Schon der erste Käser logierte in der «Arch»
An ihrer letzten ordentlichen Generalversammlung stimmten die zehn verbliebenen Mitglieder einer Auflösung der Käsereigenossenschaft Sumiswald-Dorf zu. Die Konsummilch-Sammelstelle bei der Dorfkäserei wurde bereits Ende Mai liquidiert. Jeder Milchproduzent musste nach einer individuellen Lösung suchen.
Sumiswald · Ganz am Anfang steht in den Statuten der 1881 gegründeten Käsereigenossenschaft Sumiswald-Dorf: «Sie besteht auf unbestimmte Zeit und bezweckt auf dem Weg der genossenschaftlichen Selbsthilfe die bestmögliche Verwertung der verfügbaren Milch durch Erstellung und Unterhalt einer zweckmässig eingerichteten Käserei.» Nach genau 135 Jahren ist damit nun endgültig Schluss. Nachdem bereits 1998 der letzte Emmentaler-Käse produziert wurde und das Gebäude danach zur Spezialitäten-Herstellung der Dorfkäserei AG übertragen wurde, beschlossen die zehn restlichen Mitglieder letzthin die Auflösung der Genossenschaft.
Vollzählige Präsenz
Präsident Peter Schärer (15 Amtsjahre) konnte im Restaurant zum Kreuz – wie vom Gesetz verlangt – alle zehn Mitglieder zur entscheidenden Generalversammlung der KG Sumiswald-Dorf begrüssen. Auf der zwölfteiligen Traktandenliste stand mit der Auflösung der Genossenschaft nämlich ein fundamentales Geschäft. Weil man bezüglich dem vereinbarten Nutzungs- und Wegrecht für die 1991 eingerichtete Konsummilch-Sammelstelle infolge Ausbauprojekt mit der Dorfkäserei AG bereits handelseinig wurde, war die beantragte Auflösung schliesslich nur noch Formsache.
Die noch aktiven Milchproduzenten und Gastlieferanten haben individuelle Lösungen gefunden, sei es Hofabfuhr oder Lieferung in die Sammelstelle Trachselwald.
Dank den Protokollen bleibt die bewegte Geschichte der KG Sumiswald-Dorf für die Nachwelt erhalten. So wurde etwa die Hütten-Commission anno 1881 beauftragt, für den ersten Käser ein vollständiges, anständiges Bett mit Feder- und Lischenmatratze zu beschaffen. Dieser hatte gegen billige Entschädigung Kost und Logis bei Nachbar Peter Widmer in der Arch zu nehmen. Ironie des Schicksals: Im gleichen Haus wohnt seit diesem Sommer auch der heutige Dorfkäserei-Geschäftsführer Niklaus Käser mit seiner Frau Vreni.
Ein goldiges Händchen bewiesen die Funktionäre 1911 mit der Wahl von Käser Fritz Stettler. Er diente der Genossenschaft während 46 Jahren als Milchkäufer. Mehr als vier Jahrzehnte (1907 bis 1949) lang versah ebenfalls Hüttenschreiber Alexander Schärer, Grosshaus, sein Amt. In den 1930er-Jahren hat ein Bauer zum wiederholten Male in «erheblich nachgeschossenes» Gras gegüllt. Der beigezogene Käserei-Inspektor empfahl nach einem Augenschein den Ausschluss des rückfälligen Querulanten. 1961 wurde die 80-jährige Käserei abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.
Zankapfel Schaukäserei
1980 rüttelte der Wirbel um die geplante Emmentaler Schaukäserei die Gemüter der Genossenschafter arg durcheinander. Zwischen Gegnern und Befürwortern entstand eine ungemütliche Missstimmung. «Die Weichen wurden bereits vor der wichtigen Hauptversammlung so straff und präzis gestellt, dass das Züglein keine Wahl mehr hatte und zur Talfahrt starten musste. Das Projekt Schaukäserei auf der Sumiswalder Kreuzmatte wurde am 30. Mai mit 22 Nein gegen 6 Ja jäh in den Abgrund gestürzt», schrieb Chronist Fritz Rutschi ein Jahr später zum 100-Jahr-Jubiläum. Weitere markante Meilensteine in der Genossenschaftshistorie waren die Wahl von Käsermeister Niklaus Käser (1984), die gemeinsame Milchannahme und -verwertung mit der benachbarten Genossenschaft Gammenthal (ab 1991), die Einstellung der Halbjahres-Emmentaler-Produktion (1998) sowie der Liegenschafts-Verkauf an die Dorfkäserei AG im Jahr 2000. Letztere erweitert zur Zeit für 2,3 Millionen Franken ihre Fabrikationsräume zur Herstellung von silofreien Spezialitäten.
Der aktuelle Strukturwandel in der Landwirtschaft tangiert logischerweise auch die nachgelagerten Bereiche. So existiert die Käsereigenossenschaft Sumiswald-Dorf, wie viele andere im Emmentaler-Ursprungsgebiet, künftig nur noch in den Annalen der Geschichtsbücher.
Von Ulrich Steiner