Sterben – ein Thema und nicht ein Tabu
An der Hauptstrasse in Rohrbach eröffnet Karin Mathys am 1. September gemeinsam mit ihrer Tochter Natascha und dem Sohn Iwan ihr ganzheitliches Bestattungsgeschäft. Sie arbeitet seit längerem in diesem Bereich.
Rohrbach · Karin Mathys dreht ein selbstgefilztes, buntes und liebevoll dekoriertes Täschchen in den Händen und legt es zurück in eine Schachtel, in welcher sich verschiedenste weitere solche befinden. Keins ist gleich wie das andere. «Fötentaschen», meint sie erklärend. Das letzte Bettchen für totgeborene Kindchen, eben noch Föten. «Ich hatte selbst eine Fehlgeburt und weiss, was das heisst.»
Den Nachthimmel anders sehen
Heute weiss sie vor allem, dass betroffene Eltern Unterstützung und Mitgefühl brauchen, dass diese «Sternenkinder», die nie das Licht der Welt gesehen haben, eine Beerdigung verdient haben. Eben hat die Trauerbegleiterin die Zusammenarbeit mit einer Sternenkinder-Organisation begonnen. «Es wird sich zeigen, wer den Weg zu mir findet.» Bereit ist sie jedenfalls. In einem Glasschrank stehen auch kleine, fein verarbeitete Urnen, «falls jemand für sein Sternenkind lieber eine solche möchte.» Sternenkinder hätten die Bezeichnung nicht von ungefähr erhalten: «Mit einem Sternenkind sieht man den Nachthimmel mit anderen Augen.» Die Wand im neuen ganzheitlichen Bestattungsgeschäft ist mit einer Wald-Tapete überzogen. Viel Holz, die als Steine gestalteten Wasserurnen, das Gestell mit den verschiedensten handgefertigten Urnen für Erwachsene, der runde Tisch, die grossen Fenster, welche für viel Tageslicht sorgen, geben dem Raum etwas Beruhigendes, vermitteln ihm Geborgenheit.
Auf den 1. September eröffnet Karin Mathys an der Hauptstrasse in Rohrbach ihr ganzheitliches Bestattungsunternehmen. Dabei wird sie von ihrer Tochter Natascha, der gelernten Schreinerin, und von Sohn Iwan, dem Velopraktiker, unterstützt. Natascha Mathys arbeitet weiterhin in ihrem Beruf. Sie wird im neuen Bestattungsgeschäft über die Wochenenden den Dienst und auch den Pikettdienst weitgehend übernehmen. Iwan Mathys dagegen wird fahren, wenn es einen Sarg braucht, wenn Verstorbene transportiert werden müssen. «Wenn eben Manneskraft gefragt ist», meint die Mutter lächelnd. Sterben war im Trio immer ein Thema, niemals ein Tabu. «Weshalb auch? Wir sind damit aufgewachsen», meint Natascha Mathys. Ihre Mutter, gelernte Floristin, arbeitete später unter anderem als Nachtwache und in der Spitextra.
«In der Pflege gehört der Tod dazu, genauso wie das Leben. Wir haben jeweils am Tisch darüber gesprochen. Der Tod ist etwas Natürliches», definiert sie. Das hat sie ihren Kindern mit ins Leben gegeben. Seit einigen Jahren arbeitet sie in einem Teilpensum bei der ganzheitlichen Bestatterin Wilma Lauber in Oensingen. Ganzheitlich, das heisst, dass das Lebensende, der Tod, das Bestatten, das Trauern Platz und Zeit haben muss. Im Angebot von Wilma Lauber stehen nebst der vollumfänglichen Bestattung mit persönlicher Gestaltung und nach Wunsch mit Ritualen die Kranken- und Sterbebegleitung sowie die Trauerbegleitung.
So ist Karin Mathys nebst ihrer langjährigen Erfahrung als Pflegerin auch explizit in die Trauerbegleitung hineingewachsen, hat die Weiterbildung als Trauerbegleiterin absolviert und zusammen mit Wilma Lauber in allen Bereichen der Bestattung, der Kranken-, Sterbe- und Trauerbegleitung gearbeitet. Diese Zusammenarbeit wird sie beibehalten. «Wir unterstützen uns», sagt die Rohrbacherin. Denn seit längerem war es ihr Wunsch, in Rohrbach ein Geschäft für ganzheitliche Bestattung zu eröffnen. Mehrere Jahre hat sie sich schon in diesem Bereich bewegt, auch im Heimatdorf. Jeweils am ersten Dienstag und am ersten Donnerstag im Monat steht das Trauercafé offen. Würde der runde Tisch zu klein, «hätte ich Ausweichmöglichkeiten», sagt sie.
«Der letzte Weg gehört zum Leben»
Es ist Karin Mathys ein Anliegen, Menschen und deren Angehörige schon dann zu begleiten, wenn sich das Leben dem Ende zu neigt. Denn «der letzte Weg gehört zum Leben.» Sie möchte den Menschen auf ihrem nur noch kurzen Weg kleine Freuden vermitteln. Dazu brauche es nur wenig. Eine schöne Rose betrachten, blühenden Lavendel riechen, zuhören oder mit den Menschen still sein. Es gelte, Lebensqualität zu vermitteln, nach dem Credo: «Dem Leben nicht mehr Tage, sondern den Tagen mehr Leben geben.» Angehörigen helfe es viel, etwas tun zu können: Zum Beispiel ein Sterbezimmer dekorieren, später die Grabstätte schmücken. So individuell ein Leben war, so würdevoll und einzigartig soll der Abschied gestaltet werden. Zurück bleibt oft eine Leere. Wichtig sei es, trauern zu können und dabei Begleitung und Unterstützung zu finden: «Nimm dir Zeit zum Trauern, aber bleib nicht ein Leben lang traurig.»
Zu den Angeboten des neuen ganzheitlichen Bestattungsgeschäfts gehören zusammengefasst: Bestattungsvorsorge, insbesondere für Alleinstehende; Lebens- und Sterbebegleitung; Pflegen und Bekleiden des Verstorbenen; Aufbahrung und Verabschiedung; Auswahl an Särgen, Urnen und Trauerartikeln; Überführung in die Aufbahrungshalle oder in das Krematorium; individuelle Bestattung einschliesslich aller Formalitäten, Gestalten spezieller Trauerfloristik und Trauerbegleitung. «Wir sind bereit», sagt Karin Mathys gegenüber dem «UE». Am Freitag/Samstag/Sonntag, 30./31. August und 1. September laden sie zu den Tagen der offenen Tür an der Hauptstrasse in Rohrbach ein.
Gut zu wissen
Informationen: Tel. 077 440 20 32; www.bestatter-in.ch
Von Liselotte Jost-Zürcher