• Ein Grossteil der Flüchtlinge ist im Quartier Gjuch untergebracht. · Archivbild: Thomas Peter

  • Auch das Haus (rechts) beim Alters- und Pflegeheim beherbergt Flüchtende. · Bild:Patrik Baumann

24.03.2022
Oberaargau

Obdach für über 60 Kriegsflüchtlinge

Vier Wochen dauert der Angriffskrieg auf die Ukraine bereits – Millionen von Menschen sind auf der Flucht vor der russischen Armee. Knapp 70 Personen sind in der Nacht auf Mittwoch in Melchnau angekommen und haben im Quartier «Gjuch» und einem Nebengebäude des Alters- und Pflegeheims Schärme Obdach gefunden.

Melchnau · «Vor einer Woche wurde die Gemeinde Melchnau von Verantwortlichen der Guido Fluri Stiftung um Unterstützung angefragt», blickt Regula Heimberg (SP), eine der beiden zuständigen Gemeinderätinnen, zurück. «Bereits am Mittag stand ein erster Gemeinderatsbeschluss und gleichentags konnte die Firma Niederer AG Immobilien und Verwaltungen als Partnerin für die Nutzung der Wohnungen im Gjuch gewonnen werden.» Gleichzeitig lief die Koordination zwischen den Beteiligten an: Zusammen mit der Gemeinderatskollegin Christine Gafafer (EVP), der Koordinatorin Christa Schönenberger vom Verein Choreo (Sorgende Gemeinschaften Oberaargau Ost) sowie der Stiftung Guido Fluri organisierte die Gemeinde die Unterkunft der Frauen und Kinder. Diese befindet sich in 15 Wohnungen an der Chlyrotstrasse sowie im Chalet des Alters- und Pflegeheims Schärme. Am 2019 gegründeten Verein Choreo sind die Pro Senectute, die Fachstelle Interunido und der Verein Tokjo beteiligt.

Engagement von Gewerbe und Privaten
«Die Solidarität scheint grenzenlos», blickt Heimberg auf die vergangene Woche zurück: «Wir werden von Unternehmen, Vereinen und zahlreichen Privaten aus der Gemeinde unterstützt. Die Oberstufe der Schule half beim Einrichten der Wohnungen, Gewerbebetriebe stellten Arbeiter und Material gratis zur Verfügung und die Bevölkerung spendete Möbel, Einrichtungsgegenstände und Kleider.» Doch auch weit über die Gemeinde hinaus zeigt man sich solidarisch: «Ein Möbelhändler lieferte am Dienstag 50 Betten, verschiedene Läden aus der Region spendeten Hygieneprodukte und Lebensmittel, so dass die Kühlschränke am Dienstag überall gefüllt waren.» Daneben sind auch Institutionen wie beispielsweise Interunido Langenthal, welche Dolmetschende stellen, oder die Kinder- und Jugendfachstelle ToKJO, welche für die Jüngeren Material organisierten und Programm erstellen. «Die hier erlebte Solidarität steht sinnbildlich für eine sorgende Gemeinschaft», zeigt sich Christa Schönenberger (Choreo) begeistert. «Was alle zusammen in so kurzer Zeit geleistet haben, ist doch ausserordentlich.» Das bestehende Netzwerk habe geholfen, Türen zu
öffnen.

Deutschunterricht in Langenthal
Dank dem grossen Einsatz des ganzen Dorfs waren am Dienstagabend die Wohnungen einzugsbereit: Freiwillige und die Feuerwehr sortierten die Spenden, teilten sie den Wohnungen zu und richteten diese ein. Um 19 Uhr landeten die Personen, darunter über 30 Kinder, in der Schweiz. «Die Kinder werden in den nächsten Wochen in Langenthal unterrichtet», so Heimberg. «Wir sind überwältigt vom Engagement aus der ganzen Region», bilanzierte sie. Um den Menschen weiterhin das Nötigste zur Verfügung zu stellen, nimmt die Einwohnergemeinde weiterhin Geldspenden und Sachspenden nach vorgängiger Anmeldung entgegen.

Von Patrik Baumann