• Der Rohrbacher Töffpilot Dominique Aegerter neben seiner Yamaha-Maschine, mit welcher der 32-Jährige seine erste Superbike-Saison bestreiten wird. · Bilder: zvg

  • Auf der neuen «Höllenmaschine» mit 220 PS erreicht Dominique Aegerter ein Tempo von bis zu 320 km/h.

23.02.2023
Sport

«Suche immer die sportliche Herausforderung»

Rohrbachs Töffstar Dominique Aegerter steht vor seiner ersten Saison in der Superbike-WM. 33 Rennen auf elf verschiedenen Rennstrecken weltweit stehen auf dem Programm. Für den 32-jährigen, zweifachen Supersport-Weltmeister ist die Kategorie

Neuland. Der Rohrbacher ist topmotiviert.

Motorsport · Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Dominique Aegerter, Töffpilot aus Rohrbach

 

Wie schwierig ist es mental, in eine neue WM, die am Wochenende mit dem GP von Australien startet, zu steigen, in welcher es sportlich unmöglich ist, die Erfolge von 2022 zu erreichen?
Damit kann ich gut umgehen. Schon als ich den neuen Vertrag unterschrieb, wusste ich, dass es eine Challenge wird. Ich suche aber immer die sportliche Herausforderung. Und wenn ich eine Stufe höher steigen kann, dann nutze ich dies. Jene Leute, welche sich wirklich für den Töffsport interessieren, wissen, was mich in der Superbike-WM für starke Gegner erwarten und dass ich einige Zeit benötige, um mich an alle neuen Begebenheiten zu gewöhnen. Wenn ich mich mit dem Töff, der neuen Elektronik und natürlich auch dem neuen Team etwas länger vertraut gemacht habe, dann dürften auch in der Superbike-WM gute Resultate möglich sein.

Sie holten 2022 den Weltmeistertitel in der Supersport-WM und den Weltcupsieg in der MotoE – dazu insgesamt 20 Saisonsiege. Haben Sie nie daran gedacht, auf dem Zenit Ihrer Karriere zurückzutreten?
Diese zwei Jahre waren eine extrem schöne Zeit. Ich bin von Erfolg zu Erfolg geeilt. Ich hatte aber nie das Gefühl, genug zu haben. Anders war dies in meinen schwierigen Jahren in der Moto2 ohne sportlichen Erfolg und finanziellen Problemen. Damals kreiste ab und zu der Gedanke, ob das Ganze noch Sinn macht. Ich zweifelte an mir. Nun ist dies ganz anders. Ich bin voller Tatendrang und freue mich enorm auf das Abenteuer Superbike-WM.

Dann haben Sie die ewige Reiserei und das seltene Daheimsein auch im Alter von 32 Jahren noch nicht statt?
Ich bin sehr gerne unterwegs. Dies macht mir gar nichts aus. Ich freue mich aber auch jedes Mal wie ein kleines Kind, wenn ich wieder die Ortstafel von Rohrbach sehe. Dort bin ich aufgewachsen, dort bin ich zuhause, dort fühle ich mich wohl. Ich muss im gleichen Atemzug aber auch erwähnen, dass die zwei letzten Saisons mit der Doppelbelastung schon krass waren. Neben der Vielzahl an Rennen kamen durch den Erfolg viele Events und Medientermine hinzu.

Dank Ihren Topleistungen erhalten Sie die Chance, in einem konkurrenzfähigen Yamaha-Team mit gutem Material in der Königsklasse der Superbike-Rennszene zu fahren. 23 Fahrer sind am Start. Wie lautet Ihr Saisonziel?
In der Superbike-Klasse hat es sehr viele starke Rookies. Es reizt mich, am Ende der Saison bester dieser Neulinge zu sein. Zugleich möchte ich sowohl bester Privat- wie auch Yamaha-Pilot sein, was sehr schwierig wird. In den ersten paar Rennen muss ich zuerst einmal den Tritt finden. Ich hatte wirklich eine sehr kurze Vorbereitungszeit und Angewöhnungsphase mit wenigen Tests, wenn man beachtet, dass in der Superbike-Klasse für mich alles komplett neu ist. Läuft es gut, traue ich mir schon in der Rookie-Saison Top-10-Klassierungen zu.

Neu gibt es an einem Wochenende drei statt zwei Rennen.
Genau. Während es in den beiden Rennen über die volle Distanz am Samstag- und Sonntagnachmittag traditionell 25 Punkte für den Rennsieg gibt, werden im Sprintrennen am Sonntagvormittag bloss 12 Punkte für den Sieg verteilt. Die Rennen über die lange Distanz werden immer zwischen 90 und 100 Kilometer dauern. Die Sprintrennen sind überall auf zehn Runden angesetzt, was um die 40 Kilometer ergibt.

Damit fahren Sie 33 Rennen auf elf verschiedenen Rennstrecken. So ist es nicht mehr möglich, in einer zusätzlichen Rennklasse zu fahren.
Ich habe mein Ziel mit dem Gewinn des MotoE-Weltcups im dritten Anlauf letzte Saison erreicht. Dieses Projekt ist abgeschlossen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich den Motorenlärm und den Benzingeruch viel mehr liebe. Weiter habe ich jetzt mit Yamaha einen direkten Vertrag. Die MotoE wird neu von Ducati beliefert. Schon deshalb wäre ein erneutes Mitmachen in der MotoE-Klasse nicht möglich. Abgesehen davon, dass ich dies gar nicht mehr will. Drei Rennen an einem Wochenende sind anspruchsvoll. Es wird für die Regeneration gut sein, wenn ich nicht jedes Wochenende im Einsatz stehe.    

Auf welche Rennstrecke freuen Sie sich am meisten, wo rechnen Sie sich die grössten Chancen auf Spitzenplätze aus?
Ich mag die Strecken in Misano, Assen und Barcelona sehr.

Wer wird Superbike-Weltmeister 2023?
Der aktuelle Supersport-Weltmeister Alvaro Bautista aus Spanien.

Sie mussten sich an eine 1000 ccm-Viertaktmaschine mit 220 PS und 240 Kilo Gewicht (mit Pilot) gewöhnen. Dafür hatten Sie wenige Wochen Zeit. Obwohl Sie einer der besttrainiertesten Töffpiloten überhaupt sind, hatten Sie nach den Testfahrten immer mit Muskelkater zu kämpfen. Wie kriegen Sie dieses Problem in den Griff?
Ich bin physisch wirklich in einer ausgezeichneten Verfassung, tue sehr viel dafür. Trotzdem sind es 100 PS mehr als in der Supersport-Kategorie, die zu handeln sind. Es braucht einfach viel mehr Kraft. Besonders die Unterarme werden durch das Gewicht beim Anbremsen stark belastet. Ich habe in der Vorbereitung stark unter dem sogenannten «Armpump» gelitten. Dieses starke und schmerzhafte Anschwellen der Unterarmmuskulatur und die «fehlende Muskelpumpe», welche dafür sorgt, dass das Blut wieder aus dem Muskel gepumpt wird, hat mir grosse Probleme bereitet. An unzureichender Fitness kann es nicht liegen. Viele Berufssportler, überwiegend Rennfahrer, unterziehen sich einem chirurgischen Eingriff. Dabei wird die Faszienhülle eingeschnitten oder vollständig entfernt. Auf diese Weise entsteht für den betroffenen Muskel mehr Raum und eine Stauung der Blutzirkulation wird verhindert.
Ich bin gerade am abklären, ob dieser Eingriff bei mir sinnvoll ist, weil ich doch schon seit zehn Jahren immer wieder mit diesen «Armpump»-Problemen zu kämpfen habe – und jetzt sind sie so schlimm wie nie vorher. Wenn ich den Lenker kaum mehr halten kann, wird es schwierig.

Haben Sie schon einmal mit einem Wettkampftöff eine höhere Spitzengeschwindigkeit erzielt als mit Ihrer jetzigen Yamaha YZF R1 des GYTR GRT Yamaha Worldsuperbike Teams?
Nein, nie zuvor. Ich erreiche eine Spitzengeschwindigkeit von 320 km/h. Ein absolut geiles Gefühl. Aber ich muss mich recht festhalten. Wenn ich beim Anbremsen die aerodynamische Position verlasse und den Oberkörper in den Wind bewege, wirken enorme Kräfte. Ab Tempo 300 km/h ist es wirklich extrem.

Ihr Teamkollege ist der Australier Remy Gardner (24), der Sohn des Töffweltmeisters von 1987, Wayne Gardner. Remy Gardner wurde 2021 Weltmeister in der Moto2-Klasse. Wie profitieren Sie von Ihrem Teamkollegen?
Wir sind im selben Team und pflegen den Austausch unserer Daten, wovon beide Piloten profitieren. Ich bin froh, dass Remy so schnell ist. So kann ich Hinweise betreffend der Elektronik oder der Pneus sehr gut nutzen.

Wayne Gardner dürfte sicher auch eines Ihrer Idole sein. Kam es schon zu einem Austausch mit der Töfflegende?
Ich werde ihn sicher an zahlreichen Rennen sehen und hoffe, dass ich ihn etwas besser kennenlerne. Ich habe in den vergangenen Jahren allerdings schon einige Male mit ihm gesprochen.

Nicht nur sportlich, sondern auch finanziell war die Saison 2022 äusserst erfolgreich. Wie sieht es als Superbike-Rookie aus? Werden Sie mit Sponsorengeldern und Leistungsprämien auch wieder einen schönen Gewinn erzielen können?
Ich lebe von meinen privaten Hauptsponsoren, bei welchen ich mich an dieser Stelle recht herzlich bedanken möchte. Dazu gibt es einen Lohn vom Team. Was mir heuer sicher fehlen wird, sind die vielen Leistungsprämien für die vielen Siege und Podestplätze in den vergangenen zwei Saisons. Aber auch ohne diese Prämien, welche ausschliesslich für Podestplätze gezahlt werden, werde ich das Jahr 2023 finanziell erfolgreich bestreiten. Dies ist wichtig. Ich kann mich komplett auf das Töfffahren konzentrieren.   

Zuletzt ein Blick in die Zukunft. Sollten Sie sportlich die Resultate liefern: Wie lange gedenken Sie, in der Superbike-WM fahren zu können?
Mein Vertrag wurde über eine Saison ausgestellt. Allerdings habe ich beim GYTR GRT Yamaha World-Superbike-Team bereits eine Option auf Verlängerung, welche leistungsabhängig ist. Ich bin motiviert, so lange wie möglich in dieser Kategorie zu fahren. Dafür muss ich Spass haben, gesund bleiben – und Resultate liefern.