• Nicole Heimgarten beobachtet eine Raupe in ihrem Garten, wo sie bis zu 8000 Schmetterlinge pro Jahr aufzog. · Bild: Thomas Peter

  • Schwalbenschwanz. · Bild: Thomas Peter

  • Kleiner Fuchs. · Bild: zvg

  • Zitronenfalter an Malve. · Bild: zvg

  • Tagpfauenauge an koreanischer Minze. · Bild: zvg

  • Brauner Bär. · Bild: zvg

  • Schwalbenschwanzraupen. · Bild: zvg

  • Schwalbenschwanzpuppe kurz vor dem Schlupf des Schmetterlings. · Bild: zvg

  • Die frisch geschlüpften Schwalbenschwänze tanken an der Sonne, bevor sie wegfliegen. · Bild: zvg

  • Magerbeet in Wanne, im Hintergrund ein Insektenhotel. In den letzten zwölf Jahren hat Nicole Heimgartner viel Lebensraum für Insekten geschaffen. · Bild: zvg

  • Nicole Heimgarten hat eigens einen Naturgarten für die Schmetterlinge angelegt. Nun muss ihre Familie bis spätestens Ende 2023 Haus und Garten in Gondiswil verlassen. · Bild: zvg

27.01.2022
Oberaargau

«Schmetterlings-Familie» sucht neues Daheim

Die Natur- und Schmetterlingsfreundin Nicole Heimgartner wohnt mit ihrer Familie seit zwölf Jahren in einem alten Bauernhaus in Gondiswil. Im Naturgarten, den sie aufgebaut hat, sammelte sie Tausende von Raupen ein und liess sie später als Schmetterlinge fliegen. Nun hat der Traum leider ein Ende: Familie Heimgartner muss ausziehen und sucht eine Möglichkeit zur Fortsetzung.

Gondiswil · Begonnen hat die Naturbegeisterung von Nicole Heimgartner mit zwei Raupen. An ihrem früheren Wohnort in Heimisbach sah sie auf dem Kompost der Nachbarin zwei dicke fette Raupen, die sich am Rüeblikraut gütlich taten. Sie fürchtete, sie würden mit Gartenabfall zugedeckt und rettete sie davor. «Ich kannte die Art nicht, musste zuerst recherchieren und fand so heraus, dass es Raupen des Schwalbenschwanz-Falters waren. Ich steckte sie zusammen mit etwas Kraut in ein Glas und stellte dieses aufs Fensterbrett. Die Tierchen haben sich dann schon bald verpuppt. Im gleichen Herbst zogen wir nach Gondiswil und die Raupen zügelten mit. Ich stellte sie wieder aufs Fensterbrett und im Frühling schlüpften daraus zwei wunderschöne Schmetterlinge. Da hat es mir so richtig den «Ärmel hineingenommen», erzählt die Schmetterlingsfreundin.

Der Garten belebte sich
Seit zwölf Jahren wohnt sie nun mit ihrem Mann und den drei Kindern zur Miete in einem alten Bauernhaus in Gondiswil, zu dem auch ein Garten gehört. Dieser wurde ihr Aktionsfeld. Sie baute ihn Schritt für Schritt zu einem Naturgarten um. So bot er vielen Schmetterlingen und anderen Tieren eine Heimat. Sie achtete darauf, nur einheimische Pflanzen zu setzen. Vieles wurde ausprobiert und manchmal auch wieder Pflanzen entfernt, die bei den Raupen nicht Anklang fanden. «Ich musste herausfinden, welche Futterpflanzen die verschiedenen Raupenarten benötigten. Ich orientierte mich in Büchern und auch sehr viel durch Beobachtung», sagt die Naturfreundin. Und berichtet nicht ohne Stolz: «Wir durften uns an immer mehr Schmetterlingen freuen. Es tauchten auch immer mehr Arten auf, sogar seltene Arten wie der Malvendickkopffalter, der auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht.»
Nicole Heimgartner begann dann, die Raupen in Behältern, die mit Netzen verschlossen wurden, zu füttern und aufzuziehen, bis sie sich verpuppten und später ausflogen. Es wurden immer mehr; die Anzahl steigerte sich bis zu 8000 Schmetterlingen pro Jahr, die sie freilassen konnte. «Dies machte ich ein paar Jahre so», berichtet sie. «Dann entschloss ich mich zu einem Experiment: Ich sammelte die Raupen von den Arten, die zahlreich vorkommen wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral nicht mehr ein, sondern liess sie auf den Pflanzen weiterleben. Ich wollte sehen, ob die Anzahl der Schmetterlinge stabil bleibt oder ob sie abnimmt – und sie blieb etwa gleich.» Und dies trotz der Tatsache, dass es in Heimgartners Garten viele Insekten hat und deswegen auch viele Vögel, die sich die Raupen gerne als Nahrung schnappen. Auf welchen Pflanzen findet man denn besonders viele Raupen? «Die drei meistgefragtesten Pflanzen sind Brennnessel, Weide und Eiche», sagt die Kennerin. «Aber man muss schon ein Auge dafür haben, um die Nester zu finden.»

Wissen weitergeben
Nicole Heimgartner hat auch Besucher empfangen in ihrem Garten und in Kursen ihr Wissen weitergegeben. Unter anderem im beliebten Kurs «Von der Raupe zum Schmetterling». Dabei war auch die Gartengestaltung immer ein wichtiges Thema. Die Natur näherbringen will sie auch den Kindern ihrer «Dusse Spielgruppe», die sich zwei Mal pro Woche trifft – im Sommer wie im Winter draussen. Manchmal wird der nahe gelegene Wald als Spielort aufgesucht. «Die Kinder können auch mithelfen bei der Betreuung der Raupen und miterleben, wie sie sich verpuppen und dann ausschlüpfen», sagt die 38-jährige Spielgruppenleiterin.
Sie machte ursprünglich eine vierjährige Lehre als Coiffeuse, fand dann aber, dies sei nicht ihre Zukunft und arbeitete unter anderem als Service-Angestellte und in einer Fabrik, wo sie auch Maschinenführerin lernte. Zusätzlich absolvierte sie das Kindergarten-Seminar. Heute engagiert sie sich ebenfalls als Tagesmutter.
Nicole Heimgartner ist sehr vielseitig tätig. Neben ihren anderen Aufgaben stellt sie gerne eigene Produkte wie Konfitüre und Sirup her, ebenso Salben und Tinkturen aus Blumen und Pflanzen. Ihre grösste Passion ist und bleibt jedoch der Naturgarten. Aber da gibt es jetzt ein grosses Problem: Familie Heimgartner hat von den Hausbesitzern die Kündigung erhalten und muss ausziehen. «Das war ein schwerer Schlag, damit habe ich nicht gerechnet», äussert sich Nicole Heimgartner. Den Garten musste sie bereits zurückbauen – also in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Auf ihrer Facebook-Seite «1000 und 1 Flügelschlag» berichtete sie darüber und konnte so viele Pflanzen an andere interessierte Gartenbesitzer weitervermitteln.  

Ein grosser Wunsch
Spätestens bis Ende 2023 muss Familie Heimgartner ausgezogen sein. Nun wäre es ihr grosser Wunsch, ein eigenes Haus zu kaufen. «Ein älteres, kleines Haus, gerne etwas ausserhalb. Wir stellen keine grossen Ansprüche, wir können ohne Komfort leben. Aber Umschwung sollte es haben, wo wieder ein Naturgarten aufgebaut werden könnte. Denn ohne Naturgarten möchte ich nicht leben, das ist mein Herzblut», gesteht Nicole Heimgartner.

 Gut zu wissen
Zur zusätzlichen Finanzierung wurde ein Crowdfunding eingerichtet: https:// wemakeit.com/projects/neuer-naturgarten.

Von Berty Anliker