Neues Leben erfüllt das Stettler-Haus
Das Stettler-Haus in der Marktgasse in Langenthal ist wieder belebt. Im Erdgeschoss befinden sich zwei neue Geschäfte und in den drei Obergeschossen sind sechs Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen entstanden, von denen vier bereits vermietet sind. Ernst Stettler von der Stettler Immobilien AG und Eigentürmer der Liegenschaft spricht denn auch davon, dass die über zwei Millionen Franken, die in das Gebäude investiert wurden, gut angelegt seien.
Vom Metzgerei- zum Kleiderladen, so könnte man kurz und knapp den Wandel des Stettler-Hauses in der Marktgasse in Langenthal beschreiben, der in den letzten Monaten vollzogen wurde. Doch dahinter steckt natürlich viel mehr: Eine äusserst spannende Baugeschichte und eine überaus interessante Historie des Gebäudes, das im Jahr 1804 erstmals in einem Schriftstück erwähnt wurde.
Das markante Haus neben dem «Choufhüsi» ist den Langenthalern eigentlich nur als Metzgerei bekannt. In alten Akten wird erstmals 1871 von einer Metzgerei in diesem Haus berichtet. Weniger bekannt ist dagegen, dass sich in dieser Liegenschaft das Restaurant zur Linde befand. Ernst Stettler, dessen Vorfahren 1945 die Liegenschaft erwarben, weiss, dass seine Familie 1954 das Restaurant schloss und sich in der Folge auf den Metzgereibetrieb konzentrierte, den er später übernahm und viele Jahre weiterführte.
Massiver Eingriff war nötig
Nach 70 Jahren endete dann die Ära der Metzgerei Stettler. Eine Nachfolgelösung mit einem neuen Metzger scheiterte, so dass die Liegenschaft seit 2016 leer stand und Langenthal seither über keinen Metzgereiladen mehr verfügt. Zusammen mit dem befreundeten Rechtsanwalt Dr. Hans Weltert gründete Ernst Stettler 2019 die Stettler Immobilien AG. «Hans Weltert hatte viele Ideen und Vorstellungen für die weitere Verwendung und Nutzung des Stettler-Hauses», erläutert Ernst Stettler.
«Das Haus ist in die Jahre gekommen und deshalb war rasch klar, dass hier etwas gemacht werden muss», fügt Hans Weltert hinzu. Man habe zwei Möglichkeiten gehabt, eine sanfte Renovation oder einen massiven Eingriff in das Gebäude. Die erste Variante erwies sich gemäss Weltert wenig erfolgversprechend, weil befürchtet werden musste, dass sich trotz guter Lage die entsprechende Mieterschaft kaum finden liesse. «Deshalb bevorzugten wir nach reiflichen Überlegungen und Abwägungen eine grosse Renovation, mit dem Ziel, dass die Liegenschaft am Ende einem Neubau entspricht», begründet Hans Weltert das Vorgehen.
Eine knifflige Ausgangslage
Doch die Realisierung dieses Vorhabens stellte alle Beteiligten, nicht zuletzt das Architektenteam der Firma Lüscher Egli AG in Langenthal, vor grosse Herausforderungen in klimatischer und energietechnischer Hinsicht, aber auch im Bereich der Denkmalpflege und der Statik. «Das Haus verfügte über eine Bausubstanz, die mehr als 100 Jahre alt war, was für die Transformation in das renovierte Gebäude eine nicht alltägliche Herausforderung darstellte, genauso wie die Tatsache, dass sich die Liegenschaft direkt über dem Wasser befindet, fliesst doch die Langete unter dem Haus hindurch», erläuterte Rafael Garcia, Mitinhaber der Architekturfirma, die knifflige Ausgangslage, die von allen am Bau beteiligten Unternehmen hervorragend gelöst wurde. Diesbezüglich loben Stettler und Weltert auch die überaus unkomplizierte und kooperative Zusammenarbeit mit der Bauverwaltung der Stadt Langenthal.
Und so präsentiert sich das Stettler-Haus oder das Haus zur Linde, wie es nun heisst, in Anlehnung an das frühere Restaurant an diesem Ort, in neuem Glanz und einzugsbereit. In Erinnerung an das ehemalige Wirtshaus wird demnächst noch das aufgefrischte Wappen des früheren Restaurants am Gebäude angebracht (gegen die Marktgasse hin). Im Erdgeschoss ist bereits im November der Kleiderladen Colora eingezogen (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Nach Ende des Lockdowns wird mit dem Atelier Kunterbunt (Akubu) ein weiteres Geschäft einziehen. In den drei Stockwerken darüber befinden sich insgesamt sechs neue Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen in der Grösse zwischen
47 und 71 Quadratmetern.
In erster Linie seien diese Wohnungen für ältere Leute konzipiert und behindertengerecht ausgestattet worden, erläutert Hans Weltert und weist darauf hin, dass den Mietern im Haus zur Linde keine Parkplätze zur Verfügung stehen. «Deshalb werden wohl eher ältere Leute, die nicht mehr so mobil sind, aber noch nicht ins Altersheim möchten, diese Wohnungen bevorzugen», vermutet Weltert. Die Vermutung hat sich bislang aber nur zur Hälfte bestätigt, denn in die bereits vier vermieteten Wohnungen werden auch junge Leute einziehen. An diesem Punkt blicken Weltert und Stettler noch einmal auf die Ausgangslage zurück und erwähnen, dass dieses Vorhaben von ihrer Seite her viel Mut erfordert habe, «weil wir massiv in die Gebäudestruktur eingreifen mussten, einen Lift einbauen, sämtliche Küchen, Nasszellen, aber auch die Technik und Kommunikation im Gebäude hochwertig ausstatten mussten, damit die Wohnungen einem zeitgemässen Standard entsprechen», führte Weltert aus. Am Ende habe man weit über zwei Millionen Franken in die Liegenschaft investiert. Die beiden sind jedoch überzeugt, dass ihr Geld gut angelegt ist, weil dadurch nicht bloss eine langjährige Tradition eines markanten Hauses im Zentrum von Langenthal weitergeführt wird, sondern ein Geschäfts- und Wohnhaus an prominenter Lage auch in Zukunft einem Bedürfnis der Bevölkerung entspricht.
Von Walter Ryser