• Schwierige Zeiten für die Gastro-Branche: Sandra Guyaz, Betriebsleiterin des Restaurant Bären in Langenthal, ist aufgrund des Personalmangels gezwungen, ihren Betrieb den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. · Bild: Walter Ryser

22.04.2022
Langenthal

Nicht die Gäste fehlen, sondern das Personal

Die Gastro-Branche leidet: Auf den Corona-Schock folgt die Personal-Krise. Tausende von Köchen und Servicefachleuten haben oder verlassen ihr angestammtes Berufsfeld. Das bringt viele Restaurants und Hotels in Bedrängnis. Auch den «Bären» in Langenthal, der wegen des dramatischen Personalmangels ab 1. Mai seine Öffnungszeiten reduzieren muss.

Langenthal · Die Situation sei dramatisch, klagt der Branchenverband Gastro-Suisse. Den Hotels und Restaurants laufen die Mitarbeitenden davon. Viele haben sich während der Corona-Krise beruflich anderweitig orientiert, andere liebäugeln mit einem Wechsel, weil die Belastung für das verbliebene Küchen- und Servicepersonal unerträglich geworden ist. Dazu kommt, dass viele Betriebe, vorab in touristischen Regionen, Personal mit horrenden Löhnen und sonstigen Annehmlichkeiten ködern. Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind Gastro-Betriebe in ländlichen Gebieten oder Kleinstädten.

«Bären» neu auch am Montag zu
Dazu zählt auch das Restaurant Bären in Langenthal. Denn ab 1. Mai wird der «Bären» neu auch am Montag geschlossen sein, nachdem die Öffnungszeiten bereits während der Corona-Pandemie angepasst wurden. So öffnet das Restaurant unter der Woche am Morgen nicht mehr um 7.00 Uhr, wie es jahrzehntelang üblich war, sondern erst um 9.00 Uhr und am Sonntag bleibt der «Bären» geschlossen. Diese Öffnungszeiten haben auch nach der Corona-Pandemie bestand. Dazu kommt nun, dass das Restaurant neu auch den ganzen Montag geschlossen bleibt. «Bären»-Betriebsleiterin Sandra Guyaz ist dieser Entscheid nicht leichtgefallen, sie tut sich schwer damit, das spürt man im Gespräch mit ihr. «In Langenthal ist man sich einfach gewohnt, dass der «Bären» fast rund um die Uhr geöffnet ist, das ist in vielen Köpfen fest verankert, auch bei mir», gibt sie zu verstehen. Sie sei sich bewusst, dass der «Bären» in Langenthal im «Schaufenster» stehe und es sich dabei um eine hochemotionale Geschichte handle.
Doch aufgrund der angespannten Personalsituation in der Branche habe man gar keine andere Wahl gehabt. Auch der «Bären» habe Mitarbeitende verloren, aus gesundheitlichen Gründen, aber auch solche, die einen Wechsel in eine andere Berufsbranche vorzogen.

Kein Interesse an Gastro-Ausbildung
«In den letzten zwei Monaten hat sich die Situation dermassen zugespitzt, dass wir mit dem verbliebenen Personal nicht mehr in der Lage sind, den Betrieb aufrecht zu erhalten», sagt Sandra Guyaz. Innert wenigen Wochen habe man in der Küche gleich drei Abgänge zu verzeichnen gehabt. Diese lassen sich laut der «Bären»-Betriebsleiterin aktuell kaum ersetzen. Bewerbungen auf freie Stellen treffen praktisch keine mehr ein «und wenn dennoch eine interessante Bewerbung auf dem Tisch liegt, weiss ich, dass diese Person aufgrund der aktuellen Lage ihren neuen Arbeitgeber aussuchen kann», betont die 44-jährige Gastro-Fachfrau, die unmissverständlich zu verstehen gibt, dass man mit vielen Angeboten nicht mithalten könne. «Kommt dazu», sagt Sandra Guyaz, «dass der Lehrberuf Gastronomie mittlerweile praktisch ‹tot› ist. Es gibt kaum noch Schulabgänger, die sich für eine Ausbildung als Koch oder Restaurantfachangestellter interessieren». Viele Betriebe versuchten in dieser Lage einfach, sich mit dem verbliebenen Personal irgendwie über Wasser zu halten. Das sei aber nicht nachhaltig und zudem trage man als Arbeitgeber auch eine Verantwortung gegenüber den Angestellten. «Wir können unsere Mitarbeitenden nicht mit zusätzlichen Arbeitsstunden belasten, wie das momentan viele Betriebe machen», weist Sandra Guyaz noch einmal auf die prekäre Lage in vielen Gastro-Betrieben hin. Das führe früher oder später dazu, dass man auch noch diese Mitarbeitenden verlieren werde.
Corona habe etwas gemacht mit der Gastro-Branche, sagt die Langenthalerin, die glaubt, dass die traditionelle «Beiz», die von morgens bis abends durchgehend geöffnet habe, kaum noch rentabel betrieben werden könne. «Viele Betriebe werden sich entscheiden müssen, wie sie sich positionieren wollen, als reiner Café-Betrieb oder weiterhin als à-la-Carte-Haus. Entsprechend wird man die Öffnungszeiten und die Angebote anpassen müssen», vermutet Sandra Guyaz.

Mental belastende Situation
Die Situation bleibe nämlich auch nach den reduzierten Öffnungszeiten angespannt. Sandra Guyaz sagt, dass die aktuelle Lage sie mental fast stärker fordere als die Corona-Krise, «denn die Personalknappheit beschäftigt mich täglich, weil ich immer die Befürchtung mit mir herumtrage, es könnte wieder eine Kündigung eintreffen.» Dann könnte es laut der «Bären»-Betriebsleiterin selbst bei reduzierten Öffnungszeiten richtig eng werden. Dabei habe nach der Aufhebung der Corona-Massnahmen ein wirtschaftlicher Aufschwung stattgefunden. «Die Gäste sind zurückgekommen, wir verzeichnen eine gute Auslastung und erfreuliche Buchungszahlen», erwähnt Sandra Guyaz. Die Reduzierung der Öffnungszeiten komme zweifellos zu einem ungünstigen Zeitpunkt, weiss sie, gleichzeitig sieht die «Bären»-Betriebsleiterin darin aber auch eine Chance: «Vermutlich hat man in der Vergangenheit oft ein Auge zugedrückt und nicht hinterfragt, ob alle Angebote und Dienstleistungen auch rentabel sind. Doch unsere Hauptaufgabe liegt darin, das Restaurant betriebswirtschaftlich rentabel zu führen.» Der Fokus richte sich dabei hauptsächlich auf ein überdurchschnittliches à-la-carte-Angebot sowie der Saalbewirtschaftung. Der Hotelbetrieb ist seit Januar eingestellt, die Räumlichkeiten in den Obergeschossen werden anderen Nutzungen zugeführt (Vermietung an Firmen oder Langzeitgästen). Mit den getroffenen Massnahmen sei man zuversichtlich, den «Bären» wieder vollumfänglich auf Erfolgskurs zu bringen, betont Sandra Guyaz, die überzeugt ist: «Wir verfügen über ein erstklassiges Angebot und sehr gute Dienstleistungen.»

Von Walter Ryser