• Auch regionale Sportvereine müssen heute deutlich mehr investieren, um die erforderliche Aufmerksamkeit zu erlangen und in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden. · Bild: Leroy Ryser

21.11.2023
Huttwil

Sportvereine müssen sichtbarer werden

Der gesellschaftliche Wandel hat grossen Einfluss auf den Sport. So machen heute mehr Menschen Sport. Dieser wird aber

vermehrt individuell und weniger in Vereinen betrieben, lautet eine Erkenntnis beim Sportforum Oberaargau. Für Klubs und

Vereine bedeutet dies, dass sie im Kampf um Mitglieder andere, neue Wege gehen müssen. «Sportvereine müssen in der Öffentlichkeit wieder besser sichtbar werden», ermunterte Denise Krieg, Leiterin Freizeit/Tourismus Oberaargau, die anwesenden

Vereinsvertreter, bei der Öffentlichkeitsarbeit mutiger und frecher zu werden.

Sportförderung in den Gemeinden und Öffentlichkeitsarbeit in Sportvereinen lauteten die zwei Themen, die am 9. Sportforum Oberaargau behandelt wurden. Eine stattliche Anzahl Gemeindevertreter, Personen aus Sportvereinen und Sportorganisationen folgten der Einladung der Region Oberaargau in den Stadthaussaal nach Huttwil. Fritz Aebi (Oberönz), Leiter Arbeitsgruppe Sport in der Region Oberaargau, wies darauf hin, dass gesellschaftliche Veränderungen direkte Auswirkungen auf den Sport hätten. Diese Tendenz habe sich seit der Corona-Pandemie zusätzlich akzentuiert. So seien die Teilnehmerzahlen in Sportvereine rückläufig, weil immer mehr Leute den Sport individuell betreiben würden. Dazu komme, dass immer weniger Personen bereit seien, freiwillige Arbeit in Sportvereinen zu leisten. Der erste Referent, Martin Strupler, früherer Spitzenhandballer und heutiger Inhaber der Strupler Sport Consulting, konnte Aebis Feststellung mit Fakten belegen. So habe in den letzten 40 Jahren im Sport ein grosser Wandel stattgefunden. Hätten 1980 mehrheitlich junge Männer Sport betrieben, seien dies heute alle Menschen jeden Alters und aus allen sozialen Schichten. Seien vor 40 Jahren vor allem klassische Sportarten betrieben worden, würden die Menschen heute unzählige Sportarten ausüben. Sei das Motiv zum Ausüben einer sportlichen Tätigkeit damals vor allem der Wettkampf und die Leistung gewesen, gebe es heute verschiedenste Motive, sportlich aktiv zu werden (Gesundheit, Naturerlebnis, Spass, Erholung ...).

Boomsportart Wandern
Habe man vor 40 Jahren den Sport vor allem abends und an Wochenenden ausgeübt, werde dieser heute zu jeder Tageszeit betrieben. Strupler erwähnte auch, dass es lange nicht gelungen sei, sportabstinente Personen zu erreichen. «Doch seit 1978 ist diese Personengruppe deutlich kleiner geworden. Die Gruppe Menschen, die sich regelmässig sportlich betätigt, hat dagegen signifikant zugenommen», stellte er erfreut fest. Das habe aber auch damit zu tun, dass viele körperliche Tätigkeiten heute als sportliche Aktivitäten eingestuft würden. Deshalb erstaune es auch nicht, dass der Anteil Menschen, die nicht organisierten Sport betreiben würden, von 39 auf 48 Prozent gestiegen sei, während jener Teil, der aktiv in einem Verein Sport betreibe, von 20 auf 17 Prozent zurückging. Bei den sportlichen Tätigkeiten verzeichne vor allem das Wandern eine eklatante Zunahme an Personen. Seit 2014 verzeichnet dieser Bereich ein Wachstum an Teilnehmern von 12,6 Prozent. Aber auch Krafttraining (+8,3 Prozent) oder Yoga/Pilates (+5,7 Prozent) verzeichnen starke Wachstumsraten, während dagegen Fussball eine leicht rückläufige Tendenz aufweist (-0,2 Prozent). Generell haben aber sportliche Tätigkeiten stark zugenommen, weshalb für Martin Strupler klar ist: «Ein Bereich mit einem derartigen Wachstum ruft nach entsprechender zusätzlicher Unterstützung, weil Sport der Gesundheitsförderung dient, den sozialen Zusammenhalt stärkt und zur Integration von ausländischen Menschen beiträgt und nicht zuletzt, weil der Sport eine wirtschaftliche und touristische Bedeutung hat.»

Mutiger und kreativer werden
Für die Gemeinden ergäben sich daraus diverse Handlungsmöglichkeiten, richtete er einen Appell an die Gemeindevertreter. So sollte gemäss Strupler jede Gemeinde eine Ansprechstelle für Fragen zu Sport und Bewegung haben. Ein unausgeschöpftes Potenzial sieht er auch in den Schulen mit der Anstellung von qualifizierten Lehrkräften mit entsprechender Sportausbildung, weil Sport das einzige Schulfach sei, bei dem sich Kinder bewegen würden. Auch forderte er die Gemeinden auf, ein Sportanlagenkonzept zu erstellen, Bewegungsmöglichkeiten für den wachsenden, nicht organisierten Sport zu schaffen, attraktive Spielplätze zu realisieren sowie grosszügige Bewegungsflächen. Auch sollten Gemeinden vermehrt private Initiativen im Bereich Sport unterstützen und Vereinen mit einem Sportkoordinator zur Seite stehen, der gemein­deübergreifend agieren könnte. Ein solches Angebot käme vielen Sport­vereinen mehr als gelegen, kämpfen diese doch vermehrt um Mitglieder und Personen, die sich ehrenamtlich engagieren, aber auch um Sponsoren. Denise Krieg, Leiterin Ressort Freizeit/Tourismus bei der Region Oberaargau, fordert deshalb bei den Sportvereinen ein Umdenken. Diese müssten mutiger und kreativer werden, vor allem im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, betonte sie. «Wer nicht kommuniziert, wird nicht wahrgenommen. Werdet sichtbar auf allen Kanälen», ermunterte sie die Vereinsvertreter, aktiv zu werden, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei riet sie den Verantwortlichen, auch einmal einen Blick auf die grossen Vereine zu werfen, von diesen zu lernen, Ideen zu holen und abzuschauen. Leider stelle sie aber immer wieder fest, dass Inhalte auf Webseiten nicht aktualisiert würden. Aber auch andere Informationskanäle gelte es zu nutzen, wie Newsletter oder Blog-Beiträge auf diversen Online-Kanälen. Nicht vergessen dürfe man die Printprodukte wie Dorfzeitungen, Anzeiger oder Lokalzeitungen. «Die Leser im Dorf sind dankbar, etwas über ihre Vereine zu erfahren», bemerkte Denise Krieg. Daneben brauche es auch einige kreative Ideen und Ansätze, führte sie weiter aus und erwähnte die Durchführung von Schnuppertagen, Tagen der offenen Vereinstüren oder die Teilnahme an Ausstellungen oder Weihnachts­märkten. Abschliessend machte die Tourismus-Fachfrau den Sportvereinen ein Angebot und verwies auf die Webseite Freizeit/Tourismus Oberaargau. Hier könnten Sportvereine ihre Anlässe im Veranstaltungskalender ver­öffentlichen. Die Erkenntnis des diesjährigen Sportforums Oberaargau war deshalb am Ende ganz simpel: Sportvereine sind nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, aber mittlerweile längst keine Selbstläufer mehr.

Von Walter Ryser