• Erfreulicher und würdiger Schlusspunkt 2020 im Langenthaler Stadtrat: Stadtchronist Simon Kuert (rechts) wird zum neuen Langenthaler Ehrenbürger ernannt. Stadtratspräsident Paul Bayard (SP) überreichte ihm die entsprechende Urkunde. · Bild: Walter Ryser

23.12.2020
Langenthal

Simon Kuert wird Langenthaler Ehrenbürger

Ehre, wem Ehre gebührt, heisst es so schön. Dies trifft ganz besonders auf den Langenthaler Stadtchronisten und ehemaligen Pfarrer Simon Kuert zu. An seiner letzten Sitzung ernannte ihn der Stadtrat zum neuen Langenthaler Ehrenbürger.

Bei diesem Geschäft war man sich für einmal im Langenthaler Stadtrat mehr als einig. Die Ernennung des Stadtchronisten und ehemaligen Pfarrers Simon Kuert zum neuen Langenthaler Ehrenbürger war nicht bloss durch anerkennende Worte, sondern auch von langanhaltenden Standing Ovations begleitet. Sämtliche Parlamentarier und der gesamte Gemeinderat waren der Meinung, dass diese Auszeichnung hochverdient sei, gemessen an den grossen und langjährigen Verdiensten, die Simon Kuert zugunsten Langenthals erbrachte.
Eine detaillierte Auflistung all seiner Arbeiten und Leistungen für die Stadt und Langenthal würde den Umfang dieser «UE»-Ausgabe zweifellos sprengen. Erwähnt sei hier lediglich, dass Simon Kuert von 2001 bis 2013 als reformierter Pfarrer in Langenthal tätig war. Seit 1998 war er als Stadtchronist tätig und betreute als Beauftragter der Forschungsstiftung sämtliche ihrer Publikationen.
In dieser Funktion und auch als Privatmann war er an zahlreichen Dokumentationen, Büchern, literarischen Werken und Publikationen beteiligt. Auf Ende 2020 wird er das Amt als Stadtchronist abgeben.

Auf altes Wissen angewiesen
Die Auszeichnung sei keine Selbstverständlichkeit, hielt Stadtpräsident Reto Müller (SP) in seiner Rede fest und wies darauf hin, dass an Pfingsten das Herz von Simon Kuert für einen Moment stillstand. Nur dank dem beherzten Eingreifen seiner Frau und seines Sohnes überlebte er.
Müller erwähnte, dass der neue Lan­genthaler Ehrenbürger in den letzten Jahren unzählige ehrenamtliche Stunden für die Stadt verrichtet habe. «Er hat dies für Gottes Lohn getan und in all den Jahren nie aufbegehrt und eine höhere Entschädigung als die 5000 Franken pro Jahr gefordert», zollte Reto Müller dem Geehrten Respekt. Die Ernennung zum Ehrenbürger sei deshalb eine verdiente Würdigung seines grossen Wirkens für die Stadt Langenthal.

Simon Kuert sichtlich gerührt
Der neue Langenthaler Ehrenbürger zeigte sich sichtlich gerührt. Er habe gerade seine beiden Grosskinder Alvar und Melvin gehütet, als ihm Reto Müller am Telefon mitgeteilt habe, der Gemeinderat habe beschlossen, ihn als Ehrenbürger vorzuschlagen, berichtete Simon Kuert. «Ig bi chli dürenang gsi, will i nid erwartet hät, Ehrebürger vo mir Heimatgmeind z wärde», erzählte er in schönstem Berndeutsch. Er habe etwas Zeit zum Überlegen gebraucht. Die Antwort hätten ihm die beiden Grosskinder geliefert. «Sie gehören der Generation an, die nach uns kommt und sie wachsen in eine offene, ungewisse Zukunft hinein. Um diese zu bewältigen, sind sie auf das Wissen angewiesen, woher sie kommen, wie ihre Vorfahren gelebt und Krisen gemeistert haben», betonte Simon Kuert.
Deshalb betrachte er die Ernennung zum Ehrenbürger nicht bloss als persönliche Ehrung, er sehe darin auch eine Anerkennung dafür, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Pflege historischen Wissens in einem Gemeinwesen auch für künftige Generationen eine wichtige Rolle spiele, erläuterte der Ehrenbürger. «Das Leben besteht nicht bloss aus dem, Jetzt, es besteht auch aus dem, was war und aus dem, was noch kommt.»

Happiges Agglomerationsprogramm
Danach ging es wieder ans «Eingemachte». Dieses bestand aus der Verabschiedung des Agglomerationsprogramms der 3. Generation, inklusive Buslinienkonzept zuhanden der Volksabstimmung vom 7. März 2021. Und dieses Projekt hat es in sich. Nicht weniger als 14 Teilprojekte umfasst es, die sich ausschliesslich dem Strassennetz und der Verkehrssicherheit in Lan­genthal widmen. Stadtpräsident Reto Müller wies darauf hin, dass Handlungsbedarf bestehe, beispielsweise bei Strassenabschnitten und Knoten/Kreuzungen mit hoher Verkehrsbelastung und ohne sichere Velo- und Fussgängerführung. Deshalb beinhaltet das neuste Agglomerationsprogramm der Stadt Langenthal über 20 Infrastrukturmassnahmen im Bereich Verkehr, im Umfang von über 40 Millionen Franken, welche durch die Stadt und den Kanton Bern eingegeben wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass sämtliche 14 Teilprojekte mit allen Infrastrukturmassnahmen spätestens Ende 2025 baulich gestartet sein müssen. Gleichzeitig gilt es parallel dazu die wesentlichen Eckpunkte des künftigen Busliniennetzes festzulegen. Für die Finanzierung der Planung dieses neusten Agglomerationsprogramms wird ein Rahmenkredit von 3,81 Millionen Franken benötigt.

Wird das «Fuder» überladen?
Grundsätzlich war das ambitionierte Vorhaben im Rat mehr oder weniger unbestritten, trotzdem machte sich da und dort Unbehagen bemerkbar. «Wir haben grossen Respekt vor diesem Geschäft, das aus 14 Teilprojekten besteht und gleichzeitig auch noch mit dem Busliniennetz in Einklang gebracht werden muss», fasste Stadtrat Robert Kummer von der FDP-/jll-Fraktion das Unbehagen in Worte. Von einem äusserst ambitionierten Programm sprach auch Roland Loser (SP/GL), der jedoch darauf hinwies, dass es enorm wichtig sei, dass man hier dranbleibe, um die zugesicherten Kantons- und Bundesgelder abholen zu können. Stadtrat Stefan Grossen­bacher gab im Namen der SVP zu bedenken, ob all die aufgeführten Massnahmen wirklich nötig seien. Auch störe ihn, dass hier Geld über eine längere Zeitdauer gebunden wird, das nicht mehr anderweitig ausgegeben werden kann. «Deshalb hinterlässt dieses Projekt bei uns ein ungutes Gefühl, weil wir hier in ein sehr enges Korsett gezwängt werden.»
Zugleich sei man nicht sicher, ob mit all den geplanten Massnahmen der Verkehr für Fussgänger und Velofahrer anschliessend sicherer sei, «denn in erster Linie ist immer noch der Mensch für die Sicherheit im Strassenverkehr verantwortlich und nicht irgendwelche Massnahmen», gab Grossenbacher zu bedenken.
Auch Michael Sigrist (EVP) fragte sich, ob Langenthal dieses Programm neben allen anderen Vorhaben, beispielsweise dem Neubau einer Eissportarena, stemmen könne. «Das macht uns Bauchweh, aber auch die Tatsache, ob der Stimmbürger überhaupt versteht, worüber er hier abstimmt und Geld ausgibt.» Pascal Dietrich (FDP) wiederum sprach von einer grossen Chance, die hinter diesem Agglomerationsprogramm steckt. «Aber leider beinhaltet es auch mindestens so grosse Risiken», fuhr er fort und sprach davon, dass hier das sprichwörtliche «Fuder» überladen werde. «Das ist eine Schuhnummer zu gross für Langenthal», hielt er fest. Trotz den Bundesvorgaben plädiere er deshalb dafür, eine Verzichtsplanung zu machen und lediglich sieben bis zehn Projekte aufzunehmen, diese dafür aber auf den Boden zu bringen.
Stadtpräsident Reto Müller zeigte abschliessend Verständnis für das Unbehagen im Rat und teilte die Meinung, dass es sich um ein imposantes, komplexes Projekt handle. «Die gemachten Anregungen nimmt der Gemeinderat gerne mit. Gleichzeitig wies er noch einmal darauf hin, dass 30 bis 35 Prozent Kantons- und Bundesgelder für dieses Programm zugesichert wurden. «Zudem können wir mit diesem Projekt für die künftige Generation sehr viel und nachhaltig investieren», stellte er fest.
Dieser Meinung war zum Schluss auch der Rat, der das Agglomerationsprogramm 3. Generation sowie das Buslinienkonzept und den Rahmenkredit von 3,81 Millionen Franken zuhanden der Volksabstimmung vom 7. März 2021 verabschiedete.

Von Walter Ryser