• Hohes Verkehrsaufkommen in der Stadt, aber noch kein Klimanotstand in Langenthal, wie dies 32 Jugendliche mit der Einreichung eines entsprechenden Jugendpostulats 2019 gefordert hatten. Dafür unterzeichnete die Stadt die vom Klima-Bündnis Schweiz erarbeitete Klima- und Energie-Charta. · Bild: Walter Ryser

08.07.2021
Langenthal

Noch kein Notstand, aber Handlungsbedarf

Der Gemeinderat von Langenthal sieht keinen Bedarf, den Klimanotstand für die Stadt auszurufen, wie dies Jugendliche in einem Jugendpostulat gefordert haben, aber er sieht beim fortschreitenden Klimawandel Handlungsbedarf, weshalb er die vom Klima-Bündnis Schweiz erarbeitete Klima- und Energie-Charta unterzeichnet hat.

Die Meinung ist auch im Langenthaler Gemeinde- und Stadtrat ohne Widerspruch: Der von den Menschen verursachte Klimawandel und dessen Konsequenzen stellen die wohl grösste Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Wie diese Herausforderung zu meistern ist, daran scheiden sich jedoch die Geister. 32 in Langenthal wohnhafte Jugendliche reichten deshalb im Herbst 2019 das Jugendpostulat «Klimanotstand in Langenthal» ein.
Sie forderten den Gemeinderat explizit auf, in Langenthal den Klimanotstand auszurufen. Dabei wiesen sie auf die drastischen Auswirkungen des Klimawandels hin und forderten den Gemeinderat auf, dass Langenthal als gutes Beispiel vorangehen und mit der Ausrufung des Klimanotstandes einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten soll. Gefordert wird im Postulat unter anderem, dass sich die Gemeinde Langenthal zum Ziel setzt, bis 2040 netto null Emissionen auszustossen. Am 16. Dezember 2019 erklärte der Langenthaler Stadtrat das Jugendpostulat als erheblich.

Etliche Massnahmen umgesetzt
In seiner Stellungnahme erläutert der Gemeinderat, dass er die engagierten Jugendlichen von Langenthal unterstütze und sich darüber freue, dass ein Jugendpostulat für ein solch wichtiges Thema zustande gekommen sei und vom Stadtrat für erheblich erklärt wurde. Er weist aber auch darauf hin, dass in den vergangenen Jahren bereits etliche Massnahmen zum Schutz des Klimas umgesetzt worden seien. Er verweist diesbezüglich auf die Anschaffung von Elektrofahrzeugen und erwähnt, dass im Dezember 2020 das erste Elektrofahrzeug für den Werkhof in Betrieb genommen wurde. Bis zum Jahr 2035 sollen mindestens 65 Prozent der Fahrzeuge im Besitz der Stadt Langenthal nicht mehr mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden.
Bei der Bepflanzung und Gestaltung der städtischen Grünflächen werde vermehrt auf einheimische und diverse Pflanzenmischungen gesetzt und diese würden auch entsprechend bewirtschaftet. Für die fünf stadteigenen Gebäude mit dem höchsten Energieverbrauch wurde im Januar 2020 mit der IB Langenthal AG eine neue Beschaffungspartnerschaft Strom abgeschlossen. Diese regelt langfristig die Beschaffung von 100 Prozent erneuerbaren Stromes für diese Gebäude. Mit der Einführung des Gebäudestandards von Energie Schweiz per 7. Oktober 2020 wurden zudem die energetischen Anforderungen an die stadteigenen Gebäude deutlich verschärft.

Freudiger sieht (noch) keinen Notstand
Weil aber die rechtliche Situation bezüglich der Ausrufung des Klimanotstandes nicht klar sei, werde der Gemeinderat den Klimanotstand nicht ausrufen, hält er in seiner Stellungnahme abschliessend fest. Damit war die linke Ratshälfte im Stadtrat nicht einverstanden. Mit dem Verzicht auf die Ausrufung des Klimanotstandes werde ein wichtiges Anliegen nur mangelhaft umgesetzt, monierte die grüne Stadträtin Fanny Zürn. «Die Ausrufung des Klimanotstandes wäre ein wichtiges Signal gewesen, um zu zeigen, dass wir dringend handeln müssen», bemerkte sie, mit dem Hinweis, dass die heutige Gesellschaft eine historische Verantwortung habe. Zürn unterstrich ihre Aussage mit dem Vermerk, dass im letzten Jahr in der Schweiz nicht einmal das Jahresziel beim Co2-Ausstoss erreicht worden sei.
SVP-Stadtrat Patrick Freudiger stützte die Haltung des Gemeinderates und forderte den Stadtrat auf, sich einmal klar vor Augen zu führen, was das Wort Notstand im Klartext bedeute. Der Jurist erläuterte, dass damit ein Ausnahmezustand erreicht sei, der in der Regel zur Folge habe, dass die öffentliche Gewalt auf ihre Bindung an Gesetz und Recht insoweit verzichten kann, wie sie es zur Bekämpfung des Notstandes für erforderlich hält. Aber auch daneben sieht Freudiger keinen Grund auf die Forderung einzugehen. «Mit der Schaffung von weiteren Tempo-30-Zonen tragen wir nichts zur Klimaverbesserung bei und ein sofortiger Verzicht auf die Kernenergie ist politisch nicht mehrheitsfähig.» So sah es auch ein Grossteil der Ratsmitglieder, die dem gemeinderätlichen Prüfbericht mit 27 Ja-Stimmen, ohne Gegenstimme, bei zehn Enthaltungen, zustimmten.

Stadt unterzeichnet Klima- und Energie-Charta
Weil er das Anliegend des Jugendpostulats ernst nimmt, setzte der Gemeinderat am Ende doch noch ein klares Zeichen: So unterzeichnete er die vom Klima-Bündnis Schweiz erarbeitete Klima- und Energie-Charta. Diese wurde bis zum 19. Januar 2021 von 31 Gemeinden mit insgesamt 1,74 Millionen Einwohnern unterzeichnet. Darunter befinden sich auch die meist grösseren Städte des Kantons Bern wie Bern, Biel, Thun, Köniz und Burgdorf. Damit Langenthal ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten könne, setze es sich zum Ziel, bis ins Jahr 2050 den Energiebedarf deutlich zu senken und nur noch erneuerbare Energie ohne Treibhausgase zu nutzen, also bis 2050 netto null Treibhausgase auszustossen, teilte der Gemeinderat mit.
Zum Erreichen dieser klimapolitischen Ziele verpflichtet sich die Stadt, nach den zwölf Handlungsleitsätzen der Charta zu handeln, insbesondere sollen die verfügbaren, erneuerbaren energetischen Ressourcen nachhaltig, effizient und suffizient, also mit einem angemessenen Mass an Genügsamkeit, in Anspruch genommen werden und auf allen geeigneten Gebäuden erneuerbare Energie produziert werden. Dadurch soll einerseits der Energieverbrauch reduziert und andererseits mehr erneuerbare Energie produziert werden.

Von Walter Ryser