Neuer Standortleiter und neuer Standort
Als wäre die aktuelle Coronazeit nicht schon kompliziert genug, muss sich die Jugendarbeit Sumiswald einen neuen Standort suchen. Jetzt, da nach längerer Suche der perfekte neue Standortleiter gefunden wurde, scheint dies kein Problem mehr zu sein.
Sumiswald · Geländespiele im Wald, gemeinsames Kochen und Abendessen, Jugenddisco und kreative Herbstlager – für viele Kinder und Jugendliche in Sumiswald und Wasen waren solche Dinge vor Coronazeiten ein wichtiger Teil des Alltags. Möglich gemacht wird dies durch die offene Jugendarbeit Sumiswald/Wasen, die von der GmbH «Jugendwerk» betrieben wird. Rund ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Sumiswald und Wasen nehmen gemäss eigenen Angaben regelmässig oder punktuell an den Anlässen teil. Doch wie überall musste auch hier der Betrieb Mitte März vorübergehend eingestellt werden.
Severin Rigassi übernimmt
Mitten in dieser aussergewöhnlichen Zeit erhält die Jugendarbeit Sumiswald/Wasen einen neuen Standortleiter. Nachdem die Leiterin Cindy Kronenberg per Ende 2019 nach vier Jahren demissionierte, wurde der Standort interimsmässig von Cyrill Baumann geführt.
Nach längerer Suche eines geeigneten Nachfolgers übernimmt nun Severin Rigassi nach den Sommerferien das Ruder. Der 28-Jährige hat klinische Heil- und Sozialpädagogik studiert und arbeitete zuvor in einer Wohngruppe für Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten. Das habe ihm zwar Freude gemacht, «doch ich wollte mehr kreativ arbeiten und mich in einer neuen Umgebung behaupten müssen», sagt Rigassi. Und so verschlug es den Rheinfelder, der in Bern wohnt, ins Emmental. Obwohl er heute in Bern lebt, engagiert er sich leidenschaftlich als Präsident der Pfadi seiner Heimatstadt Rheinfelden im Kanton Aargau.
Schon seit der frühen Kindheit sei die Pfadi für ihn sehr wichtig gewesen, sagt Rigassi. So habe er beispielsweise seine ersten Erfahrungen in einer Leitungsfunktion in der Pfadi gemacht. «Einen Sozialpädagogen und eingefleischten Pfader als Standortleiter zu gewinnen, ist ein wahrer Glücksfall», sagt der Geschäftsführer des «Jugendwerks», Reto Blaser. Denn einen geeigneten Nachfolger für Cindy Kronenberg, welche die offene Jugendarbeit Sumiswald/Wasen aufgebaut hatte, zu finden, sei schwierig gewesen. Wer diesen Job mache, müsse sehr eigenständig und durchsetzungsfähig sein, sagt Blaser. An einem Spitzenabend im Jugendtreff habe der Leiter oder die Leiterin die Verantwortung für ungefähr 50 Jugendliche «in Feierlaune». «Das ist eine ganz andere Arbeit als etwa in einer Wohngruppe oder einem Kinderheim», gibt Blaser zu bedenken. Die selbstverantwortliche Funktion des Jugendarbeiters hat sich durch Sparmassnahmen des Kantons noch zugespitzt. Seit 2019 erhalten sämtliche Institutionen, die offene Jugendarbeit betreiben, keine Praktikanten-Beiträge mehr. Auch die Jugendarbeit Sumiswald rekrutiert aus diesem Grund künftig keine Praktikanten mehr und setzt noch stärker auf die Freiwilligenarbeit.
Breit aufgestellte Jugendarbeit
Obwohl Rigassi dank Pfadi-Hintergrund für solche Herausforderungen bestens gerüstet ist, ist es ihm wichtig, seine neue Tätigkeit vom Pfadi-Engagement abzugrenzen. «Die Jugendarbeit ist viel breiter aufgestellt, hier sollen alle auf ihre Kosten kommen», bekräftigt der 28-Jährige. Auch für diejenigen, die nicht gerne im Wald herumrennen, sondern lieber kreativ sein möchten oder sich im geschützten Rahmen des Jugendtreffs mit ihren Freunden unterhalten wollen, sei die offene Jugendarbeit da. Und doch, eine Parallele sieht Rigassi in den beiden Jugendangeboten: Das freiwillige Engagement der Jugendlichen selbst.
Als Standortleiter wird er in Sumiswald künftig Kurse für Jungleiterinnen und Jungleiter durchführen. Diese richten sich an Jugendliche ab der sechsten Klasse, die sich als Leiterinnen und Leiter an den Anlässen und in den Lagern engagieren wollen. Dieser Aspekt war für Rigassi ausschlaggebend, die Stelle in Sumiswald zu übernehmen. «Ich freue mich sehr darauf, mein Wissen an die Jugendlichen weiterzugeben, denn ich selbst habe in solchen Kursen extrem viel gelernt», sagt er begeistert.
Jugendliche Leiter
Eine professionelle Standortleitung plus Engagement von freiwilligen Helferinnen und Helfern – für den Geschäftsführer Reto Blaser ist klar, dass dies das Erfolgsrezept der modernen offenen Jugendarbeit und schliesslich auch von «Jugendwerk» ist. Die Motivation der Jugendlichen, sich freiwillig zu engagieren, sei sehr hoch, freut sich Blaser. Momentan sind in Sumiswald und Wasen rund 20 Jugendliche als Leiterinnen und Leiter im Einsatz. Im Jahr 2019 leisteten die Freiwilligen in Sumiswald insgesamt 1 424 Einsatzstunden.
Neuer Standort
Nicht nur der Standortleiter wird in Sumiswald bald ein neuer sein, auch der Standort wird bald an einem anderen Ort einquartiert sein. Da das Werkhofgebäude Stettlerhaus verkauft wurde, müssen sich sowohl der Werkhof als auch die Jugendarbeit nach einer Alternative umsehen. Dem Zügeltermin im September blickt Blaser wehmütig entgegen, denn «der Werkhof war für uns eigentlich der ideale Ort». Nun laufe die Suche «auf Hochtouren». Wo genau die offene Jugendarbeit Sumiswald/Wasen ab Oktober daheim sein wird, sei noch nicht spruchreif. «Doch wir befinden uns in der Endabklärung, es sieht gut aus», lässt Blaser durchblicken. Vorerst gilt es aber, trotz Veranstaltungs- und Versammlungsverbot mit den Kindern und Jugendlichen digital in Kontakt zu bleiben und sich auf den Moment vorzubereiten, in dem die Arbeit wieder aufgenommen werden kann. Hier sieht sich Blaser in der Pflicht: «Es liegt dann an uns, die Kinder und Jugendlichen mit realen Erlebnissen aus der stark digital geprägten Corona-Zeit wieder ins echte Leben zu holen.»
Arbeit verändert sich
Gemäss Reto Blaser, dem Geschäftsführer der «Jugendwerk GmbH», habe sich die Aufgabe der Jugendarbeit in den letzten Jahren verändert. Früher seien die Jugendarbeiter primär Bezugs- und Ansprechpersonen für die Jugendlichen gewesen, meist in Problemsituationen. Da sich die Gesellschaft heute aber stärker für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen interessiere und diese dadurch mehr Bezugspersonen hätten, habe sich auch der Anspruch an die Jugendarbeit geändert. Nun sei die Aufgabe, den jungen Menschen die Gelegenheit zu bieten, sich in einem Rahmen ohne Konsumationszwang untereinander zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und zwischen den Jugendlichen und ihren Bezugspersonen zu vermitteln. Die offene Jugendarbeit setzt sich dafür ein, dass Jugendliche in ihrem Wohn- und Lebensumfeld integriert sind und sich an den Prozessen der Gesellschaft beteiligen können.
Jugendwerk GmbH
2006 gründete der Sozialarbeiter Reto Blaser in Münchenbuchsee den Verein «Jugendwerk», der im Auftrag der Gemeinde die offene Jugendarbeit betrieb. Das Modell, das Jugendliche ab der sechsten Klasse als Leiterinnen und Leiter in den Betrieb mit einbezog, stiess bei den Gemeinden auf offene Ohren. Denn was in Jungscharen und Pfadis gang und gäbe ist, war für die staatlich organisierte Jugendarbeit noch Neuland. Aufgrund des Erfolgs übertrugen später 35 weitere Gemeinden aus dem Kanton Bern ihre Jugendarbeit an den Verein, darunter Schüpfen, Lützelflüh, Sumiswald und Rüti. Somit deckt die Institution, die sich 2019 von einem Verein zu einer GmbH umwandelte, mit 14 Fachstellen 36 Gemeinden ab. Weitere Gemeinden befinden sich im Aufnahmeverfahren, im Jahr 2016 übernahm die GmbH die Jugendarbeit in Sumiswald. Seither führt sie dort jeweils am Mittwoch Kinderanimation für Zweit- bis Viertklässler sowie am Donnerstag für Fünft- bis Sechstklässler durch. Am Freitagabend findet der regelmässige Jugendtreff für die Oberstufenschülerinnen und -Schüler statt. Hinzu kommen Jungleiterschulungen, Jugenddiscos, Sportabende, Beiträge zum Ferienpass sowie die Herbst- und Sommerlager.
Von Silvia Staub