Seit 175 Jahren im Musikgeschäft
Sumiswald kann nicht nur auf die älteste Musikinstrumentenindustrie im Kanton Bern zurückblicken, sondern auch auf eine der ältesten Musikgesellschaften. Dieses Jahr feiert die Musikgesellschaft Sumiswald ihren 175. Geburtstag. 175 Jahre geprägt von unzähligen Musiktagen, ungezählten Konzerten und unzählbaren Proben. Dabei war neben der Musik im Besonderen auch immer das Gesellige ein wichtiger Aspekt. Am Samstag, 21. September, wird das Jubiläum mit viel Musik gefeiert.
Emmental · «Es ist ein weiterer Meilenstein in der langen Geschichte der Musikgesellschaft, bei dem die Identifikation mit dem Verein gefördert, das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und damit auch die Basis für einen erfolgreichen Fortbestand gelegt wird», sagt der Präsident Paul Grossenbacher auf das Jubiläum der Musikgesellschaft Sumiswald angesprochen. Gefeiert wird der hohe Geburtstag am Samstag, 21. September, in einem kleinen, aber würdigen Rahmen in der Aula Sumiswald. Dennoch gab und gibt es noch viel zu tun. «Das OK macht sehr gute Arbeit und wir sind im Schlussspurt», verrät er. Der schwierigste Teil sei dabei nicht etwa, das musikalische Programm auf die Beine zu stellen und die Musikstücke einzustudieren, sondern für den Festbetrieb genügend Helferinnen und Helfer zu finden. Paul Grossenbacher ist leidenschaftlicher Musiker, für ihn bedeutet, Musik zu machen, sehr viel. «Musik machen ist viel intensiver und eingängiger als Musik zu hören und zu geniessen, es lässt einem in das Geschehen eintauchen und vermittelt, wenn alles stimmt, ein gutes Flow-Gefühl.» Ein Gefühl, das er mit seinen Musikerkolleginnen und -kollegen teilt. Daher war es auch nicht schwierig, zusätzliche Projektmusiker für das Jubiläumskonzert zu finden. So werden am Jubiläum nicht wie gewohnt 40, sondern – zusammen mit den Freunden der Musikgesellschaft Sumiswald – über 60 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne sein. Von der Jubiläumsformation wird am Abend also kraftvolle Unterhaltung geboten. Doch schon am Nachmittag wird in Sumiswald musiziert. Mit Vorträgen der Musikschule Sumiswald und dem Konzert der Jugendmusik, die beide ebenfalls dieses Jahr jeweils ihr 50-jähriges Bestehen feiern dürfen, wird das Publikum bestens auf das abendliche Jubiläumskonzert eingestimmt. Umrahmt wird der Abend durch eine eigens zum Jubiläum geschriebene Geschichte sowie einen Rück- und Ausblick. Etwas tiefer eintauchen in die spannende und auch amüsante 175-jährige Geschichte der Musikgesellschaft Sumiswald kann man mit der umfangreichen Festschrift. Einige «Müschterli» seien hier schon mal vorweg genommen.
Vor 175 Jahren …
… gründeten sieben musikfreudige Sumiswalder am 29. Herbstmonat (September) 1849 die «Harmonie-Musik in Sumiswald». Gemäss Gründungsurkunde und Statuten war die Bildung in der Musik und die Vereinigung zur Freude im Kreise trauter Freunde Zweck der Gesellschaft. Jedes Mitglied hatte dem Kassier fünf Batzen zu entrichten. Der damals noch gültige alte Berner Batzen entsprach 14 Rappen des 1850/1851 eingeführten neuen Schweizer Geldes. 1949 war ein Batzen umgerechnet zwischen 50 und 60 Rappen wert, was heute etwa drei Franken entsprechen würde. Erster Präsident und musikalischer Leiter war, so wird angenommen, Karl Hirsbrunner, Instrumentenmacher und Drechsler auf dem Eichholz. Schon damals hegte und förderte die Familie Hirsbrunner das Musikleben in Sumiswald.
Solidarität und Kameradschaft
Zum 100-jährigen Jubiläum schrieb Christian Lerch als Chronist und Verfasser der damaligen Festschrift, dass die Akten ihn gänzlich im Stich gelassen hätten. «In der Abteilung Musikvereinigungen des bernischen Staatsarchivs ist Sumiswald nicht mit einem einzigen Schriftstück vertreten. Das rührt daher, dass der Staat niemals um einen Beitrag oder eine Unterstützung zugunsten von Sumiswalder Instrumentalmusikzwecken angegangen worden ist», liess der Chronist verlauten. Gleichwohl hatte er einiges zu erzählen. Auch der damalige Präsident der Musikgesellschaft hatte sich umgesehen und aus den Protokollen des Gemischten Chors Sumiswald sowie aus den gedruckten Quellen allerhand Interessantes und Denkwürdiges zusammengetragen. Die Protokolle der Musikgesellschaft gaben erst ab 1904 Aufschluss. Die älteste Nachricht über ein öffentliches Auftreten der Sumiswalder Harmoniemusik in grösserem Kreise stammt vom 20. Mai 1852: Am besagten Tag war Gesangfest in Langnau und von Sumiswald machten sich der Männerchor, der Gemischte Chor und die Musikgesellschaft mit drei stattlichen Wagen voll fröhlicher Menschen auf den Weg, mit Leiterwagen natürlich, und schmuck bekränzt, wie es einst Brauch und Sitte war. Schlag 7 Uhr wurde abgefahren; bei der Zollbrücke gab’s einen kurzen Halt und einen Trunk; dann ging es ohne weiteren Aufenthalt dem Festort zu. In Langnau gingen die Wogen der Fröhlichkeit hoch. Ein Beispiel schöner Solidarität und Kameradschaft zwischen den befreundeten Sumiswalder Vereinen war die Verwertung des Ertrages eines gemeinsamen Konzertes am 19. April 1863. Der Eintritt kostete 40 Rappen und zwei Mitglieder des Frauenvereins besorgten die Kasse. Vom Reinertrag erhielten die Blechmusik den Löwenanteil, nämlich 50 Franken, zur Anschaffung von Musikstücken. Der Rest, 3.85 Franken, ging an den Frauenverein zugunsten der Ortsarmen.
Blütezeit der Unterhaltung
In den siebziger bis neunziger Jahren war der Verein noch klein. So zogen 1874 elf Mann nach Herzogenbuchsee an das elfte Bernische Kantonal-Musikfest. Den Eichenkranz, den die tapfere kleine Schar errang, halten die Nachfahren noch heute in Ehren (zum Vergleich, auch dieses Jahr, 140 Jahre später, fand das 25. Bernische Kantonal-Musikfest in Herzogenbuchsee statt. Von der Musikgesellschaft Sumiswald nahmen 40 Musikerinnen und Musiker teil). Im Kriegswinter 1870/1871 veranstalteten die drei Sänger-Vereine «Frohsinn», «Sängerbund» und «Eintracht» und das Sumiswalder Orchester ein Konzert zugunsten der Ortsarmen. Es war die Blütezeit der winterlichen Unterhaltungsanlässe, die noch heute aus dem Volksleben nicht wegzudenken sind, wenn gleich da und dort nach und nach sich etwas andere Wege und Formen herausentwickelt haben. Weshalb die Musikgesellschaft an jenem 5. März 1871 nicht mitmachte, weiss man nicht. Mussten vielleicht einzelne Mitglieder internierte Bourbakis «gaumen» helfen, irgendwo im Bernbiet? Vier Jahre später jedoch hielt man in «alter Übung getreu» wieder ein Konzert ab, «um dem gesangslustigen Publikum von Sumiswald und Umgebung einen fröhlichen Abend zu bereiten». «Frohsinn» und «Eintracht» waren die Veranstalter; Blechmusik und Orchester halfen mit. Immer wieder spannte die Blechmusik namentlich mit dem Gemischten Chor zusammen, so auch kurz vor Weihnachten 1889 für eine Abendunterhaltung in der Schieferen zu Grünen zugunsten der Suppenanstalt. Die Schieferen (Wirtschaft Haslebacher) war lange Zeit das Heim der Musikgesellschaft, daher wohl der Name «Grüenemusig». Wegen Differenzen mit dem Wirt zog man 1890 in das «Kreuz».
Originale und «Müschterli»
An Originalen war die Sumiswaldmusik nie arm. Fähnrich Fritz Scheidegger lebt noch mit manchem gelungenen Ausspruch in der Erinnerung fort. Vor 1903 hatte die Musikgesellschaft noch kein eigenes Banner. Wenn es galt, entlehnte man jeweilen eine alte Schützenfahne. Die war zwar nicht viel mehr als ein «Hudel», aber Fritz Scheidegger war trotzdem ungeheuer stolz darauf. «Gäll, Muetter, i bi ne Hängst!» soll er einst seiner Frau zugerufen haben, als er in Grünen, vom Musiktag heimkehrend, aus dem Zuge stieg. Das erste (100-Jährige) Jubiläum wurde am 3. Mai 1952 gefeiert. Warum es erst drei Jahre nach dem offiziellen Jubiläum gefeiert wurde, war den Akten nicht zu entnehmen. Dennoch soll in der sozusagen vollbesetzten Kirche Sumiswald Feststimmung geherrscht haben. Tags darauf, am 4. Mai, nahm die Jubiläumsfeier im Bärensaal seinen weiteren Lauf. Das Konzert wurde mit dem Marsch «Alte Kameraden» eingeleitet. Für das 150-Jahr-Jubiläum wurde von der Musikgesellschaft in kompletter Eigenregie eine Multimedia-CD herausgegeben, was zu dieser Zeit sehr fortschrittlich war. Heute, nur 25 Jahre später, ist diese Technologie schon wieder veraltet und kaum ein Computer verfügt noch über ein CD-Laufwerk. Deshalb wurde der Inhalt der CD, in dem die Geschichte der Musikgesellschaft aufgearbeitet wurde, nun online aufgeschaltet. Unter 150jahre.mgsumiswald.ch kann darin herumgestöbert werden. Ein «Müschterli» sei hier schon mal verraten. Am 26. und 27. August 1962 machte sich die Musikgesellschaft Sumiswald auf Musikreise nach Zermatt: … «Nun wurden Lieder gesungen, Witze zum Besten gegeben und alles war in guter Stimmung, nur der Kellner nicht, denn er hatte die grösste Angst, es könnte irgendein Radau ausbrechen. Die alten Gegenstände wurden von Hand angesehen, selbst die grossen, brennenden Kerzen wurden auf ihr Gewicht geprüft, und schon hatten wir in Peter Hirsbrunner eine wandelnde Wachsfigur unter uns. Als uns der Ober nichts mehr ausschenken wollte, versuchten wir unser Glück noch im Swimming-Pool, wo wir jedoch keinen Platz mehr fanden. Ziemlich angeheitert traten wir den Rückweg ins Hotel an, wo uns der Portier zitternd ersuchte, sofort unsere Zimmer aufzusuchen, denn er sah es unseren Gesichtern an, dass wir noch voller Tatendrang waren.»
Geschichtsträchtiges Jahr
1974 wurde die Jugendmusik Wasen-Sumiswald und im selben Jahr auch die Musikschule Sumiswald gegründet, und die Musikgesellschaft feierte in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Ein geschichtsträchtiges Jahr. Bei der Gründung bildeten bei der Jugendmusik Wasen 13 Mädchen und fünf Jungen das erste Korps. Zwei Jahre später wurden bereits die ersten Auftritte bestritten. 1978 erstellte man ein Jugendmusikreglement und trat dem Verband Bernischer Jugendmusiken bei. Unterdessen war die Mitgliederzahl bereits auf 31 Musizierende angewachsen. Im Oktober 1981 erhielt die Jugendmusik eine eigene Vereinsfahne. Ab dem Jahr 2000 schloss sich die Jugendmusik Wasen mit der von Sumiswald zusammen. Über die Gründung der Jugendmusik Sumiswald ist wenig bekannt. Im Jahr 1804 wird in den Unterlagen erstmals eine Knabenmusik aus Sumiswald erwähnt. Als auch Mädchen das Musizieren erlernen wollten und durften, wurde die Knabenmusik in Jugendmusik umbenannt. Heute sind unter der Leitung von Janick Zappa 15 Personen in der Jugendmusik Sumiswald-Wasen aktiv am Musizieren.
Balkonkonzert
19. Juni 2016: die Teilnahme am Eidgenössischen Musikfest in Montreux war musikalisch und kameradschaftlich ein Highlight. Da das Fest am Sonntag stattfand, wurde gleich in Montreux übernachtet und am Montag mit einem Ausflug in die Region Genfersee kombiniert. Damit waren beste Voraussetzungen gegeben, das Fest in Montreux richtig krachen und ausklingen zu lassen. Besonders nennenswert aber war die Idee, am nächsten Morgen auf den Hotelzimmer-Balkonen ein morgendliches Balkonkonzert zu geben. Die anderen Hotelgäste wurden zwar etwas unsanft, dafür aber mit schönen Klängen geweckt. Ebenfalls für Aufsehen sorgte am Sonntag, 21. November 2021, der «Super-Suppe-Sunntig», den die Musikgesellschaft anstelle des «Lottos» veranstaltete, das aufgrund der Coronapandemie nicht stattfinden konnte. Es wurden fleissig Kürbisse und anderes Gemüse gerüstet und die Gulaschkanone neben dem Lieferanteneingang des Coops eingefeuert. Doch der Rauch löste den Feueralarm aus. Trotz schneller Reaktion der Musikanten trafen drei Einsatzfahrzeuge mit Sirene der Regiofeuerwehr Sumiswald ein. Die als Entschuldigung angebotene Suppe lehnten die Feuerwehrleute jedoch ab. Man darf gespannt sein, welche neuen «Müschterli» beim nächsten Jubiläum in 25 Jahren erzählt werden können.
Gut zu wissen
Jubiläumskonzert: am Samstag, 21. September, in der Aula Sumiswald. Festwirtschaft ab 15 Uhr. Um 16 Uhr Vorträge der Musikschule Sumiswald. Um 17 Uhr Konzert Jugendmusik Sumiswald-Wasen. Um 20 Uhr Jubiläumskonzert Musikgesellschaft Sumiswald (Reservation erforderlich). Ab zirka 22 Uhr Unterhaltung mit Blechapella und Barbetrieb.
Von Marion Heiniger