslastung. Wenn also beispielsweise Langenthal zu wenig Platz hat, können wir meistens ein Übergangsbett anbieten, bis es in Langenthal wieder Platz hat», so Beat Nydegger.
Weimatt: Auslastung schwankt
Ohne Umbau weitergehen muss es derweil in der Weimatt. Das Alterszentrum in Weier hatte zwar Pläne, erhielt aber die Baubewilligung nicht. «Wir haben derzeit 15 Betten und in erster Linie Doppelzimmer. Mit diesem Angebot ist es manchmal schwer, eine gute Auslastung zu erreichen», erklärt Sandro Bernhard. Mehrheitlich sei man zwar zufrieden, wenn man über die letzten zehn Jahre blicke, der Ertrag halte sich aber in Grenzen. «Letztlich ist es auch ein soziales Engagement für regionale Kunden im Gesundheitssektor», sagt Bernhard weiter. So gebe es in Punkto Auslastung gute und weniger gute Jahre für die Weimatt, gerade in kleinen Dörfern sei dies für ein Alterszentrum aber auch normal.
Dass die Bevölkerung älter wird, hat sich auch in den Altersheimen gezeigt, nicht aber mit einer Überlastung des Angebots, sondern einer Veränderung der Nachfrage. Vielerorts sind die Bewohner im Durchschnitt älter geworden, oft wird deshalb auch der Aufenthalt kürzer. Das wiederum erhöht den Pflegegrad der Kunden und somit auch den Aufwand der Altersheimbetreiber. In der Region des «Unter-Emmentaler» haben die Altersheime eine gute Auslastung und teilweise sogar noch ein klein wenig Reserve. Der Wunsch nach einem adäquaten Zuhause für die letzten Lebensjahre dürfte die Nachfrage auch in den nächsten Jahren stabil halten.
Von Leroy Ryser