Olympiaquali wird mit EM-Silbermedaille versüsst
Weltcup und Europameisterschaft in Innsbruck/Igls – Bobpilot Clemens Bracher aus Wasen gewinnt nur eine Woche nach seinem ersten Weltcupsieg mit dem 3. Rang am Weltcuprennen in Igls die EM-Silbermedaille. Beim erneuten Husarenstreich freut sich der 30-Jährige am meisten über die Tatsache, dass er damit die Olympiaqualifikation im Zweierbob geschafft hat.
Bob · «Die Freude darüber, die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2018 in Südkorea im Zweierbob nun definitv geschafft zu haben, ist am grössten», sagt Clemens Bracher nach seinem erneuten Husarenstreich. Nur eine Woche nach seinem ersten Weltcupsieg legte der Bobpilot aus Wasen gleich nach. Im Weltcuprennen von Igls schafft der 30-Jährige mit dem 3. Rang eine erneute Glanzleistung. Und damit hat Bracher die Olympiaselektions-Forderung des Bobverbandes Swiss Sliding – zweimal Rang 8 im Weltcup – weit übertroffen. Und so auch sein eigentliches Karriereziel «Teilnahme an Olympischen Spielen» erreicht. Was jetzt noch alles folgt, ist Zugabe. Der Lohn für harte Arbeit über Jahre hinweg.
EM-Silber als Draufgabe
Weil das Weltcuprennen in Österreich auch als Europameisterschaft gewertet wurde, konnte sich Bracher mit seinem Anschieber Michael «Chüeni» Kuonen über den Gewinn der Silbermedaille freuen. Nur gerade der Rennsieger Francesco Friedrich war aus Europa schneller als der Wäseler. Auf den 2. Rang schaffte es der für die EM-Wertung nicht zählende Weltcupleader Justin Kripps aus Kanada. «Mein bisher grösster Erfolg meiner Karriere. Ich stelle EM-Silber über den Weltcupsieg eine Woche zuvor, weil ich während einer Saison im Weltcup viele Möglichkeiten zu einem Spitzenplatz habe. Die EM hingegen findet an einem einzigen Tag statt, an dem man bereit sein muss», ordnet Bracher seinen Erfolg ein.
Kein «One-Hit-Wonder» sein
Innerhalb von zwei Wochen ist der stets besonnene und äusserlich sehr coole Emmentaler im Zweier-Bobsport zum Thema Nummer 1 geworden. Sein gigantischer Aufstieg sorgt in allen Bobsport-Ländern für Aufsehen. Besonders natürlich in der Schweiz. So wurde vom Gewinn der EM-Silbermedaille im Sonntags-Blick auf einer ganzen Seite berichtet. Im «Sportpanorama» am Sonntag – dem allerletzten von Moderator Matthias Hüppi – handelte der allererste Beitrag unter dem an die Musikszene angelehnte Motto «Kein One-Hit-Wonder» über Clemens Bracher. Was sagt der Bob-Shootingstar zu dieser Medienpräsenz? «Ach, dies waren doch einfach zwei von zahlreichen Saisonrennen. Ich werde alles dafür tun, dass es auch weiterhin so gut läuft und ich nicht wirklich zum One-Hit-Wonder werde», schmunzelt Bracher. «Aber natürlich freue ich mich über die Resonanz. Allerdings konzentriere ich mich ganz auf meinen Sport. Ich darf mich durch solche Sachen nicht aus der Konzentration bringen lassen.»
In den beiden Läufen im Tirol lief es dem Duo Bracher/Kuonen ausgezeichnet. «Die Starts gelangen, die Fahrten blieben ohne gravierende Patzer und der Speed war sehr gut», fasst Bracher zusammen. In der Tat scheinen die Kufen des Emmentalers hervorragend zu laufen. «Der Verkäufer hat sich bereits bei mir gemeldet und gesagt, dass er sich reuig sei, nicht mehr Geld für die Kufen verlangt zu haben», lacht Bracher. Gleich beim zweiten Zweier-Weltcupeinsatz der Karriere erneut auf das Podest zu fahren, benötigt viel Courage. «Ich war mehr nervös als eine Woche zuvor in Winterberg. Ich wollte im Ziel hinter unserem Namen die 1 aufleuchten sehen. Zum Glück konnte ich diesem selbst auferlegten Druck standhalten und mit einer guten Fahrt die Zielsetzung erfüllen.» Als Belohnung wurde Bracher die Silbermedaille umgehängt.
Im Vierer über die Bücher gehen
Zeit, um den erneuten Erfolg auszukosten, blieb wiederum keine, denn nach dem Rennen ist vor dem Rennen. «Nach einem gemeinsamen Nachtessen war ich froh, das Bett aufsuchen zu können», sagt Bracher. Dies, weil am Sonntag das Viererrennen auf dem Programm stand. Trotz der seriösen Vorbereitung erfolgte im Vierer ein Dämpfer. «Ich bin momentan ziemlich ratlos, was den grossen Schlitten betrifft.» Weil Bracher überzeugt ist, dass er auch im Viererbob über gutes Material verfügt, sucht er die Gründe im sportlichen Bereich. «Wir müssen beim Start sofort über die Bücher. Auf Bahnen wie in Winterberg oder Igls hat niemand eine Chance, der schlecht startet. Unser Start war miserabel», erklärt Bracher. Dass er in Einzahl spricht, hat damit zu tun, dass die erste Fahrt des Bracher Vierers so schlecht war, dass es nicht einmal zur Qualifikation für den zweiten Lauf reichte. «Ich bin gefordert, weil ich derzeit nicht genau sagen kann, wieso es nicht läuft. Die Vorbereitung war ausgezeichnet. Wir sollten athletisch auf der Höhe sein. In Testfahrten gelangen uns tolle Fahrten. Im Ernstkampf hingegen will uns einfach nichts gelingen.»
Mit dem Vierer nach Pyeongchang?
Nachdem Clemens Bracher die Olympiateilnahme im Zweier auf sicher hat, kann er sich darauf konzentrieren, diese auch im Vierer noch zu schaffen. Nach Testfahrten kurz vor Weihnachten in St. Moritz und einer kurzen Weihnachtspause daheim in Wasen findet in der Altjahrswoche die SM in St. Moritz statt. Wichtiger sind im Anschluss die Rennen im Januar. Bis Mitte Januar läuft das Selektionsverfahren. Aufgrund der weiten Anreise und der aktuellen Situation dürfte Bracher anstelle des Weltcuprennens in Altenberg das Europacuprennen in Innsbruck bestreiten. Letzte Station vor der Bekanntgabe der Schweizer Olympiaschlitten im Zweier- und Viererbob (je zwei Startplätze) durch den Verband wird St. Moritz sein. Bei diesen Weltcuprennen im Januar wird Bracher mit Bestimmtheit am Start stehen. Mit dem Elan der gigantischen Zweiererfolge hofft er, bis dahin die Handbremse im Vierer lösen zu können.
Auszug aus der Rangliste: Zweier (24 Klassierte): 1. Franceso Friedrich, Deutschland, 1:43,71; 2. Justin Kripps, Kanada, 1:43,98; 3. Clemens Bracher/Michael Kuonen, Schweiz/Wasen, 1:44,11; 4. Johannes Lochner, Deutschland, 1:44,16; 16. Rico Peter, Schweiz, 1:44,70. – Vierer (25): 1. Johannes Lochner, Deutschland, 1:42,45; 2. Justin Kripps, Kanada, 1:42,60; 3. Francesco Friedrich, Deutschland, 1:42,65; 10. Rico Peter, Schweiz, 1:43,18; 22. Clemens Bracher/Michael Kuonen/Marcel Dobler/Alain Knuser, Schweiz/Wasen, nur ein Lauf.
Von Stefan Leuenberger