Nic Ruckstuhls Permakultur-Lehrstunde
Der engagierte Permakultur-Gärtner Nic Ruckstuhl faszinierte das Publikum in der Regionalbibliothek Langenthal mit seinem Vortrag über eine ökologische, schonende und nachhaltige Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel – weder zum Spritzen, noch zum Düngen.
Dass das Thema Permakultur interessiert, zeigte der sofort ausgebuchte Anlass. Verena Menz, Mitglied der Regionalbibliothek Langenthal, konnte 41 Personen begrüssen – wegen Corona alle mit Maske. Die Umfrage zu Beginn ergab, dass alle Anwesenden einen eigenen Garten oder zumindest Zugang zu einem solchen haben.
Die Bibliothek biete eine Vielzahl an Gartenbüchern und beschaffe auch immer wieder neue, machte Verena Menz Werbung in eigener Sache. Hinzu komme, dass hier seit diesem Jahr eine Saatgutbibliothek bestehe, welche unentgeltlich sei und auf der Basis des freien Tausches funktioniere. Das Saatgut dürfe ausschliesslich aus biologischer Kultur stammen. Die Sämereien wie Gemüse, Kräuter und Blumen würden in einer Samentüte deponiert, die mit dem Namen der Sorte und dem Datum der Ernte beschriftet werde. Das Ziel: Diverse Sorten ausprobieren, die nicht im Handel erhältlich sind sowie die Biodiversität im städtischen Lebensraum entdecken und fördern.
Wagnis mit einem eigenen Projekt
Dass so viele Interessierte erschienen sind, mache ihn «fast ein wenig nervös», sagte Nic Ruckstuhl. Ausbilden liess sich der in Langenthal aufgewachsene als Zier- und Topfpflanzengärtner an der kantonalen Gartenbauschule Oeschberg bei Koppigen. «Der Ressourcen-Verschleiss war aber so gross, dass ich nicht mehr dahinterstehen konnte», sagte der 24-Jährige, der bereits in seiner Kindheit am liebsten in der Natur war und als Zehnjähriger, als er seine erste fleischfressende Pflanze bekam, wusste, dass er eines Tages Gärtner werden wolle. Nach seiner Lehre arbeitete er in einer Staudengärtnerei. Dann habe er sich auf der 1100 Meter über Meer gelegenen Schweibenalp oberhalb des Brienzersees in Sachen alpiner Permakultur viel Wissen angeeignet und dabei gesehen, wie vielschichtig und verwoben das System aus Kräuter-, Stauden-, Gemüse-, Saatgut- und Pilzgärten ist.
Das Permakultur-Konzept sei im Jahr 1978 von den beiden Australiern David Holmgren und Bill Mollison öffentlich gemacht worden. Dieses Konzept habe ihm imponiert, weil hier ethische und konzeptionelle Prinzipien der Permakultur im Mittelpunkt seien. «Ich wage es mit einem eigenen Projekt», habe er entschieden – und entsprechend gehandelt.
Weil sein Vortrag in der Bibliothek den Titel «Permakultur – was ist das?» trage, sei er gefordert, dies zu erklären. «Ich kann das in einem Satz oder in drei Stunden tun», sagte er – und entschloss sich für den Mittelweg – 90 Minuten. Permakultur enthalte die Worte permanent (durchgehend) sowie Agrikultur (Landwirtschaft) – und werde den individuellen Bedürfnissen angepasst. Es gelte, den Ressourcen-Verschleiss zu bekämpfen, regionaler zu werden und dabei grosse Anlieferwege der Produkte zu vermeiden. Auch solle beispielsweise ein Rasenmäher allen Bewohnern einer Strasse zur Verfügung stehen. Es sei nicht nötig, dass sich alle einen eigenen Rasenmäher anschaffen. Nic Ruckstuhl: «Die Permakultur-Bewegung ist eine Riesen-Vision. Sie ist aber machbar und verteilt sich bereits auf die ganze Welt. In der Schweiz ist sie noch recht dezent, in anderen Ländern aber lebensnotwendig. Wichtig ist der achtsame Umgang mit der Erde.»
Das Projekt «Midgard» in Roggwil
«Vom Frühling bis zum Herbst ist immer etwas am Blühen», sagte Nic Ruckstuhl und stellte sein Permakultur-Projekt «Midgard» in Roggwil vor, wo er im März 2019 die ersten Pflanzen gesetzt habe: «In unserem 2800 Quadratmeter grossen produktiven Schau- und Lehrgarten an der Kreuzung Bosslochweg 25 zum Ahornweg in Roggwil gedeihen allerlei Heil- und Gewürzkräuter, Wildstauden, ein- und mehrjähriges Gemüse, Obst- und Beerensträucher sowie Blumen. Im Zentrum steht hier der Mensch und seine Verwurzelung in der Natur.» Das Ganze diene zwar primär der Selbstversorgung, doch könne vor Ort jedermann direkt im Garten frische Produkte kaufen oder telefonisch bestellen. Ziel sei, mehr als nur Äpfel, Birnen und Salat anzubieten: «Bei uns gibt es viele essbare Nutzpflanzen», so Nic Ruckstuhl. Er wolle sein Wissen Interessierten vermitteln – mit Kräuterwanderungen, Führungen und Kursen.
Am Permakultur-Vortrag war auch die Schneckenplage ein Thema. Bei Igeln, Blindschleichen, Käfern, Fröschen, Glühwürmchen und Laufenten würden Schnecken oben auf der Menükarte stehen. Statt sie zu töten, könne man sie im Wald aussetzen – «oder im Garten des Nachbarn, wenn man ihn nicht mag», witzelte Ruckstuhl. Auf Bildern zeigte er auch den in sechs Sektoren eingeteilte, terrassenförmig an einem Hügel angelegte Schau- und Lehrgarten in Roggwil. Priorität geniesse die Nachhaltigkeit und ein funktionierendes Ökosystem – verbunden mit dem Verzicht auf eine aggressive Bodenbearbeitung. «Permakultur ist auch immer ein Ausprobieren», sagte der Referent.
Zum Abschluss des Abends hatte das Publikum die Möglichkeit, Nic Ruckstuhl Fragen zu stellen. Ob er von seinem Permakultur-Projekt leben könne, wollte jemand wissen. «Noch nicht. Ich arbeite daneben anderswo noch 40 Prozent», so die Antwort. «Bei diesem Projekt sind neben mir noch zwei Mitbewohner beteiligt. Insgesamt bis zu 20 Leute kommen und gehen hier – auch meine Eltern», so Nic Ruckstuhls Antwort auf die nächste Frage. Was sagen die direkten Nachbarn zu diesem Projekt? Nic Ruckstuhl: «Inzwischen haben sie Freude daran. Zuerst hatten sie befürchtet, hier entstehe ein Mais-Labyrinth. Deshalb bin ich schräg angeguckt worden. Nach inzwischen eineinhalb Jahren sehen sie das jetzt anders.»
Gut zu wissen
Nic Ruckstuhl von der Permakultur-Regiogruppe Oberaargau (in der Schweiz gibt es elf Regiogruppen) ist erreichbar unter 079 283 36 25 und nic.ru9(at)gmail.com
Von Hans Mathys