Schule und Wirtschaft spannen zusammen
Schulterschluss zwischen dem Oberstufenzentrum Langenthal und der regionalen Wirtschaft: Gemeinsam wird eine Plattform geschaffen, die zum Ziel hat, die Zusammenarbeit zwischen der Sek1 und der beruflichen Grundbildung zu optimieren, damit
die Schule künftig noch besser kompetenten Nachwuchs für die Wirtschaft heranbilden und die Wirtschaft gezielter erstklassige Berufsleute ausbilden kann.
Grossandrang im Neubau des Kompetenzzentrums für das Alter der Haslibrunnen AG in Langenthal. Eingeladen hatte das Oberstufenzentrum Langenthal (OZL). Gekommen sind zahlreiche Vertreter von regionalen Firmen. Bereits vor einem Jahr traf man sich ein erstes Mal zu einem Gedankenaustausch. Das grosse Interesse damals veranlasste das Oberstufenzentrum, einen Folgeanlass zu veranstalten und die damals geäusserten Ideen und Meinungen aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Das Ziel sei es nun, unter Einbezug von Fachpersonen eine gemeinsame Plattform zu schaffen, die eine Optimierung der Zusammenarbeit zwischen der Sek1 und der Beruflichen Grundbildung ermögliche, erläuterte Stefan Iseli, Leiter Fachbereich Berufswahl am OZL.
Jugendliche bringen einiges mit
Iseli machte den Anwesenden klar, dass die Ausgangslage für beide Seiten gleich sei: «Wir wollen kompetenten Nachwuchs für Wirtschaft, Gewerbe und Gesellschaft heranbilden und die Firmen wollen anschliessend kompetente Berufsleute ausbilden.» Deshalb gelte es, Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erkennen und zu definieren. Aus Sicht der Schule sei es zudem wichtig, sogenannte «sensitive Points» beim Übergang Schule-Beruf kennenzulernen, betonte Iseli weiter. Und die Vertreter der verschiedenen Firmen könnten mithelfen, schulische Defizite bei den Lernenden zu erkennen und zu deponieren. Iseli machte den Wirtschaftsvertretern aber auch klar, dass Ausbildungs- und Lehrpläne unantastbar seien, diese seien gegeben. «Aber, es bestehen Möglichkeiten, zur Einbettung von Lösungsansätzen und die Aufnahme von Ideen», bemerkte er. Er wies die Ausbilder darauf hin, dass die Jugendlichen Freude, Freundlichkeit und Empathie mitbringen würden, aber auch Grundfertigkeiten der Kommunikation (inklusive präsentieren und argumentieren) sowie Sachkompetenzen (nicht nur in Schulfächern). «Bisweilen besteht bei einigen aber auch ein gewisser Hang zur Selbstüberschätzung sowie eine falsche Interpretation von Freiräumen», erläutert der Fachbereichsleiter Berufswahl am OZL.
Oft die gleichen Berufswünsche
Deshalb benötigten die Jugendlichen laut Stefan Iseli ein Coaching durch Lehrpersonen und Eltern, eine klare menschliche Führung, die aufbauend, fair und konsequent sei. «Sie brauchen aber auch Berufsleute, die sich Zeit nehmen und Vorbilder sind.» Wichtig seien auch zielführende Rückmeldeprozesse, Zeit und Ruhe. Anschliessend kam er auf sogenannte «Sensitive Points» zu sprechen und wies darauf hin, dass die Berufswahlreife stark entwicklungsabhängig und deshalb kaum beeinflussbar sei. Dazu habe das Wissen der Eltern über das Schweizer Bildungssystem stark abgenommen, was auch mit dem Migrationshintergrund vieler Schüler zu tun habe. Erstaunlich sei auch, dass sich das Berufswahl-Interesse bei rund zehn Berufen einpendle. «Es gibt zwar eine grosse Auswahl an Berufen und trotzdem werden immer wieder die gleichen Berufswünsche geäussert», sagte Iseli.
Dazu gebe es diverse Herausforderungen für angehende Lernende, die es im letzten Schuljahr zu meistern gebe und bei denen auch die Lehrbetriebe eine entscheidende Rolle spielen würden. So erwähnte Stefan Iseli, dass ein vorzeitig unterzeichneter Lehrvertrag den Schüler nicht vom Lernauftrag im 9. Schuljahr entbinde. Diesbezüglich appellierte er an die Lehrbetriebe, sich Überlegungen zu machen, wie im Vor-/Anstellungsgespräch die Lernmotivation für den weiteren Schulbesuch aufrechterhalten werden könne. Als Stolperstein könne sich für einige Schülerinnen und Schüler
auch eine schriftliche Bewerbung für eine Schnupperlehre herausstellen, aufgrund sprachlicher / schriftlicher Defizite.
Auch stelle man in der Schule fest, dass Schüler oft sehr lange auf Rückmeldungen von Lehrbetrieben warten müssten und Absagen zum Teil unzureichend oder mit banalen Begründungen erfolgen würden. Co-Schulleiterin Petra Haslebacher stellte den Wirtschaftsvertretern anschliessend das «profiL9» vor. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler anhand ihrer Berufswünsche in die 9. Klasse eingeteilt. Hier werden in drei Ausrichtungen verschiedene Berufsfelder abgedeckt (Handwerk/Technik; Dienstleistung/Verwaltung sowie Gesundheit/Soziales). Während des Jahres werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, mit dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler gezielt auf ihren Berufswunsch vorzubereiten. «Alle Schülerinnen und Schüler werden so niveauunabhängig und gezielt auf die Zeit nach der obligatorischen Schulzeit vorbereitet», erläuterte Petra Haslebacher.
Was fällt Lernenden schwer?
Danach war die Reihe an den Vertretern aus Wirtschaft, Gewerbe und Industrie. Stefan Iseli forderte sie auf, mittels Workshop-Verfahren feststellbare Defizite im schulischen Stoff (Hardskills, thematische Defizite) im Verlaufe der ersten Lehrjahre aufzuführen, aber auch allgemein feststellbare Defizite zu notieren (Softskills, Haltung, Werte, Moral). «Wir wünschen von euch Inputs zur Frage: Was fällt ihren Lernenden seit Jahren zunehmend schwer?», forderte er die Anwesenden auf, aktiv zu werden. Aber auch Hinweise, was den Jugendlichen besser gelinge, seien erwünscht.
In einem nächsten Schritt würden die Posts von den Verantwortlichen des OZL zusammengefasst. Danach werde man sich mit den Inputs auseinandersetzen und diese auswerten. Daraus entstünden Erkenntnisse und Bedürfnisse, deren Einbettungsmöglichkeiten in den Lehrplan geprüft würden. Zum Schluss erfolge dann die Umsetzung durch die Schule gemäss Lehrplan 21. Doch damit soll die Geschichte nicht zu Ende sein, versicherte Stefan Iseli, der auch künftig an einem Austausch OZL-Berufliche Grundbildung festhalten möchte.
Von Walter Ryser