«SCH sollte den Kopf nicht in den Sand stecken»
Der 31-jährige Huttwiler Marco Schneider ist leidenschaftlicher Schiedsrichter. Der grosse YB-Fan spricht im Interview über seine Tätigkeit und blickt auf die am Osterwochenende beginnende Rückrunde im Regionalfussball.
Fussball · Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Marco Schneider, Schiedsrichter SC Huttwil
Marco Schneider, als riesengrosser YB-Fan verfolgen Sie auch den Regionalsport mit grossem Interesse. Insbesondere den Fussball und das Eishockey. Wieso ist das so?
Den Fussball habe ich natürlich von meinem Vater Roland – er war früher während vielen Jahren SCH-Torhüter im Fanionteam – in die Wiege gelegt bekommen. So bin ich im Fussball automatisch reingerutscht. Das Eishockey, welches ich nie selber aktiv ausgeübt habe, hat mich einfach immer interessiert.
Als Fussballer des SC Huttwil blicken Sie nur auf eine kurze Aktiv-Laufbahn zurück. Was bewog Sie dazu, ins Schiedsrichterwesen zu wechseln?
Ich habe mich beim SC Huttwil als Spielleiter im Kinderfussball engagiert. Das hat mir sehr gut gefallen. So habe ich 2009 den Schiedsrichterkurs gemacht. Seit 2012 bin ich nur noch als Schiedsrichter unterwegs, weil beides zeitlich nicht mehr möglich war. Bis dahin habe ich als Spieler die Nachwuchsstufen des SC Huttwil absolviert. Als Goalie natürlich. Bei den Aktiven in der 3. Liga kam ich am Ende meiner Aktivlaufbahn nur zu wenigen Einsätzen.
Wie steht es mit Ihrer Karriere als Schiedsrichter in den höheren Fussballligen der Schweiz?
Im Sommer geht meine fünfjährige – respektive wegen der Coronapause sogar sechsjährige – Amtszeit als Schiedsrichter in der 2. Liga interregional zu Ende. Es war eine tolle Zeit mit ungefähr zwei Partien pro Monat. Ich werde sicher weiterhin als Schiedsrichter im Einsatz sein, wenn es meine Gesundheit erlaubt. Ich hatte zuletzt Rückenprobleme, welche ich in den Griff kriegen muss, um beschwerdefrei den Schirijob ausüben zu können. Gelingt mir dies – ich muss auch einen Konditest bestehen, um weiterhin Spiele leiten zu können –, werde ich in der nächsten Saison in der 2. Liga regional tätig sein.
Sie träumten einmal davon, als Schiedsrichterassistent in der Super League zum Einsatz zu kommen.
Ich war auf einem guten Weg, stand kurz vor Einsätzen in der Promotion League, als ich mich 2016 im letzten Spiel am Knie verletzte, im gleichen Jahr erstmals Vater wurde und dazumal auch noch den Job verlor. All diese Punkte und ein halbes Jahr Zwangspause führten dazu, dass ich mich entschloss, diesen Weg als Schiedsrichterassistent im Spitzenfussball nicht mehr weiter zu gehen. Meine Laufbahn ging danach als Schiedsrichter in der 2. Liga interregional weiter.
Die Verletzung 2016 beinhaltet eine spezielle Geschichte.
Ganz genau. Ich verletzte mich Ende Oktober beim 1. Liga-Spiel zwischen Lancy und der U21 von YB. In diesem Spiel kehrte – nach einer sehr langen Verletzung – Loris Benito ins U21-Team von YB zurück. Genau dieser Loris Benito ist mit seiner tollen Art seit langem mein absoluter Topshot bei YB.
Blicken wir gemeinsam auf die bevorstehende Rückrunde im Regionalfussball. Der SV Sumiswald wird die Zugehörigkeit zur 3. Liga schaffen, nicht wahr?
Für mich ist es ganz klar, dass der SVS die Liga halten wird. Ich habe früher auch schon mit Sumiswald zusammen Fussball gespielt. Es handelt sich um einen gut aufgestellten Verein mit guten Leuten an der Spitze.
Ein Wort zum unermüdlichen SVS-Trainer Erwin Aeschlimann.
Ich bin erstaunt, dass er immer noch so aktiv dabei ist. Die Zeit hat sich gewandelt – auch im Regionalfussball. Nur wer mit dem nötigen Elan dabei ist, kann heute einen Trainerjob noch ausüben. «Winu» hat diesen Elan nach so vielen Jahren immer noch.
Was glauben Sie, ist im Aufstiegskampf in der Gruppe 5 der 4. Liga bereits eine Entscheidung gefallen?
Der Vorsprung von YF United gegenüber dem SC Huttwil ist gross. Trotzdem sollte der SCH den Kopf nicht in den Sand stecken. Er muss seine eigenen Aufgaben erledigen und vor allem die Direktbegegnung siegreich gestalten. Sollte die Konkurrenz dann etwas ins Trudeln geraten, könnte sich – wider Erwarten – eine Chance bieten.
YF United Huttwil liegt mit sieben Punkten voraus, wird sich die Butter kaum mehr vom Brot nehmen lassen und nur eine Saison nach dem Abstieg wieder in die 3. Liga zurückkehren. Was meinen Sie zum souveränen YF-Auftritt im Herbst?
Ich habe YF im letzten Rückrunden-Vorbereitungsspiel gegen Kirchberg am vergangenen Samstag gepfiffen. Das Team ist defensiv extrem stabil, kassiert kaum Tore. Offensiv gibt es noch Luft nach oben. Allerdings waren die Verhältnisse im Testspiel auch sehr schwierig. Wenn die YF-Spieler dem Druck stand halten, werden sie den Aufstieg in die 3. Liga schaffen.
Über die beiden Huttwiler Fussballvereine SC Huttwil und YF United Huttwil wurde schon so viel gesprochen und geschrieben. Wie denken Sie über diese Geschichte?
Wie damals alles abgelaufen ist, geht sicher nicht in Ordnung. Allerdings bin ich der Meinung, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht worden sind. Und was die Brüder Elias und Marius Aerni in der Folge mit den Young Fellows United Huttwil auf die Beine gestellt haben, verdient Respekt.
Wäre es nicht sinnvoll, wenn die beiden Vereine die Kräfte vereinen würden, um einen einzigen schlagkräftigen Huttwiler Fussballverein mit Strahlkraft nach aussen zu formen?
Das wäre absolut sinnvoll. Aber ich vergleiche es mit der Eishockeysituation in der Region. Obwohl eine Zusammenarbeit zwischen dem SC Langenthal und Hockey Huttwil dem Regionaleishockey am meisten dienen würde, ist sie undenkbar. Gleich verhält es sich mit dem Huttwiler Fussball. Vor 15 Jahren spielte der SC Huttwil noch in der 3. Liga vorne mit. Davon sind wir heute meilenweit entfernt.
Eigentlich ist es traurig. In einer Stadt der Grösse von Huttwil wird nur 4. Liga-Fussball gespielt. In der 16 km entfernten Gemeinde Schötz – bevölkerungstechnisch in etwa gleich gross wie Huttwil – hingegen wird 1. Liga-Fussball gespielt. Warum ist dies so?
Die finanziellen Möglichkeiten spielen eine grosse Rolle. Diese dürften in Schötz gegeben sein. Weiter ist das sportliche Angebot in Huttwil einfach sehr gross. Es gibt nicht einfach den SC Huttwil und der ist die grosse Nummer – wie in Schötz der FC.
Sprechen wir noch über den SC Huttwil. Trainer Markus Meer setzt auf viele junge Fussballer, baut an der Zukunft des SC Huttwil. Er schaut jetzt, dass der SCH in einigen Jahren gut dasteht. Wie finden Sie dies?
Diesen Weg begrüsse ich sehr. Huttwil verfügt jetzt beispielsweise über eine Junioren C-Mannschaft, die in der höchsten Liga mitspielt. Es ist wichtig, auf die Spieler der nächsten Generation zu setzen. Dies sichert auch das Fortbestehen des Sportclubs. Dieser Prozess benötigt aber auch viel Zeit. Die Krux bei der Sache: Diese ist, was die Rückkehr in die 3. Liga betrifft, nicht vorhanden.
Aktuell sieht es so aus, als ob der SC Huttwil zum dritten Mal in Serie die Rückkehr in die 3. Liga verpasst. Was hätte eine weitere 4. Liga-Saison für Konsequenzen?
Ich sehe zu wenig ins Team hinein. Es ist aber klar, dass das Coaching-Team und die Spieler motiviert sind, höher oben zu spielen. Spieler und Trainer müssten bei einem weiteren Nichtaufstieg bei der Stange gehalten werden, damit ein weiterer SCH-Versuch mit einem sportlich ambitionierten Kader möglich wird. Wichtig ist dann auch die Einstellung, wie ein gemeinsames Ziel verfolgt wird. Diese hat sich in den letzten Jahren ein bisschen verändert. Früher war es beispielsweise undenkbar, dass Spieler während der Saison in die Ferien verreisen.
Sie sind ein grosser YB-Fan. In einem Wettbewerb haben Sie für die Gemeinde Huttwil 1000 Gratis-Tickets für ein YB-Heimspiel gewonnen. Wie sieht Ihr Fazit dieser Ticket-Aktion von Ende Januar aus?
Diese Aktion hat meiner Frau und mir viel Arbeit gebracht. Diese tätigten wir aber gerne, weil das Erlebnis toll war. Wir reisten mit drei vollen Cars an die YB-Partie. Natürlich war der Termin für ein Fussballspiel – ein Dienstagabend im Januar um 20.30 Uhr – nicht ideal. Darum haben wir auch nicht alle 1000 Gratistickets verteilen können. Gleichwohl war es toll. Und YB ist für mich eine Herzensangelegenheit.
Auch das Eishockey interessiert Sie. Als ehemaliger Fanclub-Präsident der Huttwil Falcons dürfte Sie das Geschehen bei Hockey Huttwil immer noch interessieren.
Nicht mehr gleich intensiv wie früher. Aber ich schaue mir pro Saison immer noch drei, vier Spiele vor Ort an.
Wie sind Sie mit der Saison 2023/24 von Hockey Huttwil zufrieden?
Die Quali auf dem 2. Rang war sehr gut. In den Playoff-Halbfinal-Spielen gegen ein sehr willenstarkes Seewen hat «Huttu» in den entscheidenden Momenten ein paar Fehler zuviel gemacht. Wie sich jetzt im Playoff-Final gegen Chur gezeigt hat, ist Huttwil wohl gegen das stärkste Team der «MyHockey League» ausgeschieden.
Gehört Hockey Huttwil in die Swiss League (NLB)?
2011 hätte ich auf diese Frage mit Ja geantwortet. Heute sage ich Nein. Die Swiss League ist eine ganz schwierige Liga. Du brauchst extrem viel Geld und musst trotzdem schauen, dass du überlebst. Das passt nicht zu Huttwil. Hockey Huttwil ist in der MyHockey League genau richtig.
Fürchten Sie sich davor, dass bald zum zweiten Mal – und dann voraussichtlich endgültig – der Eissport in Huttwil verschwindet?
Ganz klar: Nein. Diesmal wird das Ganze auf die positive Seite gedreht. Die Leute haben gesehen, wie traurig es war, als die Anlage über Jahre still stand. Und sie sehen jetzt, wie wieder Leben in den Campus eingekehrt ist, seit der Eissport wieder stattfindet. Es werden sich genügend Leute dafür einsetzen, dass der Supergau verhindert wird. Ansonsten wäre ich sehr enttäuscht.