Pilzsammelfreuden gerade in Coronazeiten
Ende Oktober schlossen die meisten Pilzkontrollstellen nach drei Monaten Einsatz, so auch in Huttwil. Dann ging die Haupt-Pilzsaison zu Ende, ob Corona oder nicht. Trotz den aktuellen Umständen war das auch dieses Jahr so, es gab keine amtlich verkürzte Saison. Wie aber ging denn überhaupt das Kontrollieren in der gegenwärtigen Situation?
Die letzten schönen Herbsttage lockten auffallend viele Pilzler in den Wald. Ob allein Covid dazu beigetragen hat, dass sich jetzt Leute mehr für Pilze interessieren? Weil fast alle anderen privaten Termine wegfielen?
Nicht mehr als sonst
Mehr über die diesjährige Lage weiss Daniela Ait Salem-Minder, Pilzkontrolleurin in Huttwil. Sie übt das Amt wie alle Pilzkontrolleure nebenberuflich aus. Aus Freude an den Wundern der Natur, wie viele fasziniert sagen, oder auch am schönen Kontakt mit den Leuten, wie sie betont. Man muss schauen, was die hauptberufliche Tätigkeit des Kontrolleurs zulässt. Daniela Ait Salem selbst könne aus beruflichen Gründen im Herbst nicht drei Monate immer jeden Samstag und Sonntag kontrollieren. Viele Sammler hätten aber nur an Wochenenden genügend Zeit. Sie seien womöglich auf andere regionale Kontrollstellen mit anderen Öffnungszeiten ausgewichen. Es habe trotz vorschriftmässigem Abstandhalten nicht extrem lange Wartezeiten vor dem Mehrzweckraum im Oberstufenschulhaus Hofmatt gegeben. Sie habe nicht mehr Kontrollen gehabt als sonst, ausser manchmal sonntags. Heuer sei wetterbedingt zudem kein sehr gutes Pilzjahr gewesen. Auch ausserhalb Corona gilt zudem immer, dass organisiertes Pilzesammeln in Horden und Gruppen untersagt ist, davon ausgenommen sind Familien.
Die Zeitungen sind schuld
Durch die seit März herrschende Lage gingen viele Leute mehr nach draussen als sonst. Manche haben so die Natur ganz neu wahrgenommen. Anders kann man es nicht erklären, dass in vielen Medien zu Beginn des Herbstes auffallend mehr Beiträge über Pilze zu lesen waren. Darüber, dass Sammeln ein Familienerlebnis und entschleunigend sei. Es gebe neue Pilz-Apps, die beim Bestimmen der Pilze helfen würden. Ebenso fanden sich zuhauf Rezepte für schmackhafte Pilzgerichte. Es ist zu vermuten, dass die Zeitungsberichte dazu beigetragen haben, das Jagdfieber zu wecken. Viele Termine sind weggefallen, man musste die Alltagsgewohnheiten umkrempeln und hatte plötzlich Zeit. Das führte bei einigen Pilzvereinen zu einem wegen Corona nicht zu bewältigenden Ansturm auf die Pilzkurse und
Bestimmungsabende.
Genügsame Pilzler
Viele Leute begnügen sich aber damit, ein paar der gängigsten und unverwechselbaren Speisepilze ganz sicher zu kennen. Das stellt auch Daniela Ait Salem fest. Interessierte erscheinen nur ein paar Mal an einem Kurs oder Bestimmungsabend, und werden auch nicht Mitglied von einem Pilzverein, der froh um Zuwachs wäre. Sie geben sich mit Kenntnissen vom Steinpilz, dem Rotfussröhrling, dem Maronenröhrling und vielleicht noch zwei, drei mehr zufrieden. Es lohnt sich aber, in guten Pilzjahren die Pilzmischung etwas vielfältiger zu gestalten und dazuzulernen. Man hofft nun, Interessierte, die weitermachen wollen, nach Corona in den Kursen anzutreffen. Manche Leute sammeln gerne alleine, sie schätzen die Ruhe, andere gehen lieber als Familie. Kinder mögen den Wald, sie schlafen danach prima. Man muss ihnen aber die Grundregeln beibringen. Wahllos alle Pilze ausreissen oder sie zertreten, das geht nicht. Wer Fliegenpilze kaputt macht, nur weil sie trotz ihrer Schönheit giftig sind, bringt sich fast mit Sicherheit um einen Sammelerfolg. Wo Fliegenpilze wachsen, wachsen oft auch Pfefferröhrlinge und Mehlräslinge. Ein Zeichen dafür, dass es in diesem Bereich Steinpilze gibt. Daher nennt man diese oft gemeinsam vorkommenden
Pilze Steinpilzzeiger.
Erspart die App auf dem Smartphone den Gang zur Pilzkontrolle?
Hier braucht es ein klares Nein. Daniela Ait Salem und ihre angefragten Kollegen bestätigen, dass das sehr heikel ist. Es gibt Pilzgattungen, die noch nicht vollständig erforscht sind, und Pilze, die sehr schwer zu unterscheiden sind. Bei Unsicherheit lässt ein Pilzkontrolleur einen Pilz auf keinen Fall durch. Je nach Bodenbeschaffung, Alter und Witterung kann ein Pilz der gleichen Art ganz anders aussehen und die Bestimmung schwierig machen, so dass sich sogar Koryphäen streiten können. Schlussendlich einigen sich Spezialisten in so einem Fall meist darauf, dass man mit dem Pilz ins Labor müsste, um ihn vielleicht anhand der Sporengrösse unter dem Mikroskop bestimmen zu können. Eine App, mit welcher ein Foto vom Pilz zur Bestimmung gemacht werden kann, kann total versagen. Die Farbe vom Pilz kann vom Bild abweichen. Geruch und Geschmack spielen bei der Bestimmung eine Rolle. Der Gang zur Kontrolle sollte für Ungeübte, Anfänger und Unsichere kein übles Muss sein, sondern eine willkommene Möglichkeit, das Wissen zu erweitern. Und um nicht üble Nachwirkungen nach einem schmackhaften Mahl zu erleben und die ganze Tischgemeinschaft auszulöschen. Denn ein einziger heftig giftiger Pilz im Korb kontaminiert die essbaren. Passiert das, muss man sie alle konfiszieren. In Kursen, die nächstes Jahr hoffentlich wieder stattfinden können, kriegt man das nötige Wissen, dazu hilfreiche Tipps, wie man die Pilze sammelt und zubereitet. Wichtig ist auch, die kantonalen Vorschriften zu kennen.
Die Frage eines jeden Sammlers
Die Pilzfachfrau Daniela Ait Salem meint, dass die meisten Leute gar nicht zu viel Fachwissen über die Pilze haben wollen. Der lateinische Name des gesammelten Gutes, Art und Gattung, das will sich nicht jeder merken. Sie hält also dem Sammler, der ihr seine Ernte zur Begutachtung vorlegt, keinen Vortrag. Sie beantwortet hingegen gerne auftauchende Fragen. Was die Leute am gefundenen Pilz aber am meisten interessiert, sei ganz einfach die Frage: «Kann man ihn essen?»
Die Angst vor dem Gericht – meine persönliche Pilzgeschichte
Bereits als Kind fielen mir in unseren Wäldern rund um Huttwil die vielen Pilze auf. Sie kamen mir immer irgendwie geheimnisvoll und märchenhaft vor. Im ganzen Umfeld kannte sich aber niemand damit aus. So liess man die Finger davon. Jahre später bescherte mir das Schicksal eine Freundin, die sich auskannte. Sie führte mich in die Materie ein. Bald einmal fand ich essbare Pilze in der Nähe des elterlichen Hofes und brachte sie stolz heim. Mit der hehren Absicht, sie zum Abendessen zuzubereiten und meine Familie zu verwöhnen. Man traute mir aber nicht und so ass ich trotzig alles selbst auf. Nicht einmal der leckere Duft des herrlichen Gerichtes entschärfte die Situation. Man hatte entweder Angst um sich oder Angst um mich, oder eben beides. Nach so vielen Jahren und zahlreichen Pilzmahlzeiten lebe ich aber immer noch fröhlich. Das anfängliche Misstrauen ist nicht mehr da. Meinte ich jedenfalls. Kürzlich bekam mein Mann abends heftig Fieber wegen einer Pilzsammler-Zecke vom Huttwilberg, die mit uns heimgekommen war. Kurz danach überfielen mich Kopfweh und Übelkeit wegen einem Sandwich oder einem mickrigen Gin Tonic. Der Arzt wusste es nicht. Wie das mein Mami vernahm, dass mir schlecht war, kam sogleich sorgenvolle Frage: «Hast du Pilze gegessen?»
Von Marianne Plüss