• Der wiedergewählte Stadtpräsident Reto Müller (links) nimmt die Glückwünsche zur Wiederwahl von seinem Herausforderer Marco Burkhalter entgegen. Bild rechts: Grosserfolg für die SVP Langenthal, die einen dritten Sitz im Gemeinderat eroberte und neu mit Martin Lerch, Patrick Fluri und Patrick Freudiger (von links) im Rat vertreten ist. · Bilder: Leroy Ryser

28.10.2024
Langenthal

SVP grosse Siegerin der Gemeinderatswahl

Die Gemeinderatswahlen in Langenthal enden mit einer grossen Überra­schung und einem Rechtsrutsch: Die SVP ist die grosse Wahlsiegerin. Die Partei gewinnt mit Martin Lerch, Patrick Fluri und Patrick Freudiger (alle neu) einen dritten Sitz im Rat, auf Kosten der Grünen, die ihren Sitz nach dem Ausscheiden von Matthias Wüthrich nicht verteidigen konnten. Weil die FDP ihre beiden Sitze verteidigte (mit Michael Schär, bisher, und neu mit Stefanie Barben) ist der Langenthaler Gemeinderat ab 2025 klar bürgerlich dominiert, befinden sich doch mit dem souverän wiedergewählten Stadtpräsidenten Reto Müller (SP) und Martina Moser (SP, bisher) nur noch zwei Vertreter einer linken Partei im Gemeinderat.

Das erwartete Ergebnis brachte die Wahl des Stadtpräsidenten. Reto Müller (SP) wird am 1. Januar 2025 seine dritte Amtszeit in Angriff nehmen. Der 46-jährige, dreifache Familienvater schaffte bei einer Stimmbeteiligung von 35,9 Prozent die angestrebte Wiederwahl souverän. Bei 3439 gültigen Stimmzetteln und einem absoluten Mehr von 1696 Stimmen erhielt der amtierende Stadtpräsident 1945 Stimmen. Sein Herausforderer, der 39-jährige, selbständige Maler Marco Burkhalter aus dem Ortsteil Obersteckholz, eroberte immerhin beachtliche 995 Stimmen. Insgesamt gingen auch 48 ungültige sowie 451 leer abgegebene Stimmzettel ein, die eine gewisse Unzufriedenheit mit dem amtierenden Stadtpräsidenten ausdrückten.

Achtungserfolg für Herausforderer
Reto Müller gestand nach seiner erfolgreichen Wiederwahl, dass ihn dies im Vorfeld irritiert habe, «weil diese scheinbare Unzufriedenheit nicht konkretisiert und mir gegenüber nie persönlich ausgedrückt wurde und ich fragte mich, weshalb sich diese Leute nicht bei mir melden», sagte er nach Bekanntgabe des Wahlresultats. Er sei aber weiterhin dialogbereit, «man kann auf mich zugehen und mir mitteilen, wenn man mit etwas nicht zufrieden ist», fügte er hinzu. Mit 54,4 Prozent der Stimmen konnte er immerhin deutlich mehr als die Hälfte aller Stimmen auf sich vereinen. Die angestrebte Wiederwahl gegen einen Herausforderer habe er als Ansporn empfunden, sagte der «Stapi». «Diese Ausgangslage hat mir geholfen, mich noch einmal mit meinem Amt auseinanderzusetzen und mir vor Augen zu führen, was ich genau will und welche Ziele ich verfolgen möchte.» Hier wurde er bereits kurz nach seiner Wiederwahl konkret und sagte: «In erster Linie wird es darum gehen, Angefangenes wie den Umbau des Bahnhofs zu beenden. Aber auch bei den Schulinfrastrukturen besteht Handlungsbedarf und müssen wir nun richtig Gas geben. Zudem ist es wichtig, dass wir uns als Gemeinderat in neuer Zusammensetzung rasch finden und ein gutes Team werden», äusserte sich Müller zu den kurzfristigen Zielen in der neuen Legislatur 2025 bis 2028. Von einem Achtungserfolg und einer tollen Erfahrung sprach demgegenüber Marco Burkhalter, der Herausforderer von Reto Müller. «Dass ich fast 1000 Stimmen erreichte, zeigt mir, dass meine Anliegen in der Bevölkerung Anklang fanden», betonte er. Dabei gab er dem Wahlsieger und dem neuen Gemeinderat mit auf den Weg, dass er es als wichtig erachte, in den Unterhalt der städtischen Gebäude wie der Markthalle, der Alten Mühle oder die Schulen zu investieren. Dass die Kandidatur für das Stadtpräsidium bei ihm die Lust auf politische Arbeit geweckt haben könnte, bestätigte er. «Ja, vielleicht wäre es eine Überlegung wert, bei den nächsten Gemeindewahlen mit einem Bündnis Ober-/Untersteckholz anzutreten. Dabei muss ich ja dann nicht unbedingt wieder für das oberste Amt kandidieren, eine Kandidatur für den Stadtrat würde fürs Erste auch reichen», gab der unterlegene «Stapi»-Kandidat lachend zu verstehen.

«Das ist Wahnsinn»
«Damit haben wir nicht gerechnet, das ist Wahnsinn», kommentierte Corinna Grossenbacher, Präsidentin der SVP Langenthal, das Ergebnis der Langenthaler Gemeinderatswahlen. In der Tat: Die Volkspartei landete einen überraschenden Coup und schnappte sich den Sitz der Grünen (des abtretenden Matthias Wüthrich), den viele Wahlprognostiker eher der SP zuordneten (Saima Sägesser oder Roland Loser). Damit ist die SVP neu mit drei Gemeinderäten im Gremium vertreten. Alle drei gewählten, Martin Lerch, Patrick Fluri und Patrick Freudiger, werden zudem neu in den Gemeinderat einziehen. «Dieser Erfolg ist klar darauf zurückzuführen, dass die Langenthaler Bevölkerung eine bürgerliche Politik bevorzugt», analysiert Corinna Grossenbacher das Ergebnis. Er habe insgeheim auf einen solchen Ausgang gehofft, nicht zuletzt aufgrund des nationalen Trends in den letzten Wochen, mit diversen SVP-Erfolgen bei Gemeindewahlen, erläuterte der neu gewählte SVP-Gemeinderat Patrick Fluri. Für ihn sei das Resultat eine Genugtuung und zugleich stelle es aber auch eine Herausforderung dar. «Die Wähler erwarten etwas von uns und wir sind in der Pflicht, nun auch zu liefern», sagte Fluri. Hoch erfreut sei er, gab Martin Lerch, der «Senior» im Gemeinderat zu verstehen. Der 69-jährige, neue SVP-Gemeinderat bezeichnete seine Wahl als Überraschung, weil er insgeheim vermutet habe, dass mit Corinna Grossenbacher eine Frau den Vorzug erhalten würde. «Vor allem bin ich froh über meine Wahl, weil ich der Meinung bin, dass es wichtig ist, einen Vertreter meiner Generation in der Exekutive zu haben, wenn man die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft anschaut», betonte Lerch.

Bestergebnis für Martina Moser
Mit Patrick Freudiger schaffte jener Kandidat der SVP Langenthal den Sprung in den Gemeinderat, den die meisten in diesem Gremium erwartet hatten. Mit 1552 Stimmen erzielt der 39-jährige Rechtsanwalt Dr. iur. ein Glanzresultat, das zweitbeste aller Ratsmitglieder. «Ich bin überwältigt und fühle mich geehrt», erwähnte er gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Für ihn sei das Ergebnis eine Bestätigung dafür, dass seine Politik, die er während 19 Jahren im Stadtrat praktiziert habe, bei der Bevölkerung ankomme. Dass die SVP einen dritten Sitz eroberte, führt Freudiger darauf zurück, dass man eine starke Liste mit Kandidierenden aus allen Gesellschaftsschichten gehabt habe. «Aber vor allem steht die SVP für klare Positionen und sie übernimmt Verantwortung. Dies erzeugt bei der Bevölkerung Vertrauen.» Übertroffen wurde Freudiger nur von Martina Moser (SP), die mit 1655 Stimmen und dem besten Ergebnis aller Gemeinderats-Kandidierenden wie­dergewählt wurde. Sie könne sich dieses Super-Ergebnis nicht so recht erklären, zeigte sie sich sprachlos und überwältigt. «Es ist ein sehr schönes Zeichen der Langenthaler Wählerinnen und Wähler, das ich als Wertschätzung für meine Arbeit empfinde», sagte die 40-jährige Gymnasial- und Berufsschullehrerin. Sie sei keine Lautsprecherin, eher die stille, aber seriöse Schafferin, «die jedoch von der Stimmbevölkerung durchaus wahrgenommen wird», zeigte sie sich hocherfreut über ihr Wahl-Ergebnis. Um Worte rang dagegen Stefanie Barben (FDP), die mit 995 Stimmen neu für Markus Gfeller in den Gemeinderat einzieht. Die 54-jährige eidg. dipl. Hotelière sagte, dass sie nach ihrer Wahl Stolz verspüre, das Ergebnis aber auch noch gar nicht richtig einstufen könne. «Ich muss das alles noch etwas verdauen, aber sicher haben wir einen guten Wahlkampf gemacht, denn es war im Vorfeld nicht sicher, dass wir unsere beiden Sitze verteidigen können», zeigte sie sich erleichtert. Den zweiten FDP-Sitz sicherte sich der bisherige Gemeinderat Michael Schär, mit überzeugenden 1220 Stimmen. 

Gemeinderatswahlen Langenthal. Gewählt sind: Reto Müller (SP, Stadtpräsident, bisher, 1945 Stimmen), Martina Moser (SP, bisher, 1655), Patrick Freudiger (SVP, neu, 1562), Schär Michael (FDP, bisher, 1220), Patrick Fluri (SVP, neu, 965), Stefanie Barben (FDP, neu, 955), Martin Lerch (SVP, neu, 934).

Von Walter Ryser