Ruth Kühni verformt Ton und Schrift
Bereits auf den ersten Blick ist sichtbar, wie kreativ sich Ruth Kühni in ihrem Zuhause im Wasen auslebt. Im und ums Haus kommt das künstlerische Schaffen der zweifachen Mutter mit Ton und Schrift in jeder Ecke zum Vorschein – So zaubert in der Nähe des Eingangbereichs ein aufgemalter Schriftzug auf ein Fenster ein schönes Ambiente, und vor dem Eingang hält eine für sie ganz besondere Tierfigur aus Ton die Stellung.
Emmental · «Verformbar», so heisst die Webseite von Ruth Kühni, auf der sie ihr kreatives Schaffen zeigt. Der Name «verformbar» steht für die Form und die Farbe: Denn sowohl beim Töpfern als auch beim Handlettering, wo man Buchstaben zeichnet und Kompositionen macht, muss beides miteinander harmonieren. Ruth Kühni übt beide Hobbys aus Freude aus – und nicht, weil sie muss. So ist sie bei ihren Arbeiten frei und kann nach Lust und Laune neue Kreationen schaffen.
Die Schrift als Faszination
Ursprünglich wollte Ruth Kühni Schaufensterdekorateurin im Loeb in Bern werden. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen lernte sie im Detailhandel und besuchte einige Kalligraphie-Kurse an der Schule für Gestaltung. Als vor rund 5 Jahren das «Handlettering» aufkam, hat sie diesen neuen Trend für sich entdeckt, die Grundkenntnisse aus der gelernten Kalligraphie kamen ihr dabei sehr zugute. «Ich kreiere am liebsten Schriftzüge, ohne dabei immer ein Resultat haben zu müssen», gesteht Ruth Kühni. So schreibe sie oft für sich, probiere immer wieder gerne neue Sachen aus und lasse Raum für neue Inspiration – ohne dabei nur auf eines fokussiert zu sein. Die Ideen kommen meist aus Büchern, dem Internet oder von Kursen, die sie selbst belegt, um eben am «Stift zu bleiben». So lerne auch sie immer wieder dazu. Aktuell bereitet Ruth Kühni ihre Weihnachtskurse vor, insbesondere möchte sie mit den Kursteilnehmenden auf Kerzen schreiben. Und nicht nur Kerzen, sondern auch schon alte Gegenständen, Fenster, Holz oder unzählige Waldsägen hat sie mit ihrer schönen Handschrift versehen.
«Eine Frau brachte mir zum Bespiel einmal sogar alte Echtleder-Reitstiefel aus der Brocki mit der Bitte, sie für ein Geschenk zu verschönern», freut sie sich. Ruth Kühni war schon immer von der Kunst des Schreibens fasziniert: «Während der Schulzeit gestaltete ich am liebsten die Titelblätter, dabei faszinierte mich die Schrift schon immer», schwärmt Ruth Kühni. Weil sie in der Schule diejenige war, die am schönsten schrieb, durfte sie sogar einmal einen Brief an die damalige Bundesrätin Elisabeth Kopp schreiben. «Die Komposition ist übrigens genau so wichtig wie das schöne
Schreiben», fügt sie weiter an.
Jeder, der Lust auf Schreiben hat, kann gleich mit einem Bleistift oder Stift auf Papier anfangen. Auch auf dem Ipad ist es möglich. Persönlich erfordert es nebst Geduld, Kreativität und Hartnäckigkeit auch Ausdauer. «Man muss es wirklich wollen und dafür bereit sein, zu üben», sagt Ruth Kühni. Wer die Routine dann hat und die Freude daran nicht verliert, ist auf dem richtigen Weg.
Schreibe so, wie du schreibst
«Wichtig beim Handlettering ist, dass jeder seine eigene Handschrift beibehält, ganz gleich, wie jemand schreibt. Für mich gibt es kein schön oder nicht schön in der Handschrift», betont Ruth Kühni, die aus 25-jähriger Erfahrung spricht und seit fünf Jahren selbst Kurse gibt. «An meinen Kursen ist es mir jeweils wichtig, meinen Teilnehmern beizubringen, dass sie noch so schön schreiben können, wenn die Komposition dabei nicht stimmt und nicht harmoniert, dann sieht das Ganze einfach nicht stimmig aus.»
Die Kurse, die durch Landfrauenvereine, Geschäfte oder Private organisiert werden, finden jeweils an zwei Abenden statt. Am ersten Abend werden die Basics und die Technik angeschaut. Die Teilnehmer lernen dabei die Falsche Kalligraphie, das Brushlettering (Schreiben mit einem Pinselstift) und lernen dabei verschiedene Schriftstile kennen. Im zweiten Teil folgen dann kleinere Projekte wie etwa Etiketten beschriften oder auf Holz zu malen. Wenn Ruth gerade nicht schreibt, arbeitet sie nebenbei im Sekretariat und ist Instruktorin im Forum Sumiswald – oder aber sie beschäftigt sich mit ihrem zweiten Hobby: dem Töpfern.
Der besondere Keramikvogel
Im Garten sind einige Keramikvögel platziert, fast alle sind von Ruth Kühnis Händen geformt. Davon steht ein ganz besonderer Vogel beim Eingangsbereich: «Als meine zwei Kinder grös-ser wurden, hatte ich bei einer Frau, die im Altersheim töpferte, einen eintägigen Kurs gemacht. Dabei ist dieser Vogel hier entstanden. Das ist nun 15 Jahre her», erzählt Ruth Kühni. Zuvor war das Töpfern für Ruth Kühni Neuland und ein «learning by doing». Seit 15 Jahren beschäftigt sie sich nun intensiv mit dem Modellieren von Ton und ist immer wieder aufs Neue überrascht, was sich aus Erde alles formen lässt. «Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt», staunt sie selbst.
So war ihre grösste Herausforderung eine Figur in der Grösse von rund 4o Zentimetern. Ruth Kühni setzt sich an den Tisch und zeigt in ihrem eingerichteten Zimmer ihre verschiedenen Kreationen. War ihr Fokus einst mehr auf die Gartenkeramik gerichtet, sind es heute vorallem Geschirr und Dekorationen. Alles hat sie im Laufe der Zeit geformt – und es wird immer mehr. Dabei fällt auf, dass Ruth Kühnis Arbeiten in der Farbe eher unaufällig sind: «Ich bin ein Farbennerd», gesteht sie und sagt, dass sie vorallem mit schlichten Naturfarben wie weiss, schwarz, grau oder grün arbeite. Bei den beiden Kakteen, die ein Regalbrett weiter stehen, kommt aber dann auch Ruth Kühnis Experimentierfreude zum Vorschein: «Ich liebe es, Dinge auszuprobieren.»
Die Freude für das Töpfern entdeckt
Ihre Leidenschaft für das Töpfern sei nach und nach gewachsen und sie habe viele Kurse besucht – unter anderem einen bei den Landfrauen in Wyssachen, bei Christine Geering im Wasen oder weitere Keramiker-Kurse in der Umgebung. «Ich habe das Arbeiten mit Ton hauptsächlich dort kennengelernt und mir danach aber auch vieles anhand von Büchern oder dem Internet selbst beigebracht», sagt Ruth Kühni und stellt fest, dass sie in den Augen eines gelernten Keramiker wohl nicht alles nach Lehrbuch gemacht habe.
Doch viel wichtiger als die Technik zählt am Ende das Resultat – und dieses könne sich sehen lassen.
Dennoch gibt es einiges, was man beim Töpfern beachten muss. So ist das sorgfältige und präzise Arbeiten wichtig, weil sonst am Ende die Form nicht hält oder die Grösse nicht passt. «Mein am häufigsten benutzter Ton hat eine Schwindung von 11 Prozent», sagt Ruth Kühni und erklärt, dass sie diese Verringerung des Volumens jeweils einberechnen müsse, «sonst ist das Resultat nach dem Gang in den Ofen um ein paar Zentimeter zu klein.» Ruth Kühni arbeitet nicht auf der Töpferscheibe, sie schneidet Klumpen ab und arbeitet mit der Aufbautechnik oder der Daumendrucktechnik.
Sie streicht den Ton solange glatt, bis ihr das Resultat gefällt. «Auch schon nach sechs Stunden Arbeit habe ich das Ganze wieder über den Haufen geworfen und neu begonnen», erzählt Ruth und betont, dass die Arbeit mit dem Ton ebenso viel Geduld erfordert wie das Schreiben. Doch davon hat Ruth Kühni zum Glück genug: «Ich bin extrem geduldig.» Vor ihr liegt ein geformter Brottopf. «Dies ist mein dritter Versuch», schmunzelt sie. Doch war der erste Versuch nicht umsonst, gab es doch am Ende für die Kollegin eine gelungene Früchteschale. Sobald der Brottopf geformt ist, muss er ein paar Tage trocknen. Danach kommt die Glasur drauf, um sie dann im Hochbrand bei 1250° einzubrennen, damit das Ganze auch frostfest, wasserdicht und spülmaschinenfest wird.
Kreationen für Magazin und Buch
Ihr Blick schweift auf ein Magazin mit Kochrezepten. «Hierfür durfte ich einen Honiglöffel und passendes Geschirr für eine Fotostrecke kreieren», schwärmt sie und sagt, dass dies schliesslich der ausschlaggebende Grund dafür war, weshalb sie angefangen habe, für sich eigenes Geschirr zu töpfern. «In meiner Küche steht in einem Regal schon einiges», lächelt sie, «und es wird immer mehr.» Am schwierigsten findet Ruth Kühni die Herstellung von Tellern und Platten, da sich diese beim Trocknungsprozess stark wölben können. Diese trocknet sie sehr langsam und kontrolliert unter einem Plastik, oft dreht sie die Stücke alle paar Tage einmal um. Unterdessen nimmt sie ein grosses Buch in die Hand, darauf steht: ‹Gong Fu Cha – Tee als Handwerkskunst und das bewusste Geniessen›. «Alle Kreationen im Rezeptteil des Buches, vom Becher über den Teller, sind von mir getöpfert worden», sagt sie zufrieden und man merkt, welch ein Herzensprojekt es für sie war.
Mit ihren Kreationen aus Ton und Schrift ist sie jeweils auch an Hobby- Austellungen in der Umgebung anzutreffen.
Von Chantal Bigler