Sie war 22 Jahre lang das «UE»-Gesicht
22 Jahre lange war Liselotte Jost-Zürcher das Gesicht der Lokalzeitung «Unter-Emmentaler». Wo sie auftauchte, wurde sie sofort als «UE»-Redaktorin identifiziert. Diese Ära geht nun zu Ende. Am 1. Mai nimmt Liselotte Jost-Zürcher als Sachbearbeiterin bei der Woodwork AG in Huttwil eine neue berufliche Herausforderung in Angriff.
Huttwil · Für viele in und auch ausserhalb der Redaktion ist dies nur schwer vorstellbar: Ab Mai wird Liselotte Jost-Zürcher nicht mehr als Redaktorin des «Unter-Emmentaler» unterwegs sein. 22 Jahre lang war sie das Gesicht der Lokalzeitung. Wo sie auch hinging oder anwesend war, die 58-jährige Rohrbacherin wurde unweigerlich mit dem «UE» in Verbindung gebracht. Dass sie in der Öffentlichkeit fast ausschliesslich mit der Lokalzeitung in Verbindung gebracht worden sei, habe sie zwar nie gestört, «aber irgendwo gibt es auch noch eine Liselotte Jost-Zürcher», sagt sie. Gerade in jüngster Zeit habe sie es vermehrt gespürt, ausschliesslich als «UE»-Journalistin wahrgenommen zu werden. «Wenn ich einen Anlass besuchte, glaubten alle, ich würde darüber schreiben oder fragten sich, über wen oder was ich wohl berichten würde. Dabei war ich manchmal einfach nur privat anwesend.» Deshalb habe sich zuletzt der Wunsch verstärkt, künftig wieder vermehrt als Liselotte Jost-Zürcher unterwegs zu sein.
Ausschlaggebend für ihren Abschied bei der Lokalzeitung waren jedoch andere Gründe: Der Wunsch nach regelmässigeren Arbeitszeiten, mehr Freizeit, das Anwenden ihrer Fremdsprachenkenntnisse sowie die Motivation, noch einmal eine neue berufliche Herausforderung in Angriff zu nehmen. Als bei der Woodwork AG in Huttwil eine entsprechende Stelle als Sachbearbeiterin ausgeschrieben war, ergriff sie die Chance. Sie freue sich riesig auf ihre neue Aufgabe, sagt die Mutter zweier erwachsener Töchter.
Von der Bäuerin zur Journalistin
So sehr man ihr diesen Entscheid gönnen mag, die Leser und die gesamte UE-Redaktion werden Liselotte Jost-Zürcher vermissen, denn sie war nicht nur gegen aussen das «UE»-Gesicht, sie prägte mit ihrer kollegialen und professionellen Art die Arbeit auf der Redaktion und nicht zuletzt mit ihren Artikeln auch die Lokalzeitung. Sie hatte ein Gespür für guten Lokaljournalismus, für spannende Themen und interessante Menschen. Ihre Artikel wurden gern gelesen, weil diese das Geschehen in unserer Region, die porträtierten Menschen und die besuchten Veranstaltungen lebendig, korrekt und authentisch wiedergaben. «Es war mir stets ein grosses Anliegen, mit allen Leuten korrekt und verlässlich umzugehen», sagt die «UE»-Redaktorin dazu. Sie habe jeden Menschen genau gleich respektiert, ob dies nun ein Bundesrat gewesen sei oder ein einfacher Mitbürger. Die vielen positiven Feedbacks auf ihre Artikel seien für sie stets eine grosse Ermutigung gewesen.
Eine Karriere als Journalistin war ursprünglich nicht geplant. In Bern-Bethlehem aufgewachsen, verbrachte Liselotte Jost-Zürcher unzählige Wochen ihrer Kindheit bei der Grossmutter in Wengen. «Ein Stadtkind war ich nie», sagt sie. Nach der Schulzeit und dem Welschlandjahr absolvierte sie eine Lehre als Kauffrau. Daraufhin war sie ein Jahr in Toronto, Kanada, besuchte später die Bäuerinnenschule Waldhof in Langenthal und bewirtschaftete anschliessend zusammen mit ihrem Mann einen Landwirtschaftsbetrieb in Walterswil. Eine Arbeit, die ihr sehr gefallen habe, gibt sie zu verstehen. Auf einen Hinweis des Ortspfarrers hin, der ihr mitgeteilt hatte, dass die regionalen Lokalzeitungen «Langenthaler Tagblatt» und «Unter-Emmentaler» Ortskorrespondenten suchten, habe sie sich gemeldet und nebst der Alltagsarbeit begonnen, Artikel zu schreiben. Das habe ihr sofort gefallen, erzählt Liselotte Jost-Zürcher. Die Zeitungen erkannten ihr Talent und erteilten ihr immer mehr Aufträge. Die Journalisten-Karriere war nicht mehr aufzuhalten.
1995 wurde sie «UE»-Redaktorin
Das sei nicht immer einfach gewesen, sagt sie rückblickend und verweist auf die beiden Kinder, die damals noch klein waren, und den Bauernbetrieb, der sie stark forderte. Doch als sie 1995 vom «UE» für die Stelle als Redaktorin angefragt wurde, sagte sie zu. Vorerst bekleidete sie ein 60-Prozent-Pensum, das in Etappen auf 100 Prozent aufgestockt wurde. Aufgrund von zwischenmenschlichen Problemen innerhalb des damals noch kleinen Redaktions-Teams kam es zu einem vierjährigen Unterbruch, bevor Liselotte Jost-Zürcher 2005 wieder auf die «UE»-Redaktion zurückkehrte, wo sie bis heute blieb.
Bis zu 21 Stunden am Stück im Einsatz
Beim Blick zurück gebe es viele Erlebnisse, die hängen geblieben und unvergesslich seien, sagt die Noch-Redaktorin. So habe sie beispielsweise innerhalb von nur drei Tagen einen 40 Meter hohen Baukran bestiegen, eine Ballonfahrt absolviert und sei tags darauf in eine Höhle eingetaucht, die 60 Meter in einen Berg hineingeführt habe. Das widerspiegle die Vielfalt ihrer Arbeit.
Das prägendste Ereignis sei jedoch das verheerende Hochwasser 2007 in der Region Huttwil gewesen. «Während dieses Ereignisses war ich während zwei Wochen meist 16 Stunden, einmal sogar 21 Stunden am Stück im Einsatz», erinnert sie sich. Aber nicht nur das Geschehen in der Region bleibt ihr in Erinnerung, auch der starke Wandel in der Medienbranche. So sei zu Beginn ihrer Zeit der «UE» noch im Hause gedruckt worden. In all den Jahren habe eine unglaubliche Veränderung stattgefunden, sowohl was die Technik als auch die Produktion der Zeitung angehe. Aber irgendwie habe man das fliessend bewältigt und sich laufend angepasst.
An eine neue Umgebung und eine neue Tätigkeit anpassen muss sich Liselotte Jost-Zürcher auch ab dem 1. Mai. Ganz beiseitelegen wird sie Block und Kugelschreiber aber wohl nicht, wie sie bestätigt. «Vermutlich werde ich auch in Zukunft in meiner Freizeit den einen oder anderen Artikel für den ‹UE› schreiben, einfach über Themen, die mir Spass machen und die mir persönlich am Herzen liegen.» Die Leser dürfte es freuen, Verlag und Redaktion des «Unter-Emmentaler» ebenfalls, die sich bei Liselotte Jost-Zürcher für ihr langjähriges grosses Engagement herzlich bedanken und ihr alles Gute für ihre Zukunft sowie Befriedigung bei ihrer neuen beruflichen Aufgabe wünschen.
Von Walter Ryser