Schwingerkönig Kilian Wenger ist auch der König von Affoltern
Bernisch-Kantonales Schwingfest in Affoltern 2017 – Nach dem «Emmentalischen» 2009 in Affoltern gewinnt der Berner Oberländer Schwingerkönig Kilian Wenger auch das Bernisch-Kantonale Schwingfest in Affoltern. Nach überragenden fünf vorherigen Gängen kommt Schlussgangverlierer Christian Stucki aus Lyss auf das gleiche Punktetotal und wird Co-Festsieger. Philipp Gehrig und Matthias Aeschbacher heissen die beiden Kranzgewinner vom mitorganisierenden Schwingklub Sumiswald. Über 12 000 Schwingfans machen das Fest zum Spektakel.
Schwingen · Der Stern des damals 19-jährigen Oberländer Burschen ging beim Gewinn des «Emmentalischen» 2009 in Affoltern so richtig auf. Damals siegte der Schwingerkönig von 2010 vor den anderen beiden noch aktiven Berner Königen Matthias Glarner (2016) und Matthias Sempach (2013). Diese konnten am Sonntag nicht um den Sieg mitkämpfen. Glarner fehlte wegen seines Gondelunfalls und Sempach verletzte sich im zweiten Gang gegen den Kandersteger Curdin Orlik und gab das Fest im Hinblick auf das Unspunnen-Fest vorsichtshalber auf. So holte sich der 27-jährige Kilian Wenger auch 2017 den Festgewinn in Affoltern.
Erster Sieg über den Hünen
Allerdings waren ein Exploit und eine Premiere dazu notwendig. Sportlich geprägt hat das Fest nämlich der Seeländer Hüne Christian Stucki. Der 32-Jährige – 2009 in Affoltern im Rang 3b klassiert – gewann die ersten fünf Gänge im Schnellzugstempo. Alles deutete auf einen souveränen und all-einigen 37. Kranzfestsieg des 198 cm grossen und 142 kg schweren Lyssers hin. Just in diesem Moment schlug Wenger mit seiner Topform zu. Nach 1:50 Minuten der Endausmarchung konterte Wenger einen Angriff von Stucki mit einem Fussstich und Vollenden am Boden erfolgreich. Ein Raunen ging durch das Rund, als Wenger tatsächlich vollzog. «Ich bin zufrieden, dass es aufgegangen ist. Meine Taktik lautete volles Risiko», meinte Wenger zu seinem 19. Kranzfestsieg. Erstmals überhaupt hatte Wenger Stucki aufs Kreuz gelegt – nach 16 Niederlagen. «Es ist schön, in Affoltern erneut zu gewinnen.»
Sympathieträger siegt ebenfalls
Locker nahm es Stucki. «Ich wollte nicht eine Viertelstunde lang schwingen», meinte er mit seinem trockenen Humor. «Ich habe etwas versucht. Kilu hat den Sieg verdient.» Doch Stucki hatte keinen Grund zum Trübsalblasen, denn sein Vorsprung nach fünf Gängen war so gross, dass er sich nach der Schlussgang-Niederlage punktgleich mit Wenger als Co-Festsieger im Rang 1b ebenfalls feiern lassen konnte. Der kräftige Brummbär ist durch seine offene und faire Art zu einem Publikumsliebling gewachsen. Der erste Applaus auf den mit 12 240 Zuschauern rappelvollen fünf Tribünen der Arena direkt an der Hauptstrasse zwischen Häusernmoos und Weier galt allerdings Bundesrat Johann Schneider-Ammann, dem Ehrenbürger von Affoltern. Anschliessend waren es aber stets Wenger, der Mittelländer Willy Graber und eben vor allem der sanfte Sägemehl-Gladiator Stucki, welche die lautstarksten Publikumsbekundungen erhielten. «Chrigu» begeisterte mit seiner authentischen Art. Nach jedem Gang erfüllte er geduldig wie kein anderer die Autogrammwünsche der jungen Schwingsportfans. Und wenige Sekunden nach dem Schlussgang stand er wieder seinem Sohnemann Xavier zur Verfügung, der munter an Vaters Hose zupfte. «Mir ist völlig egal, ob Papa gewinnt oder nicht. Wenn er nur mit mir spielt», meinte der 4-Jährige mit dem Humor des Vaters.
Zwei Kränze nach Sumiswald
Im Feld der 139 Schwinger, welche sich für das «Kantonale» qualifizierten, waren 20 Schwinger aus dem Verteilgebiet des «Unter-Emmentaler» mit dabei. Etliche wussten zu gefallen. So lagen beispielsweise der Leimiswiler Simon Röthlisberger und der Rohrbacher Roger Aebi nach zwei Gängen an der Ranglistenspitze. Erwartungsgemäss sorgte aber Matthias Aeschbacher aus Rüegsauschachen am meisten für Furore. Dem 25-Jährigen vom Schwingklub Sumiswald lief es blendend. Nach fünf Gängen lag «Disu» mit Stucki und Wenger an der Ranglistenspitze. Die Nichtberücksichtigung für den Schlussgang und die Niederlage im letzten Gang gegen den Oberländer Simon Anderegg verhinderten den Kranzgewinn nicht. Punktgleich einen Rang besser klassierte sich Klubkollege Philipp Gehrig. «Unsere gemeinsamen Samstagstrainings vor einem Fest zahlten sich einmal mehr aus», lachte Aeschbacher. 21 Kränze wurden verteilt. Dank Gehrig und Aeschbacher gewann der mitorganisierende Schwingklub Sumiswald zwei davon.
«Eidgenossen» Schenk und Gehrig ohne Eichenlaub
«Ich bin etwas enttäuscht, dass es schon zum zweiten Mal knapp nicht zum Kranzgewinn gereicht hat, denn meine Form stimmt», meinte «Eidgenosse» Patrick Schenk aus Wasen (Rang 8b), der wie am «Oberländischen» den Kranz um das verflixte Viertelpunkt verfehlte. «Jetzt greife ich an den Bergfesten an, wobei dort der Kranzgewinn mindestens ebenso schwierig zu realisieren ist.» Dem zweiten regionalen Eidgenössischen Kranzgewinner von Estavayer-le-Lac, Damian Gehrig aus Wasen, fehlte eine Woche nach seinem Gewinn des Bernisch-Kantonalen Nationalturntages an gleicher Stätte das Wettkampfglück (Rang 13b), um gleich wie Philipp Gehrig und Matthias Aeschbacher das Affolterer Kranz-Double zu schaffen.
Familie im Gabentempel
Viertbester Regionaler wurde Florian Weyermann aus Lotzwil (Rang 9c). «Ich bedaure es, den Kranz verpasst zu haben. Aber irgendwie hatte die Niederlage im fünften Gang auch etwas Gutes. So konnte mein Kollege Fritz Ramseier aus Süderen den Kranz gewinnen, was ich ihm von Herzen gönne», äusserte der 24-jährige Sportsmann Weyermann. Im Rang 10c klassierte sich der 25-jährige Leimiswiler Simon Röthlisberger: «Ich konzentriere mich derzeit auf meine Ausbildung zum Technischen Kaufmann und schwinge nebenbei so oft, wie es möglich ist. So gesehen bin ich mit dem Erreichten zufrieden, obwohl zum Kranzgewinn nicht so viel fehlte.» Für Roman Sommer aus Wasen (24) war der Gang in den Gabentempel speziell. Mit Vater Hans-Rudolf, Mutter Hanni und Schwester Rebekka standen dort gleich drei Familienmitlieder als Helfer im Einsatz. Mit Rang 11a sei er absolut zufrieden und habe seine Ziele erreicht, meinte der Turnerschwinger. Auf den Rängen 11d und 11h rangierten zwei weitere Mitglieder des Schwingklubs Sumiswald mit der gleichen Punktzahl. Und zwar die 21-jährigen Zwillingsbrüder Gustav und Valentin Steffen, beides Söhne des OK-Vizepräsidenten Ueli Steffen. «Mich fuxt der vierte Gang. Marcel Wenger, den Bruder des Schwingerkönigs, hatte ich im Training im Griff. Ihn hätte ich bezwingen müssen. Ich muss noch konsequenter agieren und im Kraftbereich weiter hart an mir arbeiten», bilanzierte Gustav Steffen selbstkritisch. «Auf meinem Notenblatt prangen zehn Sterne. Darum bin ich mit dem Resultat zufrieden», meinte Bruder Valentin Steffen im Gegenzug.
Ein Dorf im Schwingfieber
Von den 21 Kränzen gingen 8 ins Oberland, 5 ins Emmental, je 2 ins Seeland und an die Gäste sowie je 1 ins Mittelland und in den Oberaargau. Das «Kantonale» in Affoltern war ein gros-ser Erfolg. Die erwarteten heftigen Gewitter blieben aus. «Das Schwingfieber ist in Affoltern ausgebrochen. Nur wenn das Vereinswesen lebt, ist es in einer Gemeinde mit 1150 Einwohnern möglich, einen solchen Grossanlass auf die Beine zu stellen», meinte OK-Präsident Roland Ryser treffend. Die 1330 Mithelfenden haben ein unvergessliches Sportfest ohne jegliche Zwischenfälle ermöglicht. Am Sonntagabend waren sich alle Beteiligten einig: Die Arbeit hat sich gelohnt.
Auszug aus der Schlussrangliste: 1.a Kilian Wenger, Horboden; 1.b Christian Stuck, Lyss, beide 58,25; 2.a Fritz Ramseier, Süderen; 2.b Simon Anderegg, Unterbach, beide 57,50; 3. Remo Käser, Alchenstorf, 57,25; 4.a Roger Erb, Metzerlen; 4.b Niklaus Zenger, Habkern; 4.c Domenic Schneider, Friltschen; 4.d Willy Graber, Bolligen; 4.e Christian Gerber, Röthenbach i.E.; 4.f Kilian von Weissenfluh, Hasliberg Hohfluh, alle 57,00; 5.c Philipp Gehrig, SK Sumiswald; 5.d Matthias Aeschbacher, Rüegsauschachen, beide 56,75; 8.b Patrick Schenk, Wasen i.E., 56,00; 9.c Florian Weyermann, Lotzwil, 55,75; 10.c Simon Röthlisberger, Leimiswil, 55,50; 11.a Roman Sommer, Wasen i.E., 11.d Gustav Steffen, SK Sumiswald; 11.h Valentin Steffen, SK Sumiswald, alle 55,25; 12.f René Berger, Rüegsauschachen, 55,00; 13.e Damian Gehrig, Wasen i.E., 54,75; 14. Lukas Jäggi, Gutenburg, 54,50; 15.d Martin Sommer, Wasen i.E., 54,25; 15.j Roger Aebi, Rohrbach, 54,25; 16.f Remo Schaad, SK Langenthal; 16.j Marcel Bremgartner, Thörigen; 16.m Marcel Walther, Huttwil; 16.o Konrad Steffen, SK Sumiswald, alle 54,00; 21.c Kilian Gehrig, Sumiswald, 52,75; 27.b Florian Röthlisberger, Melchnau, 52,50; 26.e Patrick Walther, Huttwil, 34,75.
Gesamtrangliste und Notenblätter: www.schwingfestaffoltern.ch
Von Stefan Leuenberger