• Der Langenthaler Sportnachwuchs wird bei der Benutzung der städtischen Infrastruktur weiterhin Gebühren im bisherigen Rahmen entrichten müssen. · Bild: Walter Ryser

  • 250 000 Franken wendet die Stadt für die Sichtung und Archivierung alter Akten im Verwaltungszentrum auf. · Bild: Walter Ryser

24.02.2022
Langenthal

Sportnachwuchs erhält nicht mehr Geld

Der Langenthaler Stadtrat ist gemächlich in das neue Jahr gestartet. Die traktandierten Geschäfte lösten noch keine grossen Diskussionen aus. In einer Antwort auf ein entsprechendes Postulat machte der Gemeinderat klar, dass es für ihn aktuell keinen Anlass gibt, sämtliche Gebühren für den Nachwuchs der städtischen Sportvereine zu erlassen.

Langenthal · Traditionsgemäss eröffnete die neue Stadtratspräsidentin Beatrice Lüthi (FDP) die erste Sitzung des Langenthaler Stadtrates im neuen Jahr mit ein paar einleitenden Worten. Sie erzählte den 39 (von 40) anwesenden Stadträtinnen und Stadträten sowie dem komplett vertretenen Gemeinderat wie und wann sie politisiert worden sei. Ein Blick in das Zivilgesetzbuch (ZGB) vor 1988 habe sie politisch geprägt. Denn hier sei schwarz auf weiss festgehalten gewesen, welche Rechten und Pflichten Eheleute hätten. Lüthi zitierte aus dem damaligen Zivilgesetzbuch und erinnerte daran, dass diese Zeilen noch kein halbes Jahrhundert alt seien. «Der Ehemann ist das Haupt der Gemeinschaft. Er bestimmt die eheliche Wohnung und hat für den Unterhalt von Weib und Kind in gebührender Weise zu Sorgen.»
Bereits dieser Satz habe bei ihr ein Ohnmachtsgefühl erzeugt, sagte die neue Stadtratspräsidentin. Die folgenden Textpassagen hätten bei ihr aber richtig Brechreiz verursacht, zeigte sich Lüthi empört über die schriftlich festgehaltene Ungleichbehandlung der Frauen. So stand damals im ZGB: «Die Ehefrau steht dem Manne mit Rat und Tat zur Seite. Sie führt den Haushalt. Mit ausdrücklicher oder stillschweigender Bewilligung des Ehemannes ist die Ehefrau befugt, einen Beruf oder ein Gewerbe auszuüben.»

Lüthi wünscht gute Diskussionskultur
Der Entwurf zum neuen Eherecht 1981 und die darauffolgende Volksabstimmung im Herbst 1985 hätten sie dann definitiv politisiert, erwähnte Lüthi. Sie habe die Debatten dazu verfolgt, Zeitungsartikel regelrecht verschlungen und natürlich auch an der Volksabstimmung teilgenommen. «Seither habe ich keine Abstimmung mehr ausgelassen», sagte sie und wies auf das Privileg zur Mitbestimmung in diesem Land hin. «Eure Meinung ist wichtig, jede Stimme in diesem Land zählt. Wer nicht mitbestimmt, über den wird bestimmt.» In diesem Sinne wünsche sie sich für das Stadtratsjahr eine gute Diskussionskultur, die keine Fronten verursache, sondern die Basis für gute Lösungsfindungen bilde. «Schön wäre auch, wenn die politische Arbeit hin und wieder mit einem Lächeln verbunden würde», forderte die Fürsprecherin die Parlamentsvertreterinnen und -vertreter auf, bei ihrer Tätigkeit auch eine gewisse Gelassenheit und Kompromissbereitschaft zu zeigen.
Danach ging es mit einer gewissen Gelassenheit an die politische Arbeit. Abgeschrieben hat der Stadtrat ein Postulat der SVP-Fraktion, das den Gemeinderat aufforderte zu prüfen, wie die Nachwuchsteams der städtischen Sportvereine noch besser von Sportfördergeldern profitieren könnten. Anlass für dieses Postulat war der Entscheid des Langenthaler Stimmvolkes im Februar 2020, das die Erhöhung des jährlichen Unterstützungsbeitrages an die Kosten der Eismiete der SCL Nachwuchs AG von jährlich 125 000 Franken auf 250 000 Franken mit einem Nein-Stimmenanteil von 54,57 Prozent ablehnte (der «Unter-Emmentaler» berichtete).

Benützung ist nicht kostendeckend
In seiner Antwort auf das Postulat machte der Gemeinderat klar, dass die eingeforderten Gebühren für die Benützung der Turnhallen und der Sportanlagen bei weitem nicht kostendeckend seien. Für lediglich 200 Franken könnten Vereine während eines ganzen Jahres für jeweils zwei Stunden pro Woche eine Turnhalle mit der gesamten Infrastruktur mieten. Würden allen Nachwuchsmannschaften der Sportvereine alle Gebühren für die Benützung der Turnhallen und Sportanlagen erlassen, führte dies zu Einnahmeausfällen von rund 35 000 Franken. Der Kostendeckungsgrad der Turnhallen und Sportanlagen würde weiter sinken.
Der Gemeinderat wies aber auch darauf hin, dass er den Ausfall theoretisch mit einer Erhöhung des Tarifs für Erwachsene kompensieren könnte. Doch davon sieht er ab, weil dies der Zielsetzung zur Förderung des Breitensports widerspreche.
Einnahmeausfälle von rund 35 000 Franken pro Jahr seien in der aktuellen Finanzlage der Stadt Langenthal nicht gerechtfertigt, hält der Gemeinderat in seiner Antwort weiter fest. Die Parlamentsvertreter der verschiedenen Parteien zeigten sich wenig überrascht von der Antwort des Gemeinderates, die allgemein in diesem Ausmass erwartet wurde. Fabian Fankhauser (glp) bemängelte einzig, dass der Gemeinderat hier eine Chance verpasst habe, aufzuzeigen, wie hoch der Deckungsgrad für die Benützung der städtischen Sportanlagen sei, damit man in exakten Zahlen gesehen hätte, mit wie viel Geld die Stadt Langenthal die Nachwuchsteams der Sportvereine bereits unterstütze. Dennoch wurde das Postulat vom Rat abgeschrieben und als erledigt betrachtet.

1460 Laufmeter Akten
Die vor einem Jahr erfolgte Fusionierung mit der Gemeinde Obersteckholz hat Nachwirkungen, mit denen sich der Langenthaler Stadtrat in seiner ersten Sitzung 2022 ebenfalls zu befassen hatte.
So stimmte das Parlament auf Ende des laufenden Jahres dem Austritt aus dem Gemeindeverband Alterszentrum Lotzwil zu, dem die Stadt Langenthal nach der Fusion mit Obersteckholz automatisch angehörte. Dieser Beschluss wird nun noch dem Langenthaler Stimmvolk zur Abstimmung unterbreitet. Der Gemeindeverband zeigte sich allerdings kulant und gewährt den Einwohnern des Langenthaler Ortsteils Obersteckholz während den nächsten zehn Jahren als Übergangslösung einen gleichwertigen Zugang zu den Angeboten des Alterszentrums Lotzwil wie jenen Personen aus den Verbandsgemeinden.
Genehmigt hat der Stadtrat auch einen Kredit in der Höhe von 250 000 Franken für die Redimensionierung der Amtsarchive sowie der Nachführung des Stadtarchivs.
Im August 2020 erfolgte der Umzug der städtischen Archivalien von der Marktgasse 35 an die Bahnhofstrasse 16. Ins Stadtarchiv aufgenommen wurden nebst Unterlagen der Einwohnergemeinde bis 1987 bereits auch Archivalien der ehemaligen Einwohnergemeinde Obersteckholz sowie das Zeitungsarchiv der Merkur Druck AG, welches alle örtlichen Zeitungsausgaben seit 1850 umfasst. In einem weiteren Schritt gilt es nun, die sich noch im Verwaltungszentrum befindenden Akten in den Zwischenarchiven in Bezug auf ihre Archivwürdigkeit zu prüfen und eine mögliche Überführung ins Stadtarchiv oder eine Vernichtung der Akten ins Auge zu fassen. Der Umfang dieser Akten umfasst eine Distanz von 1460 Laufmetern. Ziel des Projektes ist es, die gelagerten Unterlagen zu reduzieren, nach ihrer Aufbewahrungsfrist zu kategorisieren und eine Nachführung des Stadtarchives herbeizuführen. Laut dem Gemeinderat ist dies eine Voraussetzung dafür, dass die Digitalisierung der Archivierung der Verwaltung vorbereitet und sichergestellt werden kann.

Von Walter Ryser