Renate Niklaus: «Gerade in schwierigen Zeiten tut die Fasnacht den Menschen gut»
Seit letzten Juni leitet erstmals eine Frau die Geschicke der Langenthaler Fasnacht: Renate Niklaus ist neue Oberin der Fasnachtsgesellschaft (LFG). Im Monatsinterview mit dem «Unter-Emmentaler» spricht sie über den immensen Nachholbedarf nach einer langen Fasnacht-Durststrecke und darüber, warum es berechtigt ist, auch im Angesicht weltumspannender Konflikte eine Fasnacht zu feiern. Die 60-jährige Langenthalerin gibt ausserdem Einblicke in ihre besonderen Hobbies, wovon eines das kultivierte Biertrinken ist.
Langenthal · Eine gefühlte Ewigkeit ist es her, seit in Langenthal die letzte richtige Fasnacht gefeiert werden durfte! Renate Niklaus, wie gross ist Ihre persönliche Vorfreude auf die kommenden Fasnachtstage?
Sie ist selbstverständlich riesengross! Die pandemiebedingte Fasnacht-Durststrecke scheint endgültig überwunden zu sein. Somit können wir dieses Jahr auch in Langenthal endlich wieder eine Fasnacht ohne Einschränkungen feiern, dafür wurde es höchste Zeit. Bei uns war die letzte richtige Fasnacht vor vier Jahren, also 2019. Letztes Jahr, im März 2022, konnten wir zwar bereits wieder eine Fasnacht durchführen, jedoch nur im abgespeckten Rahmen auf dem Markthallenplatz und in den Wirtshäusern. Das war im Grunde keine richtige Fasnacht, so, wie wir sie uns in Langenthal gewohnt sind. Andere Fasnacht-Hochburgen wie Luzern oder Basel öffneten ja bereits letztes Jahr wieder sämtliche Schleusen, wir in Langenthal hielten derweil an unserem Konzept einer kontrollierten, eingeschränkten Fasnacht fest. Dieses Konzept ist am Schluss aufgegangen, viele Fasnächtlerinnen und Fasnächtler hatten daran ihre Freude. Nichtsdestotrotz ist der Nachholbedarf bei einigen Fasnachtscliquen enorm, das spüre und sehe ich selbst.
Welche Cliquen haben denn Ihrer Ansicht nach den grössten Nachholbedarf?
Einerseits natürlich die Guggenmusiken: Sie wollen endlich wieder uneingeschränkt dort aufspielen können, wo sie gerade möchten, und das ist meistens irgendwo auf der Gasse, mitten im Publikum unter den Leuten. Ich kann dieses Bedürfnis absolut nachvollziehen, denn die Langenthaler Fasnacht pulsiert ja gerade auch wegen der Strassenfasnacht und dank der Guggenmusiken, die spontan ihre Platzkonzerte geben. Zu diesem Zustand wollen alle zurückkehren. Andererseits haben auch die Wagencliquen einen grossen Nachholbedarf. Das letzte Mal, als sie ihre aufwändigen Konstruktionen einem grossen Umzugspublikum präsentieren konnten, war 2019. Doch damals und im Jahr zuvor waren die Umzüge von Sturm und Schlechtwetter geprägt. Entsprechend gross ist nun die Hoffnung der Wagencliquen, der diesjährige Umzug am Fasnachtssonntag möge ein voller Erfolg werden.
Und wie sieht es mit dem Nachholbedarf der Leute aus, die die Fasnacht nur konsumieren? Darf man erwarten, dass das Publikum nach dieser langen Durststrecke einfach wieder scharenweise nach Langenthal pilgert? Mein Eindruck ist, dass die Pandemiejahre das Ausgeh- und Freizeitverhalten vieler Menschen verändert haben.
Diesen Eindruck kann ich so bestätigen. Ich denke, es ist tatsächlich so, dass sich viele Leute während der Corona-Zeit anderweitig organisiert haben. Einige haben neue Hobbies gefunden, andere nehmen sich jetzt bewusst mehr Zeit für die Familie. Nicht wenige müssen heute auch mehr aufs Geld schauen, weil das Leben allgemein teurer geworden ist. Unter all diesen Voraussetzungen wird es spannend sein zu sehen, ob die Fasnacht beim konsumierenden Publikum an Beliebtheit eingebüsst hat oder nicht. Letztlich ist das veränderte Freizeitverhalten aber nicht ein Phänomen, das man einzig mit der Fasnacht in Verbindung bringen kann. Die Tendenz, dass Menschen ihre Freizeit bewusster und anderweitig investieren, oder dass sie sich teilweise weniger zugunsten ausserberuflicher Aktivitäten engagieren möchten, kann in anderen Bereichen der Gesellschaft ebenso beobachtet werden, insbesondere auch bei den jüngeren Generationen.
Gutes Stichwort: Die jüngeren Generationen. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Können sich junge Menschen überhaupt noch für die Langenthaler Fasnacht begeistern?
In den meisten Fasnachtscliquen der LFG tummeln sich junge, motivierte Mitglieder, die sich zugunsten der gemeinsamen Sache engagieren. Ich denke also, dass die Nachwuchsförderung im Bereich der Aktivfasnächtler – gerade bei den Guggenmusiken und Wagencliquen – recht gut funktioniert. Auch die Reihen der Tönlifurzer, so heisst unsere Nachwuchsguggenmusik, sind nach wie vor sehr gut gefüllt. Und in den Jahren vor der Pandemie sowie letztes Jahr konnte allgemein ein Aufblühen der Kinderfasnacht festgestellt werden: Die Zusammenarbeit mit den hiesigen Schulen, Kindergärten und Kitas wurde gefestigt und etabliert – Jahr für Jahr dürfen wir Hunderte von Schülerinnen und Schülern an unserer Kinderfasnacht am Hirsmontag begrüssen. Mit anderen Worten: Ich denke nicht, dass die Langenthaler Fasnacht Nachwuchsprobleme hat. Wichtig ist aber, dass wir dranbleiben und die Begeisterung auch bei den nachkommenden Jahrgängen fortlaufend wecken können.
Wie haben sich die Pandemiejahre auf die Finanzen der LFG ausgewirkt?
Nach der Totalabsage im Jahr 2020 sah es katastrophal aus, denn alle Ausgaben für die Fasnacht waren bereits getätigt worden. Wegen der Absage flossen aber letztlich keine Einnahmen in die Kasse der LFG. Was uns in der Folge rettete, war eine grosse Welle der Solidarität: Privatpersonen und Firmen liessen uns Spenden zukommen, Dienstleister und Auftragsnehmer verzichteten auf Geldforderungen, und so weiter. Wir sind also damals mit einem blauen Auge davongekommen. Die letztjährige Fasnacht auf dem Markthallenplatz war dann aus finanzieller Sicht ein Erfolg, nicht zuletzt dank des wunderschönen Wetters, das wir geniessen durften. Wir konnten sehr viele Eintritts-Plaketten verkaufen, wodurch letztlich ein Gewinn resultierte. Nichtsdestotrotz ist die LFG alles andere als auf Rosen gebettet. Bei jeder neuen Ausgabe, die ansteht, müssen wir uns ernsthaft fragen, ob dies unsere Finanzen überhaupt zulassen. Wir sind also dringend darauf angewiesen, dass die Fasnacht 2023 ein Erfolg wird und dass wir die Hauptprogrammpunkte wie das Guggenspektakel am Samstagabend sowie den grossen Umzug am Sonntagnachmittag reibungslos durchführen können. Sollte beispielsweise der Umzug aus irgendwelchen Gründen abgesagt werden müssen, würde uns das erneut in eine finanzielle Notlage bringen!
An ein solches Szenario wollen wir gar nicht denken ... schildern Sie stattdessen unseren Leserinnen und Lesern lieber die Eigenheiten der Langenthaler Fasnacht. Was macht sie so besonders?
Ich darf behaupten, dass die Langenthaler Fasnacht über eine ausgesprochen lange Tradition verfügt – verglichen mit anderen Fasnachten, die im Kanton Bern existieren. Diese lange Tradition ist auch geschichtlich belegt. Ich persönlich finde, dass man dieses geschichtliche Erbe mehr spürt als anderswo. Die Traditionen werden hier von Generation zu Generation weitergegeben. Nichtsdestotrotz sind wir in Langenthal bereit, die Fasnacht neuen Einflüssen anzupassen. Das Geschehen hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr stark von den Wirtshäusern auf die Gassen ausgeweitet. Diese Entwicklung scheint noch nicht abgeschlossen zu sein, die Strassenfasnacht gewinnt weiter an Bedeutung. In dieser Hinsicht versucht die LFG, mit neuen Lösungen Hand zu bieten, damit die sich verändernden Bedürfnisse befriedigt werden können. Gleichzeitig versuchen wir aber, gewisse Traditionen, die sich bewährt haben, bewusst weiterzupflegen. Eine Besonderheit der hiesigen Fasnacht ist sicherlich auch, dass wir in Langenthal eine verhältnismässig grosse Fasnacht auf relativ kleinem Raum feiern. Die Strassen und Plätze, auf denen das bunte Treiben stattfindet, kann man quasi an einer Hand abzählen. Dadurch entsteht eine einmalige Stimmung, wozu natürlich auch die Beizenfasnacht beiträgt. Drinnen wie draussen ist es ein einziges Sehen und Gesehen-Werden: Lustige Begegnungen zwischen Freunden, spontane Wiedersehen mit langjährigen Bekannten, farbenfrohe Zusammenkünfte unter Gleichgesinnten. Dinge, die die Langenthaler Fasnacht besonders machen.
Jetzt heben Sie vor allem gesellige Aspekte hervor. Sind es für Sie gerade diese Facetten, die das Feiern einer Fasnacht rechtfertigen? Oder – blöde Frage – warum braucht es überhaupt eine Fasnacht?
Gegenfrage: Muss man das Feiern der Fasnacht denn rechtfertigen?
Nein, wohl kaum. Ich selbst bin ebenfalls Fasnächtler, kann also den Drang der Närrinnen und Narren bestens nachvollziehen. Es gibt aber durchaus Menschen, die das Feiern der Fasnacht kritisieren – nicht zuletzt deshalb, weil sie es für deplatziert halten, wenn man im Angesicht gesellschaftlicher Krisen und Konflikte in ausgelassene Stimmung verfällt …
Ja, diese kritischen Stimmen gibt es immer wieder. Es wäre aber falsch zu glauben, Fasnächtlerinnen und Fasnächtler würden die Augen vor den Problemen dieser Welt verschliessen. Ganz und gar nicht. Fasnächtlerinnen und Fasnächtler sind während 360 Tagen pro Jahr in einen Alltag eingebunden, kennen also die Realität sehr gut. Doch während fünf Tagen und Nächten – so lange dauert ungefähr die Langenthaler Fasnacht – erhalten wir die Gelegenheit, in eine komplett andere Welt abzutauchen. Wer will, kann sich verkleiden und in eine andere Rolle schlüpfen. Man kann kreativ und ausgelassen sein. Und man kann Kraft tanken für den Alltag, der nach der Fasnacht unweigerlich seinen Lauf nimmt. Ich bin also fest überzeugt davon, dass die Fasnacht den Menschen guttut, gerade in schwierigen, konfliktgeladenen Zeiten, weil sie ein Vakuum schafft, innerhalb dessen die Lebensfreude überwiegen kann und Alltagssorgen für einmal nicht im Vordergrund stehen müssen.
Es ist Ihre erste Fasnacht als Oberin der LFG. Was hat Sie dazu bewogen, das Amt der höchsten Langenthaler Fasnächtlerin zu übernehmen?
Ich darf sagen, dass ich dieses Amt nicht unbedingt gesucht hatte. Es gab aber ein paar Aspekte, die letztlich dafür gesprochen haben, dass ich in die Rolle der Oberin schlüpfe. Einerseits war ich bereits Vize-Oberin, andererseits erhielt ich von verschiedener Seite Signale dahingehend, dass es doch wünschenswert wäre, wenn einmal eine Frau die Geschicke der Langenthaler Fasnacht leiten würde. Das gab es in der rund 70-jährigen Geschichte der LFG nämlich noch nie. Darüber hinaus packte mich die Lust an dem Amt, weil ich wusste, dass ich mich als Oberin auf ein tatkräftiges Büro verlassen kann – so nennen wir innerhalb der LFG den Vorstand mit seinen diversen Ressorts. Ich sehe mich übrigens weniger als Oberin einer Organisation denn vielmehr als Präsidentin eines Vereins. In dieser Funktion würde ich mich selbst als Macherin bezeichnen; also als eine, die eher ungern im Rampenlicht steht.
Aber gerade darum geht es doch beim Amt des Obers oder der Oberin: Als Oberhaupt muss man die Langenthaler Fasnacht repräsentieren.
Logisch, dass ich als neue Oberin auch repräsentative Pflichten und andere Aufgaben erfüllen muss. Somit ist auch klar, dass ich nicht mehr wie in früheren Jahren die Kinderfasnacht – mein Steckenpferd – organisieren kann. Wir mussten die Aufgaben innerhalb des Büros und der LFG umverteilen. Das ist uns aber recht gut gelungen, weshalb ich überzeugt bin, dass ich mich meinem neuen, angepassten Aufgabenkatalog mit viel Motivation widmen kann. Dazu gehört neuerdings auch der regelmässige Austausch mit Langenthals Behörden und dem Gemeinderat. Wir sind auf ein gutes Einvernehmen mit der Stadt Langenthal angewiesen.
Wieso ist das so wichtig?
Aus zahlreichen Gründen. Ein wichtiger Grund ist, dass wir auf behördliche Bewilligungen angewiesen sind, um die Fasnacht überhaupt durchführen zu können. Ein anderer wichtiger Grund ist, dass wir von der Stadt Langenthal Leistungen erhalten …
… Leistungen in Form von Geld? Langenthals Stimmbevölkerung hat an der Urne kürzlich das Budget 2023 abgelehnt. Muss man sich als Fasnächtler nun Sorgen machen, dass die Fasnachtsgesellschaft keine Unterstützungsbeiträge mehr erhält?
Nein, so ist es nicht. Man muss in diesem Zusammenhang verstehen, dass die Fasnacht zwar in grossem Umfang von der Stadt Langenthal profitiert. Die Unterstützung, die man erhält, wird aber beispielsweise in Personalstunden geleistet. Will heissen: Die Stadt verzichtet etwa darauf, der LFG gewisse Stunden weiter zu verrechnen, die von Werkhofmitarbeitenden in Zusammenhang mit der Strassenreinigung geleistet wurden – um nur ein Beispiel zu nennen. Ein Fazit zu diesen städtischen Leistungen wird in der Regel erst in den Sommermonaten gezogen und hat in diesem Sinne nicht direkt etwas mit dem Budget zu tun. Die LFG bezieht von der Stadt keine finanziellen Unterstützungsbeiträge, die im Budget explizit vorgesehen wären. Es gibt insofern keine Geldleistungen, die nun aufgrund der Budgetablehnung plötzlich nicht mehr fliessen würden. Nichtsdestotrotz ist unsere Fasnacht natürlich nach wie vor auf den Goodwill der Stadt angewiesen. Und ich darf hier anmerken, dass die Zusammenarbeit mit den Behörden in diesem Jahr wirklich ausgesprochen gut war.
Wie sind Sie eigentlich ursprünglich zur Fasnacht gekommen?
Ich bin gebürtige Langenthalerin, das sollte als Antwort doch eigentlich reichen (schmunzelt). Nicht? Okay, seinen Lauf hatte es damit genommen, dass ich als Schülerin immer an den Kinderumzügen teilnahm. Später, als junge Erwachsene, besuchte ich die verschiedenen Maskenbälle, die es damals gab und die es heute zum Teil immer noch gibt. Dann, als ich bereits Nachwuchs hatte, wurde ich von der LFG angefragt, ob meine Kinder bei der damaligen Nachwuchsorganisation der LFG, den sogenannten Komitee-Setzlingen, mitmachen möchten. So wurde auch ich ein Teil der LFG, und ich übernahm die Leitung dieser Nachwuchsorganisation. Später, als es die Komitee-Setzlinge nicht mehr gab, war ich vonseiten der LFG jahrelang für das Kinderzmorge im Rahmen der Kinderfasnacht verantwortlich. Selbst war ich jedoch noch nie Mitglied einer Guggenmusik, Wagenclique oder Schnitzelbankgruppe. Das ist vielleicht ein bisschen aussergewöhnlich, denn heute verfügen tatsächlich sehr viele LFG-Komiteemitglieder über eine Cliquenvergangenheit. Ich aber nicht.
Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man auf die Idee kommen, die Fasnacht bestimme Ihr ganzes Leben. Aber so ist es natürlich nicht – was machen Sie sonst noch?
Wie viel Zeit haben Sie? (lacht ausgelassen) Ich mache nämlich wirklich viel in meinem Leben … Fangen wir doch beim Beruf an: Derzeit arbeite ich in einem 100-Prozent-Pensum als Sportkoordinatorin bei Pro Senectute. Daneben engagiere ich mich politisch. Als Stadträtin der Grünliberalen (GLP) habe ich Einsitz im Stadtparlament von Langenthal. Weiter engagiere ich mich als Rettungsschwimmerin für die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft. In diesem Zusammenhang praktiziere ich gerne das Kaltwasserschwimmen – es ist also durchaus möglich, dass man mich auch mal im Januar oder Februar beim Schwimmen in der Aare entdeckt. Wichtig ist mir das Kaltwasserschwimmen deshalb, weil es auch zur Winterzeit zu Unfällen kommen kann, bei denen eine Person aus dem Wasser gerettet werden muss.
Ein nicht gerade alltägliches Hobby.
Das kann man so sagen. Und erwähnenswert ist vielleicht auch noch, dass ich eine Liebhaberin von besonderen Bieren bin. Letztes Jahr absolvierte ich die Ausbildung zur Bier-Sommelière. Diesen Mai werde ich der Grundausbildung noch das Diplom zur Bier-Sommelière folgen lassen, darauf freue ich mich schon sehr, denn ich bin unglaublich fasziniert von den verschiedenen Bierstilen, die es gibt. Ich finde, es gibt unglaublich viele spannende Geschmacksrichtungen, und zwar für jedermann und jedefrau – jawohl, ich bin der Meinung, dass Frauen noch etwas öfters und auch selbstbewusster Bier trinken könnten. Bier passt übrigens auch sehr gut zu einem gediegenen Essen, es muss nicht immer Wein sein.
Sie engagieren sich, wie erwähnt, in der Lokalpolitik. Man hört immer wieder, in Langenthal laufe es diesbezüglich gerade nicht besonders rund. Die Rede ist sogar davon, Stadt- und Gemeinderat würden eher gegeneinander als miteinander arbeiten. Ist die Situation wirklich so verfahren?
Ich bedauere sehr, dass wir in Langenthal derzeit anscheinend nicht mehr in der Lage sind, einfache, grundlegende Sachpolitik zu betreiben. Meine Wahrnehmung ist, dass man sich zum Teil gegenseitig blockiert. Die Fronten sind verhärtet. Das ist sehr schade, denn diese Ausgangslage bringt die Stadt und die Menschen, die hier leben, nicht wirklich weiter. Ich wünschte mir für unsere städtische Politik eine Art Aufbruchstimmung, ähnlich derer, die im Moment innerhalb der Langenthaler Fasnacht-Szene herrscht.
Und wie soll die Aufbruchstimmung in Langenthals Lokalpolitik geweckt werden? Häufig ist das einfacher gesagt als getan.
Wenn ich ein Patentrezept besitzen würde, hätte ich es meinen Kolleginnen und Kollegen im Stadt- und Gemeinderat schon längst verraten. Es ist tatsächlich nicht so einfach, wie es von aussen vielleicht scheinen mag. Was aber ganz bestimmt helfen würde, wäre eine offenere, unvoreingenommenere Haltung, und zwar von allen beteiligten Mitgliedern der Legislative und Exekutive. Politik im Allgemeinen – aber Sachpolitik auf lokaler Ebene ganz besonders – setzt voraus, dass wir nicht bloss stur an unseren eigenen Meinungen im Sinne der Parteipolitik festhalten, sondern immer auch einen Schritt auf die Gegenseite zugehen. Es braucht den Dialog und das Verständnis für die Argumente derer, die nicht der eigenen Partei angehören. Könnten wir in Langenthal ein bisschen mehr vom Schubladendenken wegkommen, wäre der Lokalpolitik wohl schon viel geholfen. Zu einer Aufbruchstimmung gehört ausserdem, dass man gewisse Ideen und Lösungen einfach mal ausprobiert – und vielleicht davon absieht, alles bis ins letzte Detail vorauszuplanen oder alles gegeneinander abwägen zu wollen.
Als Abschluss dieses Gesprächs erhalten Sie nun die Gelegenheit für einen ganz kurzen Werbespot: Warum sollen die Leute am kommenden Wochenende nach Langenthal an die Fasnacht kommen?
Es wird ein zauberhaftes Fest mit vielen Begegnungen, toller Musik, träfen Schnitzelbank-Versen und atemberaubenden Umzugswagen. Der Stadtkern wird während fünf Tagen und fünf Nächten in Ausnahmezustand sein – etwas, das man einfach miterlebt haben muss, gerade jetzt, nach dieser langen Fasnacht-Durststrecke.
Patrick Jordi im Gespräch mit Renate Niklaus, neue Oberin der Langenthaler Fasnachtsgesellschaft (LFG)