Sein Leben ist eng mit Madiswil verbunden
Er ist mehr als nur ein Gemeindeschreiber; er gehört zum Herzstück von Madiswil: Andreas Hasler kann demnächst sein Dienstjubiläum für 25 Jahre feiern. Als geschätzter und zugänglicher Ansprechpartner für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hat er die Entwicklung der Gemeinde hautnah miterlebt, mit all seinen Höhen und Tiefen. Dabei machte er auch persönlich eine Krise durch.
Oberaargau · Das Jahrtausend begann für Andreas Hasler mit einer Aufgabe, die bis heute andauert: Seit dem 1. Januar 2000 arbeitet er als Gemeindeschreiber in Madiswil. Er befindet sich also im 25. Dienstjahr, und die Gemeindeversammlung am 11. Juni wird seine
50. in dieser Funktion sein. Damit dürfte er wohl einer der amtsältesten Gemeindeschreiber der Region sein.
Klappernde Schreibmaschinen
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich diente er der Gemeindeverwaltung sogar drei Jahre länger, denn von 1989 bis 1992 absolvierte er seine dreijährige Berufslehre als kaufmännischer Angestellter in Madiswil. Es war eine andere Epoche: Während seiner Lehrzeit hörte man in der Verwaltung noch das Klappern der Schreibmaschinen, das Kopiergerät stand im Dauereinsatz, die Kommunikation erfolgte hauptsächlich per Briefpost und es gab noch diverse Karteikarten. «In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich die Arbeitsweise, die Aufgaben und auch die Ansprüche der Leute stark verändert», sagt Andreas Hasler. «Es ist natürlich auch nicht mehr das gleiche Madiswil wie damals mit nur rund 1800 Einwohnern», fügt der 52-Jährige hinzu. Andreas Hasler betrachtet die heutige Grösse als optimal für das reibungslose Funktionieren einer Gemeinde. Er argumentiert, dass es in kleineren Gemeinden oft an spezialisierten Fachkräften mangelt. In grösseren Gemeinden hingegen neige der Verwaltungsapparat dazu, im Laufe der Zeit träge zu werden. «Eine Gemeinde mit rund 3000 bis 5000 Einwohnern, welche umfassend gute Dienstleistungen erbringt, ist aus meiner Sicht optimal», sagt er.
Mit Menschen kommunizieren
Für Andreas Hasler führte der Weg nach der Lehre zunächst ins Militär, erst nach Luzern und dann als höherer Unteroffizier (Fourier) nach Payerne. Beruflich landete er kurzzeitig als Stellvertreter der Gemeindeschreiberin bei der Gemeindeverwaltung in Reisiswil und ab 1994 für fünf Jahre als Sachbearbeiter in Aarwangen. Dort kümmerte er sich unter anderem um die Einwohner- und Fremdenkontrolle oder die Organisation von Abstimmungen. An der Berufsschule für Verwaltung in Bern besuchte er den Grundkurs und anschliessend den Spezialkurs für das Gemeindeschreiberdiplom. «Die Arbeit fasziniert mich, weil sie so breit angelegt ist. Bereits in der Schnupperlehre hat es mir gefallen, mit den Menschen zu kommunizieren und ihnen nach Möglichkeit weiterzuhelfen.» Als Jugendlicher hätten ihm auch Berufe wie Landschaftsgärtner oder Postbote zugesagt, vor allem, weil er gerne draussen ist. «Ich brauche die Bewegung, die im Büro eher zu kurz kommt. Deshalb gärtnere ich nun in meiner Freizeit gerne zu Hause oder auf dem Pflanzplätz im Längermoos, sammle Holz im Wald oder bin mit Haus und Umschwung beschäftigt.»
Velofahren, um abzuschalten
Eigentlich ist er froh, dass sein Arbeitsweg nur wenige hundert Meter beträgt. Doch dann fehlt ihm etwas die Distanz, um am Feierabend abzuschalten. Deshalb verlängert er manchmal den Heimweg und hängt eine Runde mit dem Fahrrad über die Hügel der Region an. «Es tut gut, zwischen Arbeitsplatz und Zuhause den Kopf noch etwas auslüften zu können.» Zu Hause erwarten ihn seine Frau Andrea, die aus der Nachbargemeinde Lotzwil stammt und die er 2013 geheiratet hat, sowie die beiden Kinder Fabio und Noelia im Alter von fünf und sieben Jahren.
Abgrenzung ist nicht immer einfach
Es ist jedoch nicht nur die mangelnde räumliche Distanz, die neben vielen positiven Seiten ihre Schattenseiten hat. Es kann auch belastend sein, in der eigenen Wohngemeinde als Gemeindeschreiber tätig zu sein. «Ich bin hier aufgewachsen, viele Freunde oder Bekannte leben hier, und die Abgrenzung zwischen meinem Privatleben und den Aufgaben als Gemeindeschreiber ist nicht immer einfach.» Zwar habe er mit den Einwohnerinnen und Einwohnern ein gutes Einvernehmen, doch es kommt immer wieder vor, dass er ausserhalb seiner Arbeitszeit mit verwaltungstechnischen Fragen konfrontiert wird. «Ich habe gelernt, damit umzugehen und auch mal deutlich zu machen, dass die meisten administrativen Probleme bis zum nächsten Arbeitstag warten können und ich mich dann darum kümmere. Mit dem fortschreitenden Alter sehe ich gewisse Dinge gelassener.» Diese Gelassenheit fehlte ihm zeitweise.
Persönliche Krise in Corona-Zeit
Vor einigen Jahren geriet er unvermittelt in eine persönliche Krise. «Die ganze Sache mit der Corona-Pandemie hat mich sehr belastet. All diese Unsicherheiten und Einschränkungen haben mir zu schaffen gemacht. Hinzu kam, dass ungefähr im gleichen Zeitraum praktisch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Gemeindeverwaltung gewechselt haben.» 2019 starteten durchweg neue Gemeinderäte in die nächste Legislaturperiode, was einen zusätzlichen Wandel bedeutete. «Es gab sehr viele offene Fragen, grossen Klärungsbedarf, und der Druck war enorm.» Der Ton einzelner Einwohnerinnen und Einwohner gegenüber der Verwaltung wurde ebenfalls rauer. «Es gibt Phasen, da laden die Leute ihren Frust bei uns ab, selbst wenn eine Sache gar nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt.» Man versuche dann, eine gute, einvernehmliche Lösung eines Problems zu finden, doch selbst das werde dann nicht akzeptiert. «Es macht mir besonders Mühe, wenn sogar meine Familie wegen meiner beruflichen Position leiden muss. Auch das ist schon passiert.» All diese Umstände und Belastungen lösten bei Andreas Hasler depressive Verstimmungen aus. «Ich war am Anschlag. Ich verlor die Freude und die Motivation, sei es bei der Arbeit oder auch in einem meiner wichtigsten Hobbies, der Musik.» Er trat als Aktiver der Musikgesellschaft Madiswil zurück. Das war für ihn ein Alarmzeichen, denn er spielte seit 34 Jahren Trompete, war neun Jahre Präsident der Musikgesellschaft, und er hatte immer Freude am gemeinsamen Musizieren. «Viele haben wohl bis heute nicht verstanden, warum ich damit aufgehört habe», sagt er. Da es ihn in dieser Phase stresste, unter vielen Leuten zu sein, war dieser Rücktritt für ihn zwingend. Spätestens zu diesem Zeitpunkt realisierte er, dass er sich in einer Lebenskrise befand und handeln musste. Er reduzierte einige Aktivitäten und übte sich in einer anderen, vielleicht etwas gelasseneren Sicht auf die Dinge. «Meine Frau Andrea hat mich auch in dieser schwierigen Zeit immer unterstützt, ohne diese Hilfe wäre es schwierig gewesen.»
Lebensfreude ist zurück
Es helfe ihm, dass das aktuelle Team auf der Gemeindeverwaltung gut harmoniere; die Zusammenarbeit sei toll. Er schätze zudem die flexibleren Arbeitszeiten und die angepassten Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung. Nach einem längeren Prozess, bei dem er keine externe Hilfe beanspruchte, fühlt sich Andreas Hasler heute wieder gesund. «Die Lebensfreude ist zurück, und ich kann mich wieder für verschiedene Dinge motivieren.» Auf die Frage, ob diese Erfahrung mit einem Burn-out in diesem Text erwähnt werden darf, zögert Andreas Hasler zuerst kurz. Es ist zwar eine Tatsache, dass die Mehrheit der Menschen zumindest einmal im Leben eine depressive Episode durchlebt haben und dass selbst Prominente vermehrt über ihre Depressionen sprechen. In den letzten Jahren wurde das Tabu immer mehr abgebaut. Trotzdem braucht es nach wie vor Mut, offen dazu zu stehen und sich damit verletzlich zu zeigen. Nach kurzem Bedenken sagt Andreas Hasler, dass er dies eigentlich nicht verheimlichen wolle und es vielleicht auch für andere hilfreich sei, wenn er darüber spreche.
«Macht ist gar nicht mein Ding»
Allgemein wäre es wünschenswert, wenn man nicht gleich verurteilt würde, wenn mal etwas nicht rund läuft oder ein Fehler passiert. «Ich wünschte mir manchmal gegenseitig etwas mehr Toleranz», sagt Andreas Hasler. Er biete im Namen der Einwohnergemeinde eine Dienstleistung an und versuche so gut wie möglich zu helfen. Dabei müsse sich auch ein Gemeindeschreiber an die kommunalen, kantonalen und nationalen Vorschriften und Gesetze halten – auch wenn das Ergebnis für die Leute manchmal schwer nachvollziehbar sei. Heute lache er lieber mal darüber, als sich verrückt zu machen. Letztendlich wolle er einfach, dass es den Menschen hier gut geht und dass sie zufrieden sind. Was meint er zum manchmal vorgebrachten Vorwurf, ein Gemeindeschreiber sei sozusagen ein achter Gemeinderat? «Macht ist gar nicht mein Ding. Ich versuche, in der Sachlage zu helfen und die Amtsinhaber rechtlich zu unterstützen», erklärt er. Seine Linie ist klar: «Bei rein politischen Fragen halte ich mich zurück; ich möchte den Gemeinderat nicht beeinflussen.» Andreas Hasler blickt auf eine lange und erfolgreiche Karriere zurück. Doch er ist noch immer mit Herzblut dabei, und sein Blick ist nach vorne gerichtet, bereit für die Herausforderungen der Zukunft. «Wenn ich gesund bleiben darf und wir auf der Verwaltung weiterhin so ein gutes Team sind, kann ich mir gut vorstellen, weitere Jahre Gemeindeschreiber von Madiswil zu bleiben», sagt er mit fester Überzeugung und fügt hinzu: «Sogar bis zur Pension. Ich fühle mich wohl hier, so wie es ist. Ich bin einfach durch und durch Madiswiler.»
Andreas Hasler privat
«Ich würde gerne einen Roman schreiben»
Andreas Hasler, von den meisten Bekannten einfach als «Res» bekannt, ist Gemeindeschreiber mit Herzblut und das Berufs- und Privatleben kann nicht immer ganz genau getrennt werden. Neben seiner Arbeit unternimmt er jedoch gerne Ausflüge und Aktivitäten mit seiner Familie oder verbringt Zeit mit seinen Kindern Noelia und Fabio. Neben dem Gärtnern und sportlichen Aktivitäten unterstützt er seine Frau Andrea unter anderem dabei, ihre Hühner- und Kaninchenbehausungen in Schuss zu halten. Auch seiner 90-jährigen Mutter hilft er bei Bedarf – sie wohnt praktischerweise im Stöckli nebenan. Res Hasler ist seit einiger Zeit auch als Imker aktiv und besucht dafür den entsprechenden Grundkurs. Aktuell betreut er zwei Bienenvölker. «Es ist ein spannendes Hobby, das aber sehr wetterabhängig ist», sagt er. Letztes Jahr konnte er etwa fünf Kilogramm Waldhonig ernten. Eine Leidenschaft von Res Hasler ist auch das Reisen: In den Jahren 2001 und 2008 zog es ihn für ein paar Wochen in den Westen der USA, im Jahr 2006 für sechs Monate nach Australien und Hawaii sowie im Jahr 2011 nach Florida. «Jährlich verreise ich jeweils für eine Woche zum Hochseeangeln nach Dänemark», schwärmt Res Hasler. Neben den anderen Aktivitäten muss diese Reiselust nun aber etwas hinten anstehen. Der Gemeindeschreiber hat jedoch auch noch andere Träume: «Gerne würde ich einmal noch einen Roman schreiben, dafür fehlt aber momentan definitiv die Zeit.» pbm
Von Patrick Bachmann