• Bleibt nie lange auf dem Sofa sitzen: Renate Niklaus engagiert sich seit vielen Jahren für ihre Heimatgemeinde und nun ist die glp-Stadträtin während eines Jahres sogar die politisch höchste Langenthalerin. · Bild: Walter Ryser

18.02.2021
Langenthal

Stadtratspräsidentin Renate Niklaus: Lange auf dem Sofa sitzen ist nicht ihr Ding

Das Politjahr in Langenthal ist gemächlich gestartet. Im Zentrum der ersten Stadtratssitzung standen die Wahlen für das Büro des Stadtrates. Dabei wurde glp-Stadträtin Renate Niklaus zur Stadtratspräsidentin und damit zur höchsten Langenthalerin für das Jahr 2021 gewählt. Mit Stolz und Respekt trete sie dieses Amt an, sagte die 59-jährige Sportkoordinatorin bei Pro Senectute.

Für das Bildsujet von Renate Niklaus schlug der Fotograf das Sofa in der gemütlichen Dachwohnung vor. Die neue Langenthaler Stadtratspräsidentin willigte zwar ein, aber mit dem Hinweis, dass dies kein Ort sei, wo sie sich häufig aufhalte. «Eine gewisse Zeit nur so auf dem Sofa zu sitzen und untätig zu sein, ist nicht so mein Ding. Deshalb wird dieser Teil meiner Wohnung verhältnismässig wenig genutzt», gibt die 59-jährige Langen­thalerin lachend zu verstehen.
Ein Blick auf ihre Biografie genügt, um festzustellen, dass Renate Niklaus bislang wirklich kaum Gelegenheit hatte, längere Zeit auf dem Sofa sitzen zu bleiben. Die Mutter zweier erwachsener Kinder (ein Sohn und eine Tochter) hat sich oder engagiert sich immer noch bei der Langenthaler Fasnacht (Vize-Oberin), der Ludothek (die sie acht Jahre leitete), bei der SLRG Oberaargau (Rettungsschwimmer), die sie zehn Jahre präsidierte, und seit 2018 auch im Langenthaler Stadtrat, dem sie nun ein Jahr lang als Präsidentin und damit höchste Langenthalerin vorsteht.

Neuer Job und einige Skepsis
Zudem hat sie Anfang Jahr einen neuen Job angetreten, als Sportkoordinatorin bei Pro Senectute, nachdem sie bereits zuvor für die Organisation als Leiterin «Aqua fit» tätig war. «Dieser Job wurde mir angeboten und ist für mich wie ein Geschenk, das in meinem Alter nicht selbstverständlich ist», bemerkt sie. Zuvor war sie als Filialleiterin der Spitexorganisation «Stadt und Land» tätig. Hier sei sie zuletzt zunehmend an ihre Grenzen gestossen, habe doch der organisatorische Aufwand, der finanzielle und psychische Druck stetig zugenommen und zu einer überaus hohen Belastung geführt. Der neue Job, der ihr viel Freude bereitet, habe ihr diesbezüglich Luft und auch Freiräume verschafft.
Luft und Freiräume, die sie allerdings nicht auf ihrem Sofa im Wohnzimmer für sich nutzen will, sondern für ihr neues Amt. Ein Amt, das sie nach einigen Irrungen und Wirrungen übernommen hat. Denn eigentlich war dafür ihr EVP-Fraktionskollege Paul Beyeler vorgesehen, der jedoch Ende Jahr aus gesundheitlichen Gründen aus dem Stadtrat zurücktrat, womit das Amt des Stadtratspräsidenten verwaist war. Turnusgemäss obliegt die Besetzung des Amtes der glp/EVP-Fraktion. «Es lag deshalb auf der Hand, dass ich diese Aufgabe übernehmen würde», sagt Renate Niklaus. Doch aufgrund ihrer vielen Engagements und der neuen beruflichen Aus­gangslage sei sie auch skeptisch gewesen und habe vorerst diverse Gespräche geführt und auch die Möglichkeiten innerhalb der Partei geprüft.
Als Alternative wäre allenfalls noch der neue glp-Stadtrat Dyami Häfliger in Frage gekommen. Doch einem Stadtratsneuling dieses Amt «aufzubürden», schien wenig sinnvoll. Als dieser ihr anerbot, im Gegenzug das glp-Frak­tionspräsidium von ihr zu übernehmen, willigte Renate Niklaus ein, das Amt zu übernehmen. Entgegen komme ihr die aktuelle Corona-Krise, denn dadurch würden viele Anlässe, Sitzungen und Besprechungen wegfallen, was im Hinblick auf das neue politische Amt zweifellos von Vorteil sei.

Mit Stolz und Respekt für neues Amt
Sie sei stolz und habe zugleich Respekt vor dieser Aufgabe, sagt die neue Stadtratspräsidentin. In diversen Gesprächen sei ihr Unterstützung zugesichert worden, was sie mit einer gewissen Sicherheit und Gelassenheit das Amt antreten lasse, fügt sie hinzu. Und wer Renate Niklaus kennt, der weiss ja, dass sie, anstatt auf dem Sofa zu sitzen, sich gewissenhaft auf die jeweiligen Stadtratssitzungen vorbereiten wird. Dass sie nun ein ganzes Jahr lang zu den politischen Geschäften der Stadt schweigen muss, bereite ihr aber keine Probleme, versichert sie. Bei der Vorbereitung der Geschäfte mit ihrer Partei könne sie sich ausreichend einbringen, sagt sie dazu.
Eingebracht hat sie sich ein Leben lang, wenn man ihre vielen Engagements anschaut. Das sei wohl ein Vermächtnis ihres Vaters, sagt sie rückblickend und erwähnt, dass sich auch ihr Vater überaus stark für die Gemeinschaft engagiert habe, in der Feuerwehr, der Harmonie (heute Stadtmusik), bei den Schützen und in der städtischen Politik. Die Haltung ihres Vaters habe sie geprägt. «Ich war schon immer eine offene Person, die vorurteilslos auf andere zugeht und gerne mit Menschen zusammenarbeitet.»

Mehr Frauen in der Politik
Dass sie sich in der Politik engagieren würde, war für Renate Niklaus allerdings lange Zeit unvorstellbar. «Ich wollte eigentlich gar nie politisieren, weil ich überzeugt war, dass es die Partei für mich gar nicht gibt», erzählt sie. Bei allen etablierten Parteien sei sie auf Grundsätze und Haltungen gestossen, die ihr zugesagt hätten, aber zugleich auch auf solche, die ihr nicht sonderlich behagten. Durch einen Freund sei sie auf die glp aufmerksam geworden. «Ich habe gemerkt, dass mir die Ausrichtung der Partei passt und die Chemie mit den Leuten stimmt.» So trat sie 2016 der Partei bei und stellte sich für die Stadtratswahlen zur Verfügung. Zwei Jahre später rückte sie für den zurücktretenden Christoph Stäger ins Parlament nach.
Während ihrer bisherigen Zeit als Stadträtin habe sie gemerkt, dass ihr die politische Arbeit je länger desto mehr Freude bereite, sagt Renate Niklaus. «Ich kann hier wertvolle Erfahrungen sammeln und beschäftige mich mit Themen, mit denen ich mich normalerweise nicht auseinandergesetzt hätte. Das finde ich spannend und bereichernd.» Zudem könne sie einen Beitrag zur Entwicklung der Gemeinde leisten. «Ich bin durch und durch Langenthalerin und ich bin stolz auf unsere Stadt. Deshalb möchte ich diesem Ort und seiner Bevölkerung etwas zurückgeben», sagt sie.
Und deshalb wird sie auch dieses Jahr nur gelegentlich auf dem Sofa sitzen, denn im Leben von Renate Niklaus gibt es noch reichlich zu tun und dafür muss sie rechtzeitig ihr Sofa verlassen. Als neue Stadtratspräsidentin sei es ihr nämlich ein grosses Anliegen, noch mehr Frauen dazu bewegen zu können, ein politisches Amt zu übernehmen. «Frauen haben eine ganz andere Sichtweise auf die politischen Geschäfte und dadurch werden Themen anders angegangen und behandelt», sagt sie abschliessend.

Von Walter Ryser