Reto Müller fordert selbstbewussten Oberaargau
Die von der Einwohnergemeinde Huttwil organisierte Feier zum 1. August fand zum zweiten Mal am Mittag statt. Die launige und gehaltvolle Festansprache zum Tag der Heimat hielt Reto Müller, Stadtpräsident von Langenthal. Für die festliche musikalische Umrahmung des Anlasses sorgte die Stadtmusik Huttwil. Vorgängig der Feier erfreute ein Brunch auf dem Brunnenplatz.
Mitten im Blumenstädtli, vor prächtiger Kulisse, feierten die Huttwilerinnen und Huttwiler in froher Runde den Geburtstag der Schweiz. Dank riesiger Sonnenschirme war für alle genügend Schatten da, denn über die Mittagszeit war die Hitze hochsommerlich. Herzlich begrüsste Alexander Grädel, Gemeinderat und Ressortverantwortlicher Kommission öffentliche Sicherheit, die Anwesenden, speziell Redner Reto Müller, die beiden Huttwiler Grossräte Andreas Schüpbach und Hansueli Grädel sowie Gemeindepräsident Walter Rohrbach.
«Selbstbewusster auftreten als Oberaargauer»
Aufmerksam lauschte das Publikum den Worten von Reto Müller. Er wusste aufzuzeigen, warum er nicht Vergangenheit oder Zukunft der Schweiz thematisierte, sondern auf spannende Punkte rund um die Stadt Langenthal und den Oberaargau fokussierte.
Er sei sich sehr wohl bewusst, dass einige der Stadt Langenthal, die sich selbst gerne als Metropole im Oberaargau sieht, mit gemischten Gefühlen begegnen, sagte Müller. Alle offiziellen Kulturinstitutionen, das Gymnasium, die Berufsschule und weitere wichtige Institutionen sind in Langenthal vereint. «Ds Gäud fliesst wie d Langete geng bis nach Langetu abe u dert fische sies use», hörte ich schon Stimmen aus dem Langetental, so der Stadtpräsident. «Aber ich vermute, es hat noch andere Gründe, ausser dass die Stadt etwas grösser als die umliegenden Orte ist. Es hat mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun, das wir hier alle in der Region in uns tragen. Uns fehlt es weitgehend an der Identität, was der Oberaargau ist oder wer die Oberaargauerinnen und Oberaargauer sind», betonte Reto Müller, und Huttwil sei da geradezu das Paradebeispiel: ««Mal habt ihr zum Wahlkreis Emmental gehört, dann wurdet ihr dem Oberaargau zugeordnet. Seid ihr jetzt lieber Emmentaler oder doch stolze Oberaargauer?», fragte er das Publikum auf dem Brunnenplatz.
Welches ist unsere Identität?
Doch Stolz und Oberaargau passe nicht wirklich zur Bescheidenheit, die sich in der Region unverständlicherweise oft finden lasse, nach dem Motto: «Wir sind doch nichts Spezielles.» Reto Müller fragte: «Was ist unsere Identität? Was zeichnet uns aus? Wenn wir näher zu uns finden, zu unseren Stärken und auch die Schwächen akzeptieren können, werden wir auch bewusster und selbstbewusster auftreten. Gegen jede andere Stadt, Region oder auch gegenüber dem Kanton oder den angrenzenden Kantonen.» Mit kurzweiligen Ausführungen wusste der Stadtpräsident sein Amt und dasjenige von Walter Rohrbach in Huttwil zu beleuchten. Mit Blick auf die Statistik wurde die Vielfältigkeit von Langenthal bewusst.
So leben Menschen aus 94 verschiedenen Nationen dort und jede fünfte Person ist nicht, oder noch nicht, Schweizer oder Schweizerin. Aber das Zusammenleben funktioniert meist ohne Probleme. «Das finde ich nebst allem Föderalismus, nebst aller Mehrsprachigkeit, nebst persönlichen Differenzen oder verschiedenen Lebensweisen auch sehr erstaunlich. Menschen beklagen sich und regen sich über verschiedene Dinge auf. Es ist mein Job und auch der von Walter Rohrbach, diese Klagen aufzunehmen und ernst zu nehmen. Auch an der Kritik zu erkennen, welche berechtigt und welche eher irrelevant ist», sagte Reto Müller. Er erinnerte daran, was in der schönen Schweiz und im schönen Huttwil alles vorhanden ist, so auch eine funktionierende Gemeinschaft.
«Veränderungen zum Guten»
«Es gibt aber eine deutliche Dissonanz zwischen dem komfortablen Leben, das wir eigentlich führen, und den Dingen, die ausserhalb dieser geschützten Blase passieren, so dass es uns oftmals gar nicht mehr auffällt, wie gut es uns eigentlich geht. Es ging uns nie besser als heute. Vor 100 Jahren war die Schweiz und insbesondere auch der Oberaargau schrecklich arm, wir waren ein Auswandererland. Unseren Vor-Generationen ist es gelungen, die Schweiz zu entwickeln. Mit Stärke, mit Arbeit und Identität. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass wir eine gute Zukunft vor uns haben, trotz allem was auch kommen mag. Ich habe ja schon erwähnt, Optimist zu sein und es trotz meiner politischen Ämter bleiben zu wollen», so Reto Müller. Und er führte weiter aus: «Ich bin überzeugt, dass jede und jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen muss und auch beitragen will, Wohlstand und Sicherheit für die Zukunft zu erhalten. Wir haben heute so viele Möglichkeiten so viel zu verändern, ebenfalls wie noch nie zuvor. Auch dank der Digitalisierung. Veränderung zum Guten ist das Stichwort. Dabei ist es wichtig, dass man sich nicht zum Ziel setzt, alles verändern zu müssen. Dann hat man von vornherein verloren. Wichtig ist, dass man das Menschenmögliche versucht, sein direktes Umfeld zu gestalten. Nachhaltig, sicher, friedlich, sozial, familiär, innovativ und tragfähig. Das ist alles, was ich von unserer Gesellschaft in der modernen Schweiz erwarte und auch direkt von ‹meinem› Volk in Langenthal will. Wenn wir im Oberaargau zu einer geeinten Identität kommen und das Konkurrenzdenken aussen vor lassen, dann werden wir unsere Zukunft positiv und gestärkt gestalten können. Lassen wir uns weder klein denken noch klein reden. Reden miteinander statt übereinander. Und leisten wir alle unseren wichtigen Beitrag im Alltag für ein noch besseres Mit- und Füreinander in dieser Schweiz und in unseren Gemeinden.»
Brunch auf dem Brunnenplatz
Für die musikalische Umrahmung der Feier sorgte die Stadtmusik Huttwil. Sie spielte zum Gesang der Anwesenden die Nationalhymne, wusste aber ebenso gekonnt den «Sichlete Walzer» oder «Dr Ämmitaler» zu interpretieren. Der Jodlerklub Schwarzenbach verzichtete infolge eines Todesfalles auf den angekündigten Auftritt. Vor dem offiziellen Festakt genossen die Besucher einen feinen Bruch an wunderschön dekorierten Tischen.
Von Barbara Heiniger