• Die «Sicherheit» der markierten Querungen trügt. Fussgänger stehen an einer sicheren, überblickbaren Stelle, aber sie haben keinen Vortritt. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

31.10.2019
Huttwil

Neues Verkehrsregime im Städtli – aber wer hat welches Recht?

Anfang Oktober wurde die erste Etappe Ortsdurchfahrt, vom Bahnhof bis zum Postzentrum, fertiggestellt. In der Tempo-30-Zone gibt es keine Fussgängerstreifen mehr, dafür an übersichlichen Stellen Querungshilfen für Fussgänger. Doch die Unsicherheit ist gross. Bürgerinnen und Bürger, sowohl ältere als auch Familien mit Kindern, haben Angst, die Strasse zu queren. Denn eigentlich hat der motorisierte Verkehr Vortritt, auch auf den Querungshilfen, die, zumindest im Moment, für Autos und Lastwagen noch schlecht ersichtlich sind.

Im Bereich der Tempo-30-Zone, konkret vom Bahnhof bis zur Marktgasse, gilt im Städtli Huttwil ein neues Verkehrsregime. Zumindest in der momentanen Anfangsphase bedeutet dies für alle Beteiligten eine Herausforderung, sowohl für das Fussvolk als für den Zweirad-, Auto- und Schwerverkehr. Trotz Tempo 30 ist die Unsicherheit generell grösser als zuvor, als noch Tempo 50 erlaubt war und Fussgängerstreifen die Strassenquerung für das Fussvolk regelten. Ständig wird die Gemeindebehörde deshalb darauf angesprochen. Bürgerinnen und Bürger äussern ihr Bedenken, befürchten Unfälle. Die Automobilisten ihrerseits halten nicht an und provozieren so die Fussgänger dazu, die Strasse auf volles Risiko hin zu queren. Denn die Rede ist nicht von Quartier- oder Zielverkehr, sondern von einer extrem stark befahrenen Durchgangsstrasse mit einem hohen Schwerverkehrsanteil. Rund 10 000 Fahrzeuge fahren an Arbeitstagen durch das Städtli.

Fussgängerstreifen nur bei Heimen und Schulhäusern
Die Situation ist komplex. Gemäss den geltenden Bundesvorschriften sind Fussgängerstreifen in Tempo-30-Zonen unzulässig. In der Verordnung werden als mögliche Ausnahmestandorte nur Schulen und Heime genannt. Denn die Annahme, dass Fussgängerstreifen den Personen beim Queren der Fahrbahnen Schutz bieten würden, sei, wie sich in vielen kritischen Situationen gezeigt habe, falsch. Fussgängerstreifen dienen einzig zur Markierung der Vortrittsrechte. Im Umkreis von 50 m zu einem Fussgängerstreifen ist die Strasse deshalb über diesen zu queren. Ausserhalb der Fussgängerstreifen an den Ausnahmestandorten liegt in der Tempo-30-Zone das Vortrittsrecht beim Fahrverkehr. Das Queren der Strasse für Fussgänger ist jedoch flächig möglich, das heisst, Fussgänger dürfen die freie Strasse überall queren. Explizit aber nur dann, wenn die Fahrbahn wirklich frei ist und durch die Querung kein Fahrverkehr aufgehalten wird. Mit Übergangshilfen sind übersichtliche Standorte zur Querung markiert, so etwa bei der Blatter Papeterie. Provisorisch sind dies farbige Balken und aufgemalte Füsse auf dem Trottoir. Zu einem späteren Zeitpunkt sind bei den Querungen Poller vorgesehen. Allerdings: «Diese dienen ausschliesslich dazu, dass Passanten an einer sicheren Stelle warten und den Überblick gewinnen können.
Das soll vermeiden helfen, dass sie an einer unübersichtlichen Stelle, etwa bei Einfahrten, die Strasse queren und sich in Gefahr bringen. Sie haben aber auch bei diesen Querungen keinen Vortritt», so der zuständige Gemeinderat Ale-xander Grädel gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Das Problem der Strassenquerung wird auch in der Schule von Huttwil thematisiert. Kinder, aber auch Erwachsene sollen auf die veränderte Situation hingewiesen werden. Die Kantons- wie auch die Gemeindebehörde rechnen mit einer Normalisierung der Situation.
Mögliche Probleme in der Tempo-30-Zone sollen nach Abschluss der Bauarbeiten Ende 2020 überprüft werden. Allfällige zusätzliche Massnahmen könnten dann diskutiert und umgesetzt werden.

Rücksichtnahme fördern
Eine sinnvoll angelegte Tempo-30-Zone hat zum Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, der Verkehrsberuhigung zu dienen und die gegenseitige Rücksichtnahme aller Verkehrsteilnehmenden zu fördern. Kommt es dennoch zu einem Unfall, verläuft dieser laut bfu (Beratungsstelle für Unfallverhütung) erwiesenermassen deutlich weniger schwer als in Tempo-50-Zonen. Mit dem tiefen Geschwindigkeitsniveau und dem flächigen Queren sollen zudem Lärmimmissionen gemindert werden, da der fliessende Verkehr nicht dauernd angehalten wird und die Fahrzeuge deshalb nicht ständig wieder anfahren müssen.
«Das neue Verkehrsregime bedeutet für die Einwohner- und Einwohnerinnen und Besucher von Huttwil eine Herausforderung, welcher wir uns stellen dürfen. Schlussendlich soll dadurch Huttwil attraktiver, durch Senkung der Lärmimmissionen ruhiger und mit gegenseitiger Rücksichtnahme auch im Strassenverkehr sicherer werden», sagt dazu Alexander Grädel.

Von Liselotte Jost-Zürcher