Pascal Dietrich droht mit einer Beschwerde
Bei der Fortsetzung der Sitzung des Langenthaler Stadtrates genehmigte das Parlament insgesamt 13,920 Millionen Franken
für den Bau von neuen Kindergärten in den Schulzentren Elzmatte, Hard und Kreuzfeld. Der Bedarf war im Rat unbestritten,
die gewählte Strategie mit der Zentralisierung der Kindergärten stiess jedoch bei Stadtrat Pascal Dietrich (parteilos) auf wenig
Verständnis. Dieser drohte sogar mit dem Einreichen einer Beschwerde gegen die Abstimmungsbotschaft, weil er befürchtet,
dass «seine» Argumente gegen die Zentralisierung der Kindergärten nicht angemessen berücksichtigt werden.
Der Langenthaler Stadtrat braucht keine Budget-Vorlage, um mehrere Stunden über ein einziges Thema zu debattieren. Bei der Fortsetzung der abgebrochenen Stadtratssitzung vom 28. August befassten sich die 34 anwesenden Stadträtinnen und Stadträte während drei Stunden mit dem Bau von neuen Kindergärten an den Schulstandorten Elzmatte, Hard und Kreuzfeld. Erstaunlich ist die Dauer der Debatte von knapp 180 Minuten deshalb, weil sich die verschiedenen Parteien im Saal grundsätzlich einig waren und das Vorhaben von niemandem bestritten wurde.
Auch vom parteilosen Stadtrat Pascal Dietrich nicht, der die Notwendigkeit der Neubauten anerkannte und einsah, dass dringender Handlungsbedarf für mehr und moderneren Schulraum besteht. Dennoch wehrte er sich den ganzen Abend im wahrsten Sinne des Wortes mit Händen und Füssen gegen die drei vorliegenden Kindergarten-Vorlagen. Um seine Position besser zu verstehen, muss man bei diesem Thema kurz zurückblenden.
Alle Kindergärten an zentralen Orten
Die Stadt Langenthal verfügt über drei Schulzentrums-Standorte (Kreuzfeld, Elzmatte und Hard). An der Volksschule Langenthal werden insgesamt 15 Kindergartenklassen an neun verschiedenen Standorten und vier Tagesschulen an vier Standorten betrieben. Im Rahmen des Projekts «Erweiterte Schulplanung» haben diverse Fachgremien eine umfassende Analyse der aktuellen Organisation vorgenommen. Der Gemeinderat wiederum genehmigte am 6. Februar 2019 die Strategie «Zentrale Organisation der Kindergärten und Tagesschulen auf den Schulzentren Kreuzfeld, Hard und Elzmatte». Basierend auf dieser Strategie soll als erste Etappe auf dem Schulzentrum Kreuzfeld für 4,270 Millionen Franken ein Dreifach-Kindergarten, beim Schulzentrum Hard für 6,1 Millionen Franken ebenfalls ein Dreifach-Kindergarten mit Tagesschule und im Schulzentrum Elzmatte für 3,550 Millionen Franken ein Zweifach-Kindergarten entstehen. Dafür werden die bisherigen Kindergärten Winkel, Oberfeld und jener im Zwinglihaus aufgehoben sowie der Pavillon im Schulzentrum Hard durch den Neubau ersetzt.
Während im Zwinglihaus das Mietverhältnis gekündigt werden kann, ist die weitere Verwendung der Parzellen und Gebäude beim Kindergarten Winkel (ist Bestandteil der Entwicklung Markthallen-Areal) und Oberfeld (der Kauf der Parzelle wäre möglich) noch nicht geklärt.
Die Harmonie wird gestört
Im Stadtrat herrschte Einigkeit über die geplanten Vorhaben, was auch in der klaren Zustimmung zu allen drei Bauprojekten zum Ausdruck kam. Dennoch herrschte an diesem Abend nur kurze Zeit «Friede, Freude, Eierkuchen», bis nämlich Pascal Dietrich ans Rednerpult trat und verkündete, dass er die vorherrschende Harmonie leider stören müsse. Wie bereits in einer früheren Phase des Projekts «Erweiterte Schulplanung» stört er sich nach wie vor an der gewählten Strategie der Zentralisierung der Kindergärten und Tagesschulen. Er wies darauf hin, dass etliche Kinder bald einen deutlich weiteren und weniger sicheren Schulweg zu absolvieren hätten. Die Zentralisierung werde zudem das Problem der «Elterntaxis» weiter verschärfen. Aber am meisten störte Pascal Dietrich, dass die Stimmberechtigten nie die Gelegenheit erhielten, zur gewählten Strategie der Zentralisierung Stellung zu beziehen.
SP-Stadtrat Gerhard Käser (Leiter Schulzentrum Kreuzfeld 1–3) entgegnete Dietrich, dass «Elterntaxis» mehrheitlich aus anderen Gemeinden stammten, «denn oft sind es die Grosseltern, die auswärts wohnen und ihre Enkelkinder abholen, weil die arbeitstätigen Eltern nicht verfügbar sind. Sie haben keine andere Wahl, als mit dem Auto die Kinder von der Schule abzuholen. Zugleich zeigt dies, dass nicht allein die Distanz des Schulweges ausschlaggebend ist für die hohe Anzahl an ‹Elterntaxis›», betonte Käser. Stadtpräsident Reto Müller wies zudem darauf hin, dass eine Sanierung oder ein Neubau der Kindergärten an den bisherigen Standorten aus Platzgründen gar nicht möglich wäre.
Hartnäckiger Pascal Dietrich
Doch weder Käsers noch Müllers und auch nicht andere Voten von Stadträtinnen und Stadträten, die verschiedene Vorteile der Zentralisierung der Kindergärten in den Vordergrund rückten, vermochten Pascal Dietrich umzustimmen, der mit einem Antrag verlangte, dass in der Abstimmungsbotschaft explizit festgehalten werden sollte, dass weder der Stadtrat noch die Stimmberechtigten über die Strategie der Zentralisierung der Kindergärten habe abstimmen können. Doch damit fand er beim Rat kein Gehör, der diesen Antrag deutlich ablehnte.
Der Unterlegene blieb hartnäckig und gab nicht auf, verlangte weiter, dass in der Abstimmungsbotschaft die Argumente gegen eine Zentralisierung der Kindergärten und Tagesschulen in angemessener Form berücksichtigt werden müssten. Dietrich gab unmissverständlich zu verstehen, wenn diese Forderung nicht entsprechend umgesetzt werde, überlege er sich, eine Beschwerde gegen die vorliegende Abstimmungsbotschaft einzureichen.
Zweite Abstimmung?
Vorerst wird jedoch das Langenthaler Stimmvolk über die Vorlagen befinden können, die am 17. Dezember zur Abstimmung gelangen. Wer weiss, vielleicht werden die Langenthaler dann auch über diese Vorlagen ein zweites Mal abstimmen (wie über das Budget 2023), sollte Pascal Dietrich tatsächlich eine Beschwerde einreichen und diese sogar gutgeheissen werden ...
Von Walter Ryser