«So lange ich Freude habe, werde ich weiterfahren»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Sarina Kyburz, Orientierungsläuferin der OLG Huttwil – Sarina Kyburz (geborene Jenzer) von der OLG Huttwil steht vor einer weiteren OL-Grossveranstaltung. An der Heim-EM in Neuenburg startet sie in zwei Einzelrennen. Der «UE» unterhielt sich mit der bald 30-Jährigen, welche den Orientierungslaufsport seit 15 Jahren auf höchstem Niveau ausübt.
Orientierungslauf · Nach zwölf Jahren Partnerschaft haben Sie am 12. Oktober 2020 Matthias Kyburz geheiratet. Wie lebt es ich an der Seite des mehrfachen OL-Weltmeisters?
Wir sind ja schon lange zusammen. Darum gab es durch die Heirat keine grossen Veränderungen. Es läuft bei uns alles sehr gut. Beide sind mit der Arbeit und dem Orientierungslaufsport sehr engagiert. Umso mehr geniessen wir unsere gemeinsame Zeit.
Ist es für Sie ein Problem, dass Ihr Ehemann mit vier Weltmeistertiteln und fünf Gesamtweltcupsiegen im Orientierungslauf erfolgreicher ist als Sie?
Nein, überhaupt nicht. Ich gönne ihm den Erfolg sehr und freue mich stets mit ihm. Matthias investiert im Vergleich zu mir viel mehr in den Orientierungslaufsport. Darum ist es auch fair, wenn er grössere Erfolge feiern kann.
Wer hat zu Hause die Hosen an?
Je nachdem bei was. Ich denke, dass die Leaderrolle gut verteilt ist.
Wer kocht?
Aktuell profitiere ich. Dies, weil bei uns kocht, wer etwas besser Zeit dafür hat. Durch mein berufliches Engagement kocht Matthias sehr oft. Wir kochen aber beide sehr gerne und tun dies an Wochenenden gelegentlich gemeinsam. Dann nehmen wir uns auch richtig Zeit dafür.
Wer putzt?
Sagen wir es so: Ich bin diejenige, welche schneller empfindet, dass es schmutzig ist.
Wer macht das Bett?
Wir haben zwar ein Doppelbett. Allerdings mit zwei Decken, was ganz wichtig ist. So machen am Morgen auch beide ihre Betthälften selber.
Zu Ihrem Sport: Seit 15 Jahren üben Sie den Orientierungslaufsport auf höchstem Niveau aus. Haben Sie noch nicht genug?
Die Covid-19-Zeit war für mich eine Wohltat. Ich habe es richtig genossen, nicht an jedem Wochenende irgendwo im Wettkampfeinsatz unter Dauerdruck zu stehen. Ich konnte auch andere Sportaktivitäten in der schönen Natur geniessen. Gleichzeitig nutzte ich die frei gewordene Zeit und habe soviel trainiert, wie nie zuvor. Und ich habe während dieser Zeit auch erkannt, dass mich der OL nach wie vor zu begeistern vermag.
Wenn Sie auf Ihre lange sportliche Laufbahn zurückblicken: Was steht ganz oben?
Natürlich stehen die grössten Erfolge im Zentrum. Meine goldenen Medaillen an Studenten- und Militär-Weltmeisterschaften bleiben unvergessen. Ebenso die Spitzenklassierungen an Weltcuprennen. Aber auch der 2. Rang an der grössten OL-Staffel der Welt 2017 gehört dazu. An der Jukola-Staffel in der Nähe von Lahti in Finnland starten 20 000 Läuferinnen und Läufer.
Im OL-Sport gross wurden Sie in Huttwil bei der OLG Huttwil, für welche Sie immer noch an den Start gehen, obwohl Sie seit etlichen Jahren im Raum Bern leben. Schöne Erinnerungen?
Es ist zweifelsohne meine OL-Heimat. Und in diese kehre ich immer wieder mit ganz viel Freude zurück, da ich unzählige schöne Erinnerungen habe. Im August 2022 finden im Raum Gondiswil Wettkämpfe der Studenten-WM, organisiert von der OLG Huttwil, statt. Ich werde dort dem Bahnlegungsteam angehören und so bei meinem Blumenstädter Verein bei der Organisation mithelfen. Ich freue mich sehr darauf.
Die Saison 2021 läuft. Und ein erstes Highlight steht bevor. Sie stehen am Samstag und Sonntag an der Heim-Europameisterschaft in Neuenburg am Start, weil Sie die Qualihürden geschafft haben. Wie schwierig gestalteten sich diese?
Für beide Sprint-Rennen kann die Schweiz acht Athletinnen stellen. Darum hat es für mich gereicht, obwohl ich nicht alle Qualiwettkämpfe absolvieren konnte. Weil ich krank und zugleich leicht verletzt war, konnte ich einen Monat nicht trainieren. Die Resultate, welche ich in den Qualiwettkämpfen lieferte, reichten trotzdem zur EM-Qualifikation. Dies freut mich sehr, weil ich gesund viel mehr Potenzial habe.
Was erwarten Sie von sich an der EM (live auf SRF2), bei der wegen Covid-19 nur Sprintwettkämpfe stattfinden?
Es ist mein erster internationaler Grossanlass seit Herbst 2019. Darum freue ich mich doppelt darauf. Ich möchte in einem der beiden Sprint-Rennen ein Diplom gewinnen, wofür eine Top-6-Klassierung nötig ist.
Für das EM-Staffelrennen wurden Sie nicht nominiert?
Nein. Aber dies hätte wohl auch nicht gereicht, wenn ich im Vollbesitz meiner Kräfte die Qualifikation absolviert hätte, weil für die Staffel nur die zwei besten Schweizer Orientierungsläuferinnen nominiert wurden.
Ein weiteres Saisonziel dürfte die WM in Doksy in Tschechien im Juli sein.
Ich habe leider das Trainingslager und die Testwettkämpfe im WM-Gelände im April wegen meiner Verletzung verpasst. Dies ist sicher ein Nachteil für die beiden Qualifikationsrennen Ende Mai in Tschechien. Ich bin aber guter Dinge, dass ich mich auf einer der Distanzen qualifizieren kann. Auf jeder Distanz können an der WM drei Schweizer Orientierungsläuferinnen antreten.
Bei allen OL-Wettkämpfen wird auch Ihr Ehemann aktiv dabei sein. Gehen Sie sich nie auf die Nerven?
Nein. Wir sind gar nicht so oft zusammen, wenn wir unseren Sport ausüben. Gerade die Trainings finden getrennt statt. Und wegen der Pandemie sind wir oft auch in den Hotelzimmern getrennt, da wegen Covid-19 strikt auf die Blase geachtet wird. Wir halten uns daran, weil wir alle Covid-19-Schutzvorkehrungen respektieren.
Der OL-Sport prägt Ihr Leben. Die Coronaphase haben Sie aber genutzt, um das Bachelorstudium zur Ernährungsberaterin abzuschliessen.
Seit November 2020 arbeitete ich im Bereich der Sporternährung in der Sportmedizin im Paraplegikerzentrum in Nottwil. Nun bin ich in der Kinderklinik des Berner Inselspitals tätig. Ich schaue, dass die jungen Patienten eine möglichst sinnvolle Ernährung erhalten. Die Arbeit mit den Kindern ist sehr erfüllend und spannend – aber mental auch nahrhaft.
Bleibt noch Zeit zum Training?
Ich arbeite 80 Prozent, was gemessen an meinem sportlichen Engagement sicher an der oberen Grenze liegt.
Ich muss meine beiden Trainings um 6 Uhr morgens und um 18 Uhr abends vor und nach meiner Arbeit absolvieren.
Ende Mai werden Sie 30 Jahre alt. Wie lange denken Sie, Ihren Sport noch auf Weltklasseniveau auszuüben?
Ich mag es nicht, so etwas zu planen. So lange mir der Orientierungslaufsport so viel Freude macht wie aktuell und ich mich motivieren kann, den dafür notwendigen Trainingsaufwand zu betreiben, werde ich weiterfahren.
Kurz gefragt
Bester Orientierungsläufer ever: Simone Niggli-Luder.
Gerade so gut wie Orientierungslauf: In den Bergen sein. Dort übe ich am liebsten das Trailrunning aus.
Kompass: Wichtig. Ohne wird es schwierig.
Stadt-OL: Cool. Mag ich gerade so gut wie OL im Wald.
Verletzungen: Ich hatte etwa jene «Wehwehchen», mit denen man in einer so langen Laufbahn rechnen muss. Zum Glück waren keine gravierenden Verletzungen darunter.
Nachname Kyburz: Ich habe mich daran gewöhnt. Gleich nach der Hochzeit habe ich oft falsch, also noch mit Jenzer, unterschrieben.
Familienplanung: Die Familienplanung wird auf jeden Fall ein Thema. Aber noch nicht diese Saison.
Instagram: Darauf bin ich täglich aktiv – aber nicht immer mit eigenen Posts.
Eigene Homepage: Die sollte ich unbedingt wieder einmal aktualisieren.
Kreuzworträtsel: Das ist nichts für mich. Mein Grosi löst sie gerne.
Süssigkeiten: Oh ja, jegliche Art davon. Sie dürfen aber nicht zu süss sein.
Jahreszeit: Alle vier Jahreszeiten haben ihren Reiz. Was ich nicht mag, ist eine zu grosse Hitze im Sommer.
Feriendestination: Gib es keine, da ich nie in die Ferien reise. Ich bin wegen dem OL-Sport genug unterwegs. Mir gefällt es daheim am besten.
Gartenarbeit: Würde ich gerne tun. Allerdings haben wir keinen Garten.
Covid-19: Im Gegensatz zu den meisten Leuten in meinem Umfeld bin ich nicht daran erkrankt und mittlerweile auch geimpft. Wegen meiner sportlichen Tätigkeit habe ich unzählige Tests durchführen müssen.