• Welche Bildung braucht unser Land künftig? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmenden der Wirtschaftslandsgemeinde Oberaargau in verschiedenen Workshops. · Bild: war

01.11.2019
Langenthal

Schulen rüsten sich für Bildungszukunft

Sind unsere Schulen für die digitale Zukunft und die damit verbundenen Erwartungen an den künftigen Bildungsstand der Schüler gerüstet? Diesen und weiteren Fragen im Zusammenhang mit der Berner Bildungszukunft gingen die Teilnehmer der Wirtschaftslandsgemeinde Oberaargau nach. Dabei zeigte sich, dass auf unser Bildungssystem grosse Herausforderungen zukommen.

Die Region Oberaargau und die Junge Wirtschaftskammer Oberaargau (JCI) luden Gemeinde-, Behörden, Wirtschafts- und Bildungsvertreter ein, im Rahmen der traditionellen Wirtschaftslandsgemeinde über das Thema Bildung im Oberaargau zu diskutieren. Ein Thema das bewegt, wie Daniel Arn, Präsident Kommission Volkswirtschaft Region Oberaargau, bei der Begrüssung in der Aula der Berufsfachschule Langenthal festhielt. Lehrplan 21, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Schulraumplanung, ICT-Strategie, Lehrermangel, Tagesschulen, Frühenglisch, einheitliche Schule, gemeinsame Beschaffung von Schulmaterial, lebenslanges Lernen und neue Berufsbilder seien da nur einige Stichworte, die im Zusammenhang mit der Bildungszukunft stünden, betonte Arn weiter. Dazu warf er die Frage auf, ob die Schulen für die künftigen Herausforderungen gerüstet seien und dazu auch die richtigen Inhalte vermitteln würden, welche im heutigen Arbeitsmarkt gefragt seien. «Wir müssen gewappnet sein, damit wir von der Digitalisierung nicht überrollt werden», hielt Arn fest.
Die Berner Regierungsrätin und Erziehungsdirektorin Christine Häsler, vierfache Mutter, wies bei ihrem In-
putreferat auf die WorldSkills hin, die im Herbst stattfanden und bei denen die Schweizer Delegation äusserst erfolgreich abschnitt. Man sei stolz auf die Leistungen der Berner Berufsleute, erwähnte sie. «Diese zeigen, welch tolle Arbeit in unseren Betrieben und Schulen geleistet wird.» Es sei eine Tatsache, dass bei den WorldSkills ganze 60 Nationen hinter der Schweiz klassiert gewesen seien und dass die Schweiz die beste europäische Nation gewesen sei. «Das sagt doch einiges über unser Bildungssystem aus», stellte sie mit Genugtuung fest.

Mit Werbekampagne gegen den Lehrermangel
Die Regierungsrätin führte den Teilnehmern der Wirtschaftslandsgemeinde aber auch vor Augen, dass man sich bewusst sein müsse, dass unser Bildungssystem weiterentwickelt werden müsse. Aktuell verändere sich in der Arbeitswelt vieles und dies relativ schnell. Der Regierungsrat setze sich mit einer Werbekampagne dafür ein, junge Menschen, aber auch Spätberufene für den Lehrerberuf zu gewinnen, um dem akuten Lehrermangel entgegenzuwirken. Die Bildung der Zukunft sei kompetenzorientiert, hielt sie weiter fest, so wie es der Lehrplan 21 vorsehe. Es gehe nicht mehr darum, Antworten auswendig zu lernen, sondern erlangtes Wissen anwenden zu können. «Schulabgänger müssen heute in der Lage sein, die richtigen Fragen zu stellen und Problemstellungen selbständig lösen zu können.» Dazu würden digitale Lehrmittel in Zukunft eine noch grössere Rolle spielen.
Christine Häsler gab aber auch unmissverständlich zu verstehen, dass kein Computer Menschen ersetzen könne. Beziehungen zwischen Lehrpersonen und Schülern/Lernenden blieben eine wichtige Grundlage im künftigen Bildungssystem. «Lehrpersonen waren für uns alle stets wichtig und prägend auf unserem Bildungsweg», stellte die Regierungsrätin fest. Sie seien auch künftig eine unverzichtbare Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.

Kanton muss Lead übernehmen
Danach begaben sich die Teilnehmer selbst in die Schulzimmer. Bei verschiedenen Workshops wurde über die Bildungszukunft debattiert und wurden Lösungsansätze erarbeitet. Dabei zeigte sich, dass gerade die Digitalisierung die Schulen vor riesige Herausforderungen stellt und zum Teil fast ein wenig überfordert.
Deshalb lautete auch eine Botschaft der Wirtschaftslandsgemeinde, dass der Kanton im Bereich der Digitalisierung der Volksschule den Lead übernehmen müsse, was Beschaffung und Einführung von digitalen Lehrmitteln anbelangt. Gefordert wurde auch die Einführung einer Ganztagesschule, weil künftig in vielen Familien beide Elternteile noch stärker beruflich belastet sein werden.
Die Schaffung eines ICT-Kompetenzcenter in der Region Oberaargau wurde angeregt und dabei die Frage aufgeworfen, weshalb es bis heute keine regionale IT-Strategie gebe. Die Erwartungen der Wirtschaft an die Schulabgänger und die Bereitschaft der Schulen, diese Erwartungen zu erfüllen, würden nach wie vor weit auseinanderklaffen, wurde in einem der Workshops festgestellt.
Als Grund für diese Differenz wurde angefügt, dass man das Gefühl habe, die Bereitschaft zum digitalen Wandel sei in etlichen Schulen noch immer äusserst gering. Ausreichende Sprachkompetenzen und der akute Lehrermangel bilden laut der Wirtschaftslandsgemeinde zwei Kernthemen mit hoher Priorität. Die Workshop-Teilnehmenden sehen hier als mögliche Lösungsansätze einerseits die Förderung von Quereinsteigern für den Lehrerberuf, die heute praktisch inexistent sei, und andererseits eine bedarfsgerechte Frühförderung von Kindern, was gemäss den Workshop-Teilnehmern eine wertvolle Investition für die Zukunft darstellt.

Von Walter Ryser