Stehende Ovationen zum Saisonstart
Mit dem Ballett von Stéphen Delattre «Das Bildnis des Dorian Gray» nach dem Roman von Oscar Wilde sorgt die Delattre Dance Company (Tanztruppe der Mainzer Kammerspiele) im Stadttheater Langenthal für einen fulminanten Saisonauftakt.
Im Stadttheater Langenthal ist die Saison 2018/19 die zweite nach der Sanierung des 102-jährigen Hauses. Bevor es mit dem Ballett-Galaprogramm losgeht, stellen Theaterleiter Reto Lang und Thomas Multerer (Vizepräsident Theaterkommission) einige Perlen des attraktiven Programms vor. «Ich freue mich sehr auf Rossini», kommentiert Thomas Multerer die Oper «La Cenerentola» (Aschenputtel), mit welcher das Theater Orchester Biel Solothurn am 1. November in Langenthal auftritt.
Heiterkeit verspricht zudem die Komödie von Franz Hohler, «Cafeteria». Diese wurde am 9. Februar in Langenthal im ausverkauften Haus und im Beisein des Autors uraufgeführt und kommt am 23. November erneut auf die Stadttheater-Bühne. Lang und Multerer nennen weitere Höhepunkte des Programms – so die Komödie «Jahre später, gleiche Zeit» am 14. März mit dem bekannten 65-jährigen Schauspieler Heiner Lauterbach. Reto Lang wirbt euphorisch auch für die Uraufführung am 26. April von «Alissa», einer Komödie von Charles Lewinsky.
Wälchli Feste AG Gastro-Partner
Nach diesem spannenden Ausblick auf die Saison genehmigen sich viele Theaterbesucher vor Beginn des Balletts im Foyer ein Cüpli mit Häppchen oder eine andere Stärkung. Im Foyer fällt positiv auf, dass die Schallisolation wirkungsvoll nachgebessert wurde.
Anlässlich der Saisoneröffnung wird auch das Rätsel gelöst, wer im Stadttheater Gastro-Partner sein wird – die Wälchli Feste AG, Aarwangen. Auf die entsprechende Ausschreibung seien vier Bewerbungen eingegangen. Die renommierte Wälchli Feste AG habe auch deshalb den Zuschlag erhalten, weil sie über ausgesprochen viel Erfahrung mit kommerziellen Anlässen verfüge, verrät die fürs Ressort Kultur und Sport zuständigen Gemeinderätin Helena Morgenthaler. Mit der Kulturstiftung der GVB (Gebäudeversicherung Kanton Bern) und der Langenthaler Bauunternehmung Witschi AG konnten zudem für die kommenden fünf Jahre zwei Stadttheaterauptsponsoren gewonnen werden. Die Tatsache, dass das Stadttheater Langenthal das sechstgrösste Gastspiel-Theater der Schweiz ist, erfülle ihn mit Stolz, sagt Reto Müller später in seiner Rede, ehe er allen «erspriessliche, glückliche Stunden» im Theater wünschte, vorerst mit dem «Super-Ballett».
Gestalt bleibt schön, Porträt altert
Der 35-jährige Franzose Stéphen Delattre ist ein Multitalent in Choreografie, Dramaturgie, Libretto, Kostüme und Lichtdesign. Er garantiert mit seiner Ballett-Truppe Delattre Dance Company für hohe Qualität. Nach der grandiosen Ballett-Aufführung «Notre-Dame de Paris» im März 2018 sorgt das Mainzer Ensemble im Langenthaler Stadttheater erneut für Tanz auf höchstem Niveau und damit für einen gelungenen Start in die Saison 2018/19. In seiner Ballettfassung von «Das Bildnis des Dorian Gray» folgt Delattre weitgehend der Handlung des einzigen Romans des irischen Schriftstellers Oscar Wilde. Das aufsehenerregende Werk wurde gleich nach der Veröffentlichung im Jahr 1890 zum Skandal.
Ort der Handlung ist London. Maler Basil Hallward (Thibaut Nury) porträtiert den 20-jährigen reichen, kultivierten Aristokraten Dorian Gray (Paul Cartier), dessen Schönheit beeindruckend ist. Dies kommt im Bildnis vorzüglich zum Ausdruck. Dorian fürchtet sich vor dem Altwerden. Deshalb hofft er inbrünstig, sein Körper möge seine jugendliche Gestalt bewahren und statt seiner das Porträt altern. Der Wunsch geht in Erfüllung. Das Porträt altert und zeigt aufgrund des abscheulichen Lebenswandels des Schönlings zunehmend Züge von Bosheit und Sündhaftigkeit. Dorian verlobt sich mit der 17-jährigen Tänzerin Sybil Vane (Lara Lioi), verstösst sie dann aber erbarmungslos, als sie bei einem Auftritt versagt. Sybil begeht Selbstmord. Dorian ist schockiert, was ihn aber nicht davon abhält, sich von Lord Henry Wotton (Angel Blanco) ins Bordell zu Callboys und Freudenmädchen führen zu lassen. Dorian tötet den Maler seines Porträts, das ihn einst als unverdorbenen Schönling zeigte. Er stellt besorgt fest, wie hässlich er auf dem Bildnis jetzt dargestellt ist. Es zeigt die Zerstörung seiner Seele.
Das 152-köpfige Publikum ist von der Inszenierung sowie der tänzerischen Eleganz und Leichtigkeit entzückt. Wer mit dem Roman von Oscar Wilde vertraut ist, versteht die wortlose, musikalische Ballettversion gewiss deutlich besser als jemand ohne entsprechende Vorkenntnisse. Nach dem eindrücklichen Auftritt verabschiedet sich das Publikum mit stehenden Ovationen vom starken, überzeugenden Ensemble.
Von Hans Mathys