«Toxische Beziehungen machen krank»
Eine toxische Beziehung ist laut Definition eine dysfunktionale, destruktive Beziehung, in der die Bedürfnisse eines der beiden Partner im Vordergrund stehen, während die des anderen nicht beachtet und übergangen werden. «Sina» (richtiger Name der Redaktion bekannt) weiss ganz genau, was eine toxische Beziehung ist. Sie hat dem «Unter-Emmentaler» ihre Geschichte erzählt und wie sie sich mit der Hilfe von Beatrice Schürch aus dem Dilemma befreien konnte.
Roggwil · Sina wurde mit 30 Jahren Witwe. Aufgrund dieser schweren Erfahrung war sie nicht gefestigt. «Ich geriet dann in eine Beziehung mit einem Mann, der erst sehr liebevoll, offen, lustig und warmherzig wirkte», erzählt sie. Sie wurde sehr schnell schwanger, was für sie sehr schön war, da sie zuvor mit ihrem ersten Mann zwei Fehlgeburten erlitten hatte und sie in den fünf Jahren einfach kein Kind bekommen konnten. «Nach der Geburt des ersten Kindes wurde es dann dramatisch. Er wurde immer aggressiver und war lieblos. Er hat viel mit mir und unserem Kind geschimpft, und ich weinte viel.» Phasenweise sei es besser gelaufen und sie habe immer gehofft, dass es besser werden würde. Er hatte ihr auch versprochen, eine Therapie zu machen – bis heute hat er keine gemacht. «Wir haben dann noch ein zweites Kind bekommen und da wurde alles noch viel schlimmer, da der Stress auch für ihn anwuchs. Von Woche zu Woche hat sich die Situation zugespitzt», erzählt sie weiter. Die Beziehung dauerte sieben Jahre. «Als ich mir eingestanden habe, dass ich eine toxische Beziehung habe, habe ich mich an Beatrice Schürch gewendet. Ich las etwas darüber und verstand, dass ich meine Kinder in Gefahr bringe und sie ein völlig falsches Bild und Konstrukt von Beziehungen lernten. Das ältere Kind hatte schon Verhaltensänderungen und ich begriff, dass diese aus der Beziehung und der Situation, in der wir lebten, entstanden war.» Zu der Zeit hatte sie kaum noch Energie, ihren Alltag zu bewältigen und sie war lustlos. Sie war auf sich alleine gestellt, ihre Mutter ist schwer depressiv und gab ihr keinen Halt. Aber dann sagte sie sich: «Jetzt muss was passieren!»
Der Ausbruch
Während einer Ausbildung lernte sie Beatrice Schürch kennen. «Ich war tief bewegt von ihrer eigenen Geschichte und wie ruhig, klar und liebevoll sie von allem erzählte, was ihr passiert ist. Ich hatte von Anfang an ein tiefes Vertrauen zu ihr. Ich wusste, ich bin bei ihr sicher. Das war für mich unsagbar wichtig. Denn für mich war es ein sehr schambehaftetes Thema, in einer toxischen Beziehung zu leben – ist es immer noch», erzählt sie von ihrem Ausbruch aus der toxischen Beziehung. Beim ersten Gespräch mit Beatrice Schürch hatte sie grosse Angst vor einer Verurteilung und schämte sich, dass sie es sich so lange hatte gefallen lassen. «Beatrice Schürch hat mir so viel Verständnis entgegengebracht, und dadurch konnte ich mich so tief öffnen. Auch hat sie mir erklärt, wie das systematische Vorgehen bei toxischen Menschen funktioniert. Und somit konnte ich in die Annahme gehen, was für mich ein unglaublich grosses Geschenk war», erzählt sie dankbar. Beatrice Schürch zeigte ihr praktische Übungen, wie sie sich emotional und kognitiv stärken konnte, um ihren eigenen Weg gehen zu können und sich aus dieser Falle zu befreien.
Gespräche und Bewusstsein
Über rund drei Monate führte Beatrice Schürch Gespräche mit Sina. Manchmal längere, manchmal auch nur kurze Telefonate. «Sie hat mich immer unterstützt und gestärkt, damit ich den grossen Schritt in die Freiheit machen konnte», erzählt die 39-Jährige weiter. «Beatrice Schürch schaffte es, dass ich den Schalter von Selbstverurteilung und Scham umlegen konnte, dass ich zu mir stehen darf und ich nicht an allem schuld war. Und dann ging alles sehr schnell bei mir.»
Sieht sie sich selbst als geheilt? «Die Wunden auf seelischer und emotionaler Ebene, die in den sieben Jahren der toxischen Beziehung entstanden sind, brauchen Zeit zu heilen. Aber ich verurteile mich selber nicht mehr und bin mir nun im Klaren, warum ich dieses Beziehungsmodell angezogen habe», sagt sie. Die Erklärung: Sie komme aus einem ähnlichen Konstrukt in der Kindheit.
Heute ist es besser
«Ich mache heute immer noch meine Übungen, denke aber, dass ich jetzt das Bewusstsein habe, was da schief gelaufen ist und ich dieses Bewusstsein in eine etwaige neue Beziehung mitnehmen kann. Ich kann wacher und in Liebe zu mir selbst entscheiden, muss keine Beziehung eingehen, nur um Liebe zu haben oder nicht alleine sein zu müssen», sagt sie gestärkt. Zudem wisse sie heute, eine Beziehung dürfe anders sein, als sie es erlebt habe. Eine Beziehung bedeute Sicherheit und Vertrauen und sich fallen lassen können. «Heute fühle ich mich sehr frei und zufrieden», sagt sie befreit. Dennoch ist es in einigen Momenten schwer. Da sie mit dem toxischen Mann zwei Kinder hat, ist der Kontakt immer noch da, und manchmal ist es schwierig, da er sehr charmant sein kann und sie erneut versucht einzuwickeln. «Bei Beatrice Schürch habe ich über solche Momente reden können und konnte mich somit darauf vorbereiten, um die Fallen zu erkennen und nicht in sie rein zu tappen.»
Rat an Betroffene
Anderen Betroffenen rät sie: «Glaube an dich und versuche nie, dich mit weniger zufrieden zu geben, als du dir wünschst und vorstellst. Das Leben ist viel zu kurz, um darauf zu warten, dass sich der Partner ändert. Der Schritt in die Freiheit darf sein, der Schritt zu sich selber.» «Was mir besonders geholfen hat, war klar zu sagen, ich entscheide mich nicht gegen dich, sondern für mich, für meinen Selbstwert, für meine Selbstliebe und meinen Weg», sagt sie mit Nachdruck. Hat sie einen Wunsch für die Zukunft? «Ja, ich wünsche mir, dass ich sosehr geheilt bin, dass eine nächste Beziehung nur aus der Fülle und der Liebe geschlossen wird», sagt sie hoffnungsvoll. Und weiter wünscht sie Betroffenen: «Dass sie auch so liebevolle und wertschätzende Unterstützung bekommen wie ich durch Beatrice Schürch.»
Therapie mit Sina
Beatrice Schürch erzählt aus der Therapie mit Sina: «Sie hat oft geweint, konnte sich aber sehr gut öffnen und wir hatten sehr erfolgreiche Gespräche. Am Anfang habe ich ihr einen Fragebogen zukommen lassen, welchen sie ausfüllte und mir zurück sandte. Es gibt viele verschiedene Faktoren und es ist sehr wichtig, dass ich als Therapeutin diese zu Beginn weiss. Unter anderem auch, ob und wenn ja, welche Medikamente sie einnimmt. Danach gestaltete ich ein Schema mit den wichtigsten Fragen. Sina erzählte mir dann, was sie alles in ihrem Leben erlebt hat. Auch die Vergangenheit war wichtig. Zudem habe ich sie auch aus der Vogelperspektive erzählen lassen. Das gab ihr einen grossen Einblick in ihre Situation. Ich erklärte ihr die verschiedenen Methoden, wie man die negativen Emotionen aus dem Unterbewusstsein los lassen kann und gab ihr Meditationen und Affirmationen, speziell auf sie abgestimmt.
Unter anderem gab ich ihr die Affirmation: ‹Ich bin gesund an Körper, Geist und Seele.› Diese Affirmation hatte eine unglaublich grosse und positive Wirkung bei Sina», erklärt Beatrice Schürch. Affirmationen seien einfache, klare und positiv formulierte Sätze. Laut oder leise wiederholt ausgesprochen dienen sie dazu, das Unterbewusstsein mit neuen Informationen zu versorgen. «Ziel ist es, mit Hilfe der Affirmationen Blockaden zu lösen, Störungen und überholte, festgefahrene und hindernde Gedankenstrukturen zu entfernen und neue positive, befreiende und inspirierende Gedankenmuster zu schaffen. Affirmationen zählen zu jenen wirkungsvollen psychologischen Werkzeugen, die – ohne zusätzliche Hilfsmittel anwenden zu müssen – unsere Fähigkeit unterstützen, unser eigenes Verhalten systematischer und zielsicherer zu steuern. Somit leisten sie einen zuverlässigen und zugleich kostengünstigen Beitrag zur persönlichen Weiterentwicklung», erklärt Beatrice Schürch.
Weiter seien auch Waldspaziergänge von sehr grosser Bedeutung und da Sina in unmittelbarer Nähe der Natur wohne, konnte sie Meditationen in der freien Natur durchführen, was sich auch sehr positiv auf ihre Gesundung auswirkte. «Schliesslich erkannte sie durch unsere Gespräche ihre Probleme, und mit vielen weiteren Fragen kamen wir dem Ziel immer näher. Sina konnte ihrem Partner dann schlussendlich sagen, dass es eine Trennung gebe. In ihrem Inneren wusste sie dies ja schon lange, sie brauchte aber die Kraft und Unterstützung, diese auch durchzuziehen und sich zu befreien», erzählt sie erfreut. Beatrice Schürch hat immer noch sporadisch Kontakt mit Sina und begleitet sie weiter auf ihrem Weg.
Selbst erlebt
Beatrice Schürch litt Jahrelang unter Angst- und Panikattacken, Schmerzen am ganzen Körper und landete schliesslich im Rollstuhl. Dies alles, weil sie in toxischen Beziehungen lebte. Durch ihre Ausbildung zum Mentalcoach konnte sie sich aus ihrem Dilemma befreien und hilft heute nun selbst Menschen, die in ähnlichen Situationen stecken. Beatrice Schürch erlebte am eigenen Leib, was bei toxischen Beziehungen alles dahintersteckt. «Ich hatte mein ganzes Leben lang toxische Beziehungen, in meiner Kindheit, in meiner ersten und auch in der zweiten Ehe», erzählt sie. «Viele Menschen denken, nur der Partner sei die leidende Person, das ist jedoch nicht der Fall, auch die Kinder leiden darunter. Da ich eine toxische Kindheit hatte, fühlte ich sehr stark mit meinen sechs Kindern, die nun auch so aufwachsen mussten. Eines meiner erwachsenen Kinder wurde sehr krank und ist es leider heute immer noch. Ein weiteres leidet heute ebenfalls immer noch an den Folgen, wie es in der Kindheit behandelt wurde», sagt sie traurig. Über 65 Jahre lang ertrug sie toxische Beziehungen, bis sie sich vor einem Jahr daraus befreite.
Ausbildung zum Mentalcoach
«Niemand konnte mir sagen, weshalb ich in solche Beziehungen geriet und so viele Jahre unter Angst und Panikattacken litt», erzählt sie. Sie entschloss sich, nicht länger das Opfer zu sein, sondern zu handeln, sich selbst zu helfen. Während ihrer Ausbildung zum Mentalcoach nach Christian Huber, der nach den Lehren des Urvaters des positiven Denkens, Dr. Joseph Murphy, unterrichtet, hat sie sich selbst auch coachen lassen und konnte so erkennen, was in ihrem Leben schiefgelaufen ist. «Im Unterbewusstsein ist alles abgespeichert und genau da können die Traumas gelöst werden. Seit der Ausbildung lebe ich ohne Schmerzen und ohne Angst- und Panikattacken, und ich kann zu Hause schon wieder gehen. Sogar mein chronischer Heuschnupfen ist verschwunden», erzählt sie zufrieden. «Der erste und sehr wichtige Schritt ist, zu erkennen, dass man leidet, um überhaupt Hilfe annehmen zu können», sagt sie bestimmt. «Da ich diese schlimmen Erfahrungen über mich selbst ergehen lassen musste, weiss ich heute, wie man seinen Körper, seinen Geist und seine Seele wieder ins Gleichgewicht bringen kann», erklärt die 66-Jährige.
Möchte anderen helfen
«Mir ist es sehr wichtig, dass ich möglichst vielen Betroffenen helfen kann, vor allem auch frühzeitig», sagt Beatrice Schürch bestimmt. Toxische Beziehungen dürften einfach kein Tabuthema mehr sein. «Mit Coaching und ohne Chemie kann man die Probleme lösen.
Ich gebe jedem Klienten Affirmationen mit, damit er auch zu Hause für sich arbeiten kann. Bei mir hat auch das Meditieren einen hohen Stellenwert, aber nur wenn es gewünscht wird», erklärt sie ihre Hilfestellung. Selbstverständlich helfe sie auch bei anderen Problemen, die nicht toxischer Natur sind oder sich in Angst- und Panikattacken einteilen lassen. Sie selbst ist sehr dankbar für alles, was sie bis heute an Positivem gewinnen konnte und wünscht sich, dass sie ihr Leben weiter so geniessen kann, wie bisher. Mit Coaching, Meditationen, gesundem Essen und Musik geniesse sie jetzt ein wunderbares Leben. Denn für sie ist es nicht selbstverständlich, dass sie jeden Tag mit ihrem Hund waldbaden kann. «Diese Waldstunden sind für mich Meditation pur», sagt sie glücklich. «Es ist so schön, der Mensch zu sein, der man tatsächlich ist – zu dem wunderbaren Gefühl möchte ich vielen Menschen verhelfen, die dies durch toxische Beziehungen oder sonst einem Grund nicht sein können», sagt sie. Heute wohne sie der «Community 1 Neuer Tag» bei und lebe nach dem Leitbild von Christian Huber: «Unsere Mission ist es, Persönlichkeitsentwicklung auf höchstem Niveau für jeden zugänglich zu machen: Gemeinsam jeden Tag einen Schritt weiter.» – «Weil jeder Tag zählt», sagt sie zum Schluss.
Toxische Beziehung raubt Energie
Eine toxische Beziehung beschreibt Partnerschaften, die uns Kraft kosten und Energie rauben. In denen wir uns ständig streiten. Ein Verhältnis, in dem wir überwiegend traurig und unzufrieden sind. Kurzum: Toxische Beziehungen sind Verbindungen zu Menschen, die uns, anstatt uns glücklich zu machen, unglücklich machen. Das heisst, nicht die Beziehung per se ist vergiftet, vielmehr sind es die Verhaltensweisen des Partners, die vergiftend auf eine Beziehung wirken können.
Von Marianne Ruch