• Der Gemeinderat von Eriswil hat beschlossen, dass die Schule nicht an den Massentests teilnimmt. Dies obwohl die Schulleitung sich dafür aussprach. · Archivbilder: Thomas Peter

  • Auch an der Schule in Lützelflüh werden keine Massentests durchgeführt. Die Gemeinde möchte stattdessen die Eltern dazu motivieren, jeweils am Sonntagabend ihre Kinder zu Hause zu testen mit einem kostenlosen Selbsttest, der in der Apotheke bezogen werden kann.

29.04.2021
Emmental

Nur Eriswil und Lützelflüh entscheiden sich gegen Massentests an Schulen

Auch im Einzugsgebiet des «Unter-Emmentalers» beginnen nächste Woche die Corona-Massentests an den Volksschulen. Fast alle Gemeinden haben sich für die Massentests ausgesprochen. In der Region entschieden sich lediglich die beiden Gemeinden Eriswil und Lützelflüh dagegen. Die Teilnahme an den Tests ist freiwillig und muss von den Eltern bewilligt werden.

Schule · Sie sollen mithelfen, Ansteckungsketten frühzeitig zu unterbrechen und die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Die Rede ist von freiwilligen Massentests an den Berner Volksschulen. Nach dem erfolgreichen
Pilotversuch, der im Kanton Bern anfangs April an 24 Schulklassen von der 1. Klasse bis zur Sekundarstufe 2 durchgeführt wurde, soll nun an allen Berner Schulen unabhängig von Corona-Ausbrüchen breit getestet werden. Eine überwiegende Mehrheit der Berner Volksschulen wird an den COVID-19-Testreihen teilnehmen. Rund 90 Prozent aller Berner Gemeinden haben sich dafür ausgesprochen, darunter auch alle grossen Gemeinden. Die Teilnahme an den Tests sind für die Gemeinden als auch für die einzelnen Schülerinnen und Schüler freiwillig. Im Oberaargau ist der Start am 5. Mai vorgesehen.
Dass sich dabei nicht alle testen lassen wollen, ist auch Yves Brechbühler, Mediensprecher der Berner Bildungs- und Kulturdirektion, bewusst. «Es gilt: Jeder, der mitmacht, ist wichtig. Beim Pilotversuch war die Rücklaufquote zwischen 70 und 90 Prozent», verdeutlicht Brechbühler.

Freiwillige Speichelprobe
Getestet wird wöchentlich über eine Speichelprobe, die unkompliziert in der Klasse während den Unterrichtszeiten gewonnen werden kann. Dabei macht die Schülerin oder der Schüler eine Mundspülung mit einer Kochsalzlösung und spuckt diese über einen Trichter in ein Röhrchen. Die Proben von mindestens vier und maximal zehn Personen werden in einem sogenannten «Pool» zusammengefasst. Der Test bleibt anonym und es sind keine Rückschlüsse auf einzelne Kinder möglich.
Einziger Wermutstropfen: Eine Stunde vor dem Testen darf weder gegessen noch getrunken werden, auch Kaugummi und Zähneputzen sind nicht erlaubt. Fällt eine Poolprobe positiv aus, muss diese Poolgruppe in Quarantäne und es wird kurzzeitig auf Fernunterricht umgestellt. Die Schülerinnen und Schüler der positiven Poolgruppe müssen sich anschliessend, wenn möglich noch am selben Tag, wiederum einem Speicheltest unterziehen, welcher dieses Mal nicht mehr anonym stattfindet. Diejenigen Kinder, welche danach negativ getestet werden, können wieder am Präsenzunterricht teilnehmen.
Schülerinnen und Schüler, die sich nicht am Pooltest beteiligt haben und auch den Einzeltest nicht durchführen wollen, können vom kantonsärztlichen Dienst ebenfalls in Quarantäne versetzt werden.

Fast alle entschieden sich dafür
Im Lesergebiet des «Unter-Emmentalers» haben sich bis auf die Gemeinden Eriswil und Lützelflüh alle für die Massentests ausgesprochen. Meist mit denselben oder ähnlichen Argumentationen.
Dabei haben es sich die zur Entscheidung zuständigen Gemeinderäte nicht leicht gemacht. So auch die Gemeinde Rüegsau. «Wir haben an einer ausserordentlichen Gemeinderatssitzung intensiv darüber diskutiert», erklärt Gemeindepräsident Andreas Hän­gärtner. Die Räte wurden sich einig, dass sie die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus auch politisch unterstützen möchten und stimmten den Massentests zu. «Wesentlich zu diesem Entscheid hat unter anderem die Freiwilligkeit des Testens beigetragen», erläutert Hängärtner weiter. Dass der Schulbetrieb dadurch so normal wie möglich aufrechterhalten werden kann, war ein weiteres Argument für den Rüegsauer Gemeinderat. So oder ähnlich war auch die Begründung weiterer Gemeinden. Für den Huttwiler Gemeinderat beispielsweise war die Grundmotivation, dass man die Corona-Herde im Ansatz erwischen und damit grossflächige Quarantänen vermeiden könne, welche auch zu einer Belastung der Eltern und der Gewerbebetriebe führen könnte, teilte der zuständige Gemeinderat Adrian Lienhart, Ressort Bildung, auf Anfrage des «Unter-Emmentaler» mit. In Wyssachen hat man sich für die Massentests entschieden, weil man es denjenigen Kindern nicht verbieten wollte, welche sich testen lassen möchten. Die Gemeinde Rohrbachgraben sieht die Tests gar als einen solidarischen Akt.

Eriswil und Lützelflüh sagen Nein
Anders entschieden hat sich der Gemeinderat von Eriswil. Er hat sich gegen die Massentest ausgesprochen. «Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht», versichert Gemeindepräsidentin Sonja Straumann. Dazu veranlasst haben den Gemeinderat gleich mehrere Argumente.
Unter anderem habe das bisherige Schutzkonzept in der Schule gut funktioniert. «Wir hatten trotz vieler bekannter Krankheitsfälle keinen grös­seren Ausbruch in den Klassen, auch die Eigenverantwortung der Eltern, Lehrkräfte und Schüler funktioniert sehr gut», weiss Sonja Straumann.
Zudem ist der Gemeinderat der Ansicht, dass die Massentests auch negative Auswirkungen haben und den Eindruck vermitteln könnten, dass die bisherigen Massnahmen nicht zielführend gewesen seien. Auch befürchtet der Rat, dass die Thematik rund um Corona die Gesellschaft spaltet und der jahrzehntelange Kampf um beispielsweise Ausgrenzung und Mobbing damit zunichte gemacht werden könnte.
Ein weiteres Argument sei, so Sonja Straumann, dass die Familien jederzeit Gebrauch von den freiwilligen Tests aus der Apotheke machen könnten. Bestärkt in seiner Entscheidung hat den Gemeinderat auch ein ausführlich verfasster Brief von besorgten Bürgern, welche sich gegen die Massentests an den Schulen aussprachen. «Wir sind überzeugt, dass unsere Argumente auch von der Bevölkerung breit getragen werden», ergänzt die Gemeindepräsidentin. Dennoch schliesst der Gemeinderat Eriswil nicht aus, bei grösseren Corona-Ausbrüchen seine Entscheidung erneut zu überprüfen.
Schulleiterin Barbara Rentsch zeigt sich über den Gemeinderatsentscheid überrascht. «Wir hatten dem Gemeinderat die Empfehlung abgegeben, sich für die Massentests auszusprechen», erklärt sie in einem Telefongespräch mit dem «Unter-Emmentaler». Auch sie hat von besagtem Brief Kenntnis, in welchem sich etliche Parteien gegen die Massentests ausgesprochen haben.
Was für die Schulleiterin jedoch schwer nachvollziehbar ist, dass auch Eltern, welche keine schulpflichtigen Kinder in der Schule Eriswil hätten, in diesem Brief als Partei aufgeführt wurden. «In der momentanen Situation erhält nun leider ein grosser Teil der Eltern nicht die Möglichkeit, sich zur Situation zu äussern», bedauert Barbara Rentsch.
Aus einem anderen Grund entschied sich der Gemeinderat von Lützelflüh gegen die Massentest an den Schulen. Auch Lützelflüh hält sich die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt doch noch an den Test teilzunehmen. «Aufgrund des ganzen Ablaufs sind noch viele Fragen offen, auch vonseiten der Schule», erklärte Gemein­depräsident Kurt Baumann auf Anfrage. Die Gemeinde möchte stattdessen die Eltern dazu motivieren, jeweils am Sonntagabend ihre Kinder mit einem kostenlosen Selbsttest, welcher in der Apotheke bezogen werden kann, zu Hause zu testen.
Wie auch immer sich die Gemeinden zum jetzigen Zeitpunkt entschieden haben, für alle gilt: Die Entscheidungen dürfen auch revidiert werden. «Die Gemeinden haben jederzeit die Möglichkeit, sich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt für oder auch gegen die Massentests auszusprechen», versichert Mediensprecher Yves Brech­bühler.

Von Marion Heiniger