• Von links: Christian Hadorn, abtretender Präsident SVP Oberaargau, Samuel Leuenberger, neuer Präsident, Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg und Ulrich Iseli, Vizepräsident SVP Oberaargau. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

22.05.2018
Oberaargau

Pierre-Alain Schnegg: «Sozialhilfe ist keine langfristige Alternative»

Speditiv führte Alt Grossrat und Präsident der SVP Oberaargau, Christian Hadorn, durch die Hauptversammlung 2018 und durch die anschliessende Delegiertenversammlung. Dennoch zog sich der «doppelte» Anlass im Gasthof Gutenburg in die Länge: Es war «Hadorn Chrigus» letzte HV, die er präsidierte. Von der Delegiertenversammlung wurde er zum Ehrenpräsidenten erkoren. Sein Nachfolger ist der Grossrat Samuel Leuenberger aus Bannwil. Gastredner war Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg, der wunschgemäss «aus dem Nähkästchen» plauderte – mit nicht allzu schönen Aussichten für die Kantonsfinanzen.

Gutenburg · Christian Hadorn hat die Politik in den letzten 16 Jahren auf kantonaler und regionaler Ebene stark geprägt. Der Grossrat, der im letzten Herbst nach fast vier Legislaturen zurücktrat, hat sich nebst seinem Geschäft drei Jahrzehnte lang in der Öffentlichkeit engagiert, sei dies in Kommissionen, in Vereinen und Organisationen. Mit Leib und Seele hat er auch die SVP-Politik geprägt, unter anderem während 15 ½ Jahren als Grossrat, im Weiteren als Mitglied der GPK im Grossen Rat, als SVP-Präsident des damaligen Amts Wangen und als Mitglied des Parteivorstands der SVP Kanton Bern. «Du darfst für dich in Anspruch nehmen, nicht nur für die SVP, sondern ganz allgemein für die Öffentlichkeit viel geleistet zu haben», würdigte ihn am letzten Donnerstagabend im «Bad Gutenburg» der Vizepräsident der SVP Oberaargau, Ulrich Iseli.
Mit einem grossen Dankeschön, einem Gutschein und der Urkunde als neuer Ehrenpräsident wurde Christian Hadorn aus seiner intensiven Polit-Zeit verabschiedet. Dies nachdem er einmal mehr – seinem Motto gemäss – «kurz und prägnant» durch die Hauptversammlung und durch die Generalversammlung der SVP Oberaargau geführt hatte. «Es war schön mit euch; trotzdem gehe ich mit einem lachenden und ohne weinendes Auge», meinte er. Es freue ihn sehr, dass die schöne Tradition der HV und der DV während seiner ganzen 16-jährigen Präsidialzeit habe durchgezogen werden können. «Immer wieder seid ihr zahlreich gekommen, und heute Abend ist die Präsenz von engagierten Politikerinnen und Politikern besonders gross.» Er konnte alle vier im Oberaargau amtierenden Grossräte, einige Alt Grossräte und als «Krönung» Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg begrüssen.
Jahresbericht und Jahresrechnung wurden einstimmig genehmigt. Ebenso einstimmig und glanzvoll wurde der Bannwiler Grossrat Samuel Leuenberger als neuer Präsidenten der SVP Oberaargau gewählt. Er nahm das Amt gerne an, erklärte aber in seiner kurzen Vorstellung, dass er auch Respekt habe und sich der Wichtigkeit der Funktion bewusst sei. Sein Ansporn sei die Gewissheit, «dass wir im Kanton Bern etwas bewegen können.»
Zum Auftakt der Delegiertenversammlung sprach der bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektor, Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg. «Ich bin gerne zu euch gekommen», erklärte er. «Wir Bern-Jurassier und die Oberaargauer haben vieles gemeinsam: Wir sind mit unseren Regionen eng verbunden und sind stolz darauf, Berner zu sein.»
Nach einer schönen Würdigung der abtretenden oder abgetretenen Oberaargauer SVP-Grossräte Christian Hadorn, Käthi Wälchli und Thomas Rufener warf er einen Blick in die Zukunft des Gesundheitswesens. Dieser Ausblick war allerdings dann weniger schön, dafür aber ehrlich.

Nicht verhindern, aber eindämmen
Bereits heute machen im Kanton Bern die Ausgaben für das Gesundheitswesen einen Viertel des Kantonsbudgets von 10,6 Milliarden Franken aus. Wachsen sie im bisherigen Tempo weiter an, wird es in 20 Jahren die Hälfte des Kantonsbudgets sein. «Das darf nicht geschehen», so der Gesundheitsdirektor. Mit seinen knappen Mitteln müsse der Kanton vorsorgen, müsse Unternehmen davon überzeugen, dass es sich lohne, ansässig zu sein und Arbeitsplätze zu schaffen. «Das heisst, dass wir den Forschungs- und Ausbildungsplatz Bern ganz vorne auf der Liste der besten Kantone positionieren müssen.»
Die Kostenexplosion im sehr gut funktionierenden Gesundheits- und Fürsorgewesen sei nicht aufzuhalten, «aber ich möchte diesen Trend abbremsen.» Für die ständig älter werde Bevölkerung müssten die Strukturen angepasst werden. Dazu seien die Gesundheitseinrichtungen laufend zu überprüfen und anzupassen. Zum Beispiel gelte es zu überlegen, ob es künftig noch richtig sei, ein Spital mit etlichen Betten zu erneuern oder ob es sinnvoller wäre, ein Pflegeheim zu bauen, das mit vielen Dienstleistern zusammenarbeite. Durch den medizinischen Fortschritt sei es möglich, immer mehr Operationen ambulant durchzuführen. Das Spital brauche demnach weniger Betten. Der Kanton habe diesbezüglich bereits wegweisende Entscheide getroffen. «Wir bilden mehr Pflegepersonal aus, haben die Studienplätze für Medizin erhöht, damit mehr Hausärzte zur Verfügung stehen, organisieren die Rettungs- und Krankentransporte neu und starten mobile Palliativdienste.»

Erwerbstätigkeit muss wirtschaftlicher sein als Sozialhilfe
Sinnvoll und planbar müsse auch die Sozialhilfe sein, dies selbstverständlich im Hinblick darauf, dass Menschen, die Hilfe nötig hätten, diese vom Kanton auch erhalten sollen. Aber die Ausübung einer Erwerbstätigkeit müsse wirtschaftlich gesehen attraktiver sein als der Bezug von Sozialhilfe. «Es kann doch nicht sein, dass ein Lehrling die Ausbildung abbricht, weil er merkt, dass sein Kollege von der Sozialhilfe mehr Geld erhält. Und es kann auch nicht sein, dass eine junge arbeitstätige Familie mit weniger Geld auskommen muss als eine, die Sozialhilfe erhält, die keine Steuern zahlen müsse, versichert sei, eine Wohnung und Zusatzleistungen erhalte. Mit dem revidierten Sozialhilfegesetz habe man nun die Möglichkeit, einzugreifen. Dies etwa mit der Kürzung des Grundbedarfs oder mit der Kürzung der Leistung an Menschen, die sich nicht integrieren wollen.
«Meine Damen und Herren, schon in fünf Jahren wird der Kanton erhebliche Mittel brauchen, um die Menschen, die heute und in den vergangenen Jahren zu uns gekommen sind, in die kantonalen Strukturen zu übernehmen.» Die Schweiz nehme weiterhin monatlich rund 1500 Asylsuchende auf, zeitweise seien es gegen 3500 gewesen. «Nur wenigen gelingt es, eine Arbeit bei uns zu finden.» 70 bis 90 Prozent von ihnen würden auf langfristige Unterstützung von Staat, Kantonen und Gemeinden angewiesen sein – eine Situation, auf die man sich vorbereiten müsse. Ziel sei es, Sozialhilfebezüger, vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge möglichst rasch wirtschaftlich selbständig werden zu lassen. «Sozialhilfe ist keine dauernde Alternative.» Das Schlüsselwort heisse «Selbstverantwortung». Der einzige Weg sei die Arbeitsintegration, «das muss uns gelingen.»

Schwache Stimmbeteiligung
Alt Grossrat und Wahlleiter Jürg Schürch aus Huttwil hielt einen kurzen Rückblick auf die vergangenen Grossrats- und Regierungsratswahlen.
Er wies besonders auf die bedenklich tiefe Wahlbeteiligung von bei weitem nicht 30 % aller Stimmbeteiligten im Oberaargau hin.
Grossrat Patrick Freudiger machte in seinem Referat die komplizierte Vollgeldinitiative plausibler, über welche das Schweizervolk am 10. Juni abstimmen wird. Einstimmig beschloss die Delegiertenversammlung die Ablehnung der Initiative.
Grossrat Samuel Leuenberger stellte die zweite Abstimmungsvorlage zum Geldspielgesetz vor – auch diese ein zweischneidiges Schwert. Mit nur zwei Enthaltung und sechs Neinstimmen empfiehlt die SVP Oberaargau jedoch deutlich die Annahme der Änderung des Geldspielgesetzes.

Von Liselotte Jost-Zürcher