«Sportliche Aktivitäten bereiten mir einfach Spass»
Der 15-jährige Aris Minder aus Ursenbach ist ein grosses Talent im Kugelstossen. Soeben wurde der Athlet der LV Huttwil an der Hallen-SM in Magglingen Schweizer Meister der U18-Altersklasse. Trotz seiner Grosserfolge – er holte schon drei SM-Medaillen – zeigt sich im Gespräch, dass Aris Minder den Sport vor allem aus Freude und nicht mit Spitzensport-Absichten ausüben will.
Leichtathletik · Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Aris Minder, Kugelstösser aus Ursenbach
Kennen Sie den 36-jährigen Michel Edzimbi?
Nein, dieser Name sagt mir nichts.
Er ist der grosse Kugelstösser der LV Huttwil und Ihr Gold-Vorgänger. Im Februar 2010 wurde er in Magglingen Hallen-Schweizer Meister bei der Elite. Er stiess damals die 7,26 kg schwere Kugel auf exakt 16 m und damit so weit wie nie in seiner Karriere vor- und nachher. Ausserdem wurde er 2015 auch Elite-Schweizer-Meister im Freien.
Das überrascht mich. Ich hätte nicht gedacht, dass einmal ein Huttwiler mehrfacher Schweizer Meister bei der Elite wurde. Das ist sehr interessant und beeindruckend.
Sie stossen die 5 kg schwere Kugel momentan auf 15,74 m. Trauen Sie sich zu, die gut zwei Kilo schwerere Kugel der Elitekategorie auch einmal auf eine ähnliche Weite zu stossen?
Wenn ich etwas mehr trainieren würde (lacht). Vorstellen könnte ich es mir schon, wenn ich noch etwas älter bin.
Sie sehen von der Postur komplett anders aus als ein Werner Günthör oder der angesprochene Michel Edzimbi. Wie schaffen Sie es trotzdem, die Kugel dermassen weit zu stossen?
Es basiert vor allem auf meiner Schnellkraft. In diesem Bereich habe ich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil.
Hilft auch die von Ihnen an der SM angewandte O’Brien-Technik?
Später vielleicht dann schon. Ich habe vor der SM erst in fünf Trainings mit dieser Technik trainiert. Da kann noch viel verbessert werden.
Hört man so etwas, muss man Sie zweifelsohne als Talent bezeichnen.
Ich denke schon, dass ich über eine Begabung für das Kugelstossen verfüge.
Sie sind auch in anderen Leichtathletik-Disziplinen stark. Wieso haben Sie sich auf das Kugelstossen spezialisiert?
Obwohl ich im Kugelstossen am meisten Erfolg habe und mir diese Disziplin eigentlich auch am meisten Spass bereitet, habe ich mich nicht spezialisiert. Ich übe auch sehr gerne das Speerwerfen und den Hochsprung – aber auch die anderen Disziplinen – aus. Die Vielseitigkeit der Leichtathletik fasziniert mich. Und es wird mir nicht langweilig, wenn ich viele Disziplinen ausüben kann.
Wie sind Sie zur Leichtathletik gestossen?
Ich habe seit Schulbeginn die Jugendriege Ursenbach besucht. Dort haben wir jeweils für den Jugitag die Leichtathletik-Disziplinen geübt. Ich konnte einige Podestplätze und auch drei Jugitag-Siege erzielen. Weiter hat meine Mutter während ihrer Jugendzeit das Kugelstossen ebenfalls ausgeübt. Mit ihr habe ich auch ein paar Kugelstoss-Trainings absolviert.
Wie kam es zum Mitmachen bei der LV Huttwil?
Trainingsleiter Kurt Wüthrich wurde aufmerksam auf mich und fragte mich, ob ich nicht einmal ein Training besuchen möchte. Im Sommer 2021 habe ich dies getan. Ich besuchte etwa drei Trainings und bin dann mit der LV Huttwil gleich an die Nachwuchs-SM gereist. Anschliessend habe ich keine LVH-Trainings mehr besucht. Erst im Sommer 2022 bin ich dann richtig eingestiegen.
Wie oft trainieren Sie seit Ihrem Einstieg bei der LV Huttwil pro Woche?
Eigentlich nicht viel. Im Winter ist es ein Training wöchentlich, im Sommer sind es deren zwei.
Ist es nicht schwierig, weil Sie im Training niemanden in Ihrem Niveau haben?
Ich kann meistens mit Benjamin Lüthi aus Madiswil trainieren, der sich im Kugelstossen ebenfalls wohl fühlt. Weiter ist es so, dass ich vor allem davon profitiere, mit Techniktraining persönliche Fortschritte zu erzielen. Mein Trainer Kurt Wüthrich hilft mir sehr dabei.
In der Jugi Ursenbach haben Sie an der Turnvereins-Meisterschaft im Unihockey erfolgreich mitgespielt. Wollten Sie nie auf die Karte Unihockey setzen?
Nein, da war ich einfach dabei. Mittlerweile besuche ich die Jugi nicht mehr. Dafür bin ich in zwei Volleyballtrainings des Turnvereins Ursenbach mit dabei.
Dann gefällt Ihnen das Volleyball mehr?
Exakt. Meine Mutter hat in Eriswil und mein Vater in Ursenbach Volleyball gespielt. So bin ich früh mit dieser Ballsportart in Verbindung gekommen. Und das Volley gefällt mir sehr gut. Aber ich will das Volleyball einfach zur Freude und nicht ambitioniert ausüben. Nächste Saison kann ich mir vorstellen, mit Ursenbach an der Turnvereins-Meisterschaft mitzuspielen.
Welche Sportarten gefallen Ihnen sonst noch?
Ich spiele auch sehr gerne Fussball. Um diesen vereinsmässig auszuüben, fehlt mir aber schlicht die Zeit.
Zurück zum Kugelstossen. Im September 2021 wurden Sie in Winterthur U16-Schweizer Meister mit einem Stoss der 4-kg-Kugel auf 15,22 m. Was bewirkte dieser erste grosse Erfolg?
Dieser Erfolg kam schon überraschend. Ich habe mich darüber gefreut. Meine besten Kollegen sowie die Familienmitglieder haben mir gratuliert. Bewirkt hat der Titel aber nicht viel, da ich ja dann fast ein Jahr lang kein spezifisches Training besucht habe. Erst auf die SM 2022 hin hat es mich dann wirklich gepackt. Nun war die Motivation und der Wille da, bei der LV Huttwil richtig zu trainieren.
Sie taten dies und reisten mit der LV Huttwil im August 2022 zum zweiten Mal an eine Freiluft-SM. In Riehen wurden Sie mit einer Weite von 15,78 m U16-Vize-Schweizer Meister. Es hätte aber erneut Gold sein können, denn die Entscheidung war extrem knapp.
Das war wirklich ein Wettkampf mit Hitchcock-Spannung. Ich lag mit 15,78 m auf Platz 1, ehe mein Konkurrent Tobias Krebs aus Dietlikon in seinem sechsten und letzten Versuch mit der 4 kg Kugel ebenfalls genau 15,78 m schaffte. Nun kam das Reglement zur Anwendung. Und dieses besagte, dass der Titel an den Athleten mit der zweitbesten Weite geht. Mein zweitbester Versuch landete bei 15,59 m. Jener von Tobias Krebs bei 15,69 m.
Bloss 10 cm entschieden. Waren Sie enttäuscht?
Überhaupt nicht. Ich habe mich auch über die Silbermedaille sehr gefreut und gönnte den Titel Tobias Krebs.
Ein halbes Jahr später haben Sie sich eindrücklich revanchiert. An der Hallen-SM in Magglingen von Ende Februar gewinnen Sie in der Altersklasse U18 mit der 5-kg-Kugel und 15,74 m überlegen Gold. Tobias Krebs aus Dietlikon blieb mit 14,50 m und der Bronzemedaille weit hinter Ihnen zurück. Wie erklären Sie sich diesen gewaltigen Niveauunterschied in so kurzer Zeit?
Jetzt wirkte sich positiv aus, dass ich nach der Freiluft-SM weiterhin die LVH-Trainings besucht und Fortschritte erzielt habe. Weiter habe ich aktuell gegenüber Tobias Krebs betreffend der Kraft Vorteile. Und so kam es mir entgegen, dass im Gegensatz zur Freiluft-SM im August 2022 nun eine um 1 kg schwerere Kugel gestossen werden musste.
Sie verblüffen die Gegner mit Ihren Leistungen. Die Konkurrenten sogar zum Studieren bringen dürfte die Tatsache, dass Sie überhaupt nicht gut vorbereitet an die SM reisten. Erst wurden Sie durch ein Knieproblem gestoppt. Und in der Woche vor dem SM-Wettkampf weilten Sie mit der Schule Kleindietwil im Skilager.
Ach, das war nur halb so schlimm. Zwei Wochen vor der SM habe ich mir etwas das Knie verdreht, worauf ich einige Tage pausieren musste. Und das Skifahren hat mir dann grossen Spass gemacht. Ich ging daraufhin frisch und motiviert an die SM.
Sie haben jetzt schon drei SM-Medaillen gewonnen. Haben die Medaillen einen Ehrenplatz?
Die hängen direkt über meinem Bett.
Was nehmen Sie sich für die Saison 2023 vor?
Ich würde sehr gerne an der Nachwuchs-SM meinen Titel im Kugelstossen verteidigen. Weiter möchte ich schauen, ob ich mich im Speerwerfen ebenfalls für die SM qualifizieren kann.
Wo soll Ihr Weg im Kugelstossen hin führen?
Ich möchte das Kugelstossen – aber auch alle anderen sportlichen Aktivitäten – vor allem mit ganz viel Freude ausüben. Darum möchte ich auch nicht ausschliesslich auf das Kugelstossen setzen und dort eine Spitzensport-Karriere anstreben. Mir ist die Abwechslung wichtig. So werde ich auch weiterhin mit ganz viel Spass Volleyball spielen. Wie wichtig der Sport für mich in Zukunft sein wird, zeigt dann auch die berufliche Ausbildung. Ich starte im August bei der Durrer Gartenbau AG in Herzogenbuchsee eine dreijährige Lehre.