• Die Langenthalerin Nicole Egger freut sich in Genf über ihren nicht erwarteten Schweizermeistertitel im Crosslauf. · Bild: Mitchell Media

07.03.2018
Sport

«Nun bin ich vom ‹Seckle› total begeistert»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Nicole Egger, Cross-Schweizermeisterin aus Langenthal – Die am Samstag 33 Jahre alt werdende Langenthalerin Nicole Egger holte sich in Genf zu Ihrer eigenen Überraschung den SM-Titel im Crosslauf bei der Elite. Egger ist eine Laufsport-Spätzünderin. Sie läuft erst seit 2014 ambitioniert.

 

Laufsport · Elite-Schweizermeisterin im Crosslauf. Ist es der bisher grösste Erfolg Ihrer Laufsportkarriere?
Ja, ich glaube schon. Wobei ich an der SM-Bronzemedaille vom letzten Sommer in Zürich auch grosse Freude habe.

Sie haben mit der elf Jahre jüngeren Ufhuserin Flavia Stutz eines der grössten Laufsport-Talente hinter sich gelassen. Stolz?
Auf jeden Fall. Vor allem, weil ich nicht einmal mit einer Medaille rechnete.

Drei Sekunden liefen sie nach acht Kilometern vor der Favoritin Stutz über die Ziellinie. Wo haben Sie das Rennen Ihrer Meinung nach entschieden?
Ganz klar kurz vor der letzten Runde. Ich habe das Tempo noch einmal verschärft und bemerkt, dass mir Flavia nicht mehr folgen kann. Da wurde mir bewusst, dass ich dieses Rennen gewinnen kann.

Nur drei Sekunden Vorsprung waren es am Ende, weil es noch zu einen Schreckmoment kam: Sie hielten zu früh an.
Es war verwirrlich. Ich habe einen Zeitmess-Teppich mit der Ziellinie verwechselt. So hielt ich einige Meter zu früh an, dachte, das Rennen sei vorbei. Gerade noch rechtzeitig habe ich meinen Lapsus bemerkt und die letzten Meter noch absolviert.

Wie war die Unterlage auf dem 1-km-Rundkurs zu belaufen?
Auch dies ist ein Grund, dass ich über SM-Gold so glücklich bin, denn eigentlich mag ich matschigen und schwer zu belaufenden Untergrund wie in Genf überhaupt nicht. Extrem schlimm war es aber nicht. Ich denke, dass die Organisatoren im Vorfeld den Rundkurs sogar von der gröbsten Schneeschicht befreit haben.

Sie sind eine Laufsport-Spätzünderin…
Ich bestreite den Laufsport tatsächlich erst seit Juni 2014 gezielt. Bereits in der Schule war ich im Laufen daheim. Über 1000 m war ich immer das schnellste Mädchen in der Klasse. Meine Mutter riet mir mehrmals, mit dem Laufsport zu beginnen. Aber irgendwie wollte ich nicht. Später ging ich ab und zu Joggen, bestritt auch einige wenige Wettkämpfe. Aber völlig ambitionslos. Erst mit fast 30 Jahren hat es mich gepackt. Dafür so richtig. Innert weniger Monaten senkte ich meine Bestzeit über 10 Kilometer um fünf Minuten. Das motivierte mich ungemein. Nun bin ich total begeistert vom «Seckle». Die ständigen Fortschritte beflügeln mit geradezu.

Kann es sein, dass Sie mit 33 Jahren immer noch mit den Jungen mithalten können, weil Sie durch das späte Beginnen mit dem Laufsport noch frisch sind?
Auf jeden Fall. Ich bin wirklich noch parat, glaube, noch lange nicht an meine Grenzen zu stossen. Ich erhole mich auch ausgesprochen schnell von Wettkampfeinsätzen. Die Langdistanz-Einsätze dürften in den nächsten Jahren keine Probleme bereiten. Wo ich dann vielleicht altersmässig irgendwann Abstriche machen muss, sind die Schnellkraft und viel Energie verlangenden 1000-m-Einsätze auf der Bahn.

Sie müssen noch frisch sein. Nur einen Tag nach der SM in Genf liefen Sie am 10 km-Strassenlauf in Payerne in 35:42 Minuten neue persönliche Bestzeit.
Und, es mag etwas komisch tönen, ich bin damit überhaupt nicht zufrieden. Ich kränkelte, hätte das Rennen eigentlich vorzeitig beenden sollen. Bei Vollbestand meiner Kräfte wäre eine bessere Zeit möglich gewesen.                

Sie starten für die LV Langenthal. Wie stark fühlen Sie sich diesem Verein verbunden?
Schon, ich fühle mich wohl bei den LVL-Runners, obwohl ich meine Trainings vorwiegend alleine absolviere.

Sie starten aber öfters in Violett – und nicht im LVL-Dress…    
Stimmt. Und zwar, weil die LV Langenthal für die Läufe ausserhalb der Bahn noch keine passenden Dress hat. Ich hoffe, dass sich dies bald ändert.

Auf welcher Unterlage laufen Sie eigentlich am liebsten?
Ich mag es besonders, auf der Bahn zu laufen. Dort finde ich meinen Laufstil am ästhetischten.

Sie sind auch eine gute Radfahrerin. Liebäugeln Sie mit einem Wechsel zum Triathlon?
Ich finde mich auf dem Rad höchstens durchschnittlich. Weil der Aufwand im Radfahren und insbesondere auch im Schwimmen immens ist, wenn man es nach vorne schaffen will, bestreite ich den Triathlonsport nur ab und zu zum Plausch.            

Wieviel Zeit müssen Sie ins Training investieren, um derartige Laufleistungen zu erbringen?
Ich absolviere 50 bis 60 Kilometer die Woche, trainiere täglich bis auf den Ruhetag am Freitag. Ich trainiere nach Lust und Laune, verfüge über keinen Plan. Meine Trainings bestehen nebst dem Laufen vor allem aus Krafttrainings.

Viel Freizeit bleibt neben dem Laufsport nicht mehr…
Nein. Ich habe keine anderen Hobbys.

Für einen Partner reicht die Zeit auch nicht aus?
Ach, die würde ich mir nehmen. Aber zuerst muss der richtige Mann kommen.

Und wie vereinbart sich das Laufsport-Engagement mit Ihrem Beruf?
Seit Oktober bin ich an der Schule Gondiswil als stellvertretende Heilpädagogin im Einsatz. Aussserdem bin ich an ersten Vorbereitungen für meine Masterarbeit des Psychologie-Studiums. Ich passe meine Trainingseinheiten meinen Arbeitszeiten an. Derzeit bringe ich beides gut unter einen Hut.

Was haben Sie sich für nächste Ziele gesetzt?
Ich möchte an den Schweizermeisterschaften über 10 000 m eine Medaille gewinnen. Ebenfalls möchte ich auch über andere Distanzen an den SM-Start gehen. Nach meinem SM-Titel im Cross liebäugle ich mit der Cross-EM im Dezember in Holland.

Auszug aus der Rangliste: U16 Mädchen (49 Klassierte): 1. Valentina Rosamilia, Hunzenschwil, 11:51; 12. Elena Eichenberger, Langenthal, 12:39. – Langcross U23 Frauen (2): 1. Flavia Stutz, 31:25; 2. Celine Aebi, Wynigen, 32:45. – Langcross Frauen (16): 1. Nicole Egger, LV Langenthal, 31:22; 2. Christine Müller, Aeschi bei Spiez, 31:31; 3. Andrea Meier, Uster, 31:52. – Langcross Männer (26): 1. Jonas Räss, Langnau am Albis, 32:48; 2. Adrian Lehmann, LV Langenthal, 32:50. – Langcross U23 Männer (12): 1. Jannis Schonleber, Wallisellen, 34:35; 6. Simon Schüpbach, LR Gettnau, 36:40. – U14 Mädchen (24): 1. Shirin Kerber, Kehrsiten, 8:02; 15. Chiara Costa, LV Langenthal, 9:05. – Seniorinnen W55 (1): 1. Margrit Gfeller, Sumiswald, 21:15. – Senioren M55 (5): 1. Paul Gfeller, Sumiswald, 24:04; 2. Antonio Campos, Genf, 24:31; 3. Jose Sardinha, Loisin, 24:33. – Juniorinnen U20 (23): 1. Sibylle Haring, Arisdorf, 14:56; 10. Lena Haas, LV Langenthal, 16:58. – Junioren U20 (31): 1. Martin Masserey, Haute-Nendaz, 20:34; 8. Yves Cornillie, LR Gettnau, 21:35; 27. Jamal Nazari, LV Langenthal, 23:39.