• Beruflich ist Adrian Rothenbühler als Dozent im Einsatz: Er bildet Trainer zu noch besseren Trainern aus. · Bild: BASPO/Ralph Heksch

30.12.2019
Sport

Trainersein ist Hobby und Beruf zugleich

Adrian Rothenbühler, Rüegsauschachen/Liebefeld – Adrian Rothenbühler wurde bei den Swiss Sport Awards zum Trainer des Jahres gewählt. Der 46-Jährige ist im Rüegsauschachen aufgewachsen, hat in Hasle-Rüegsau als Lehrer gearbeitet und wurde nun schweizweit bekannt als Trainer von Mujinga Kambundji und Géraldine Ruckstuhl. Seine Tätigkeit als Trainer der beiden Spitzenathletinnen ist für den besten Trainer des Jahres aber mehr ein Hobby – obwohl er auch im Berufsleben so gesehen als Trainer für Trainer amtet.

Leichtathletik · In seiner Dankesrede nach der Preisverleihung zum Trainer des Jahres bei den Sport Awards hat es Adrian Rothenbühler gleich zu Beginn gesagt: «Ich bin eigentlich nur wegen den Athletinnen hier.» Und vielleicht gerade deshalb war es für den 46-Jährigen besonders erfreulich, wenn eben auch der Trainer ausgezeichnet wird und nicht nur die erfolgreichen Athletinnen im Zentrum stehen. «Fantastisch», sei es gewesen, bestätigt er im Interview mit dem «Unter-Emmentaler» prompt. Er empfinde diesen Award aber nicht nur als Auszeichnung für sein Engagement bei Mujinga Kambundji, sondern vielmehr als Preis für die jahrelange Arbeit als Trainer zahlreicher Athleten.
Der Bronze-Erfolg im 200-Meter-Rennen an den Weltmeisterschaften in Doha von Kambundji war für Adrian Rothenbühler aber zweifellos ein Türöffner. Oder auch ein Höhepunkt seines bisherigen Schaffens. In mittlerweile mehreren Jahren als Trainer in der Leichtathletik ist er mit seinen Schützlingen nämlich stets einen Schritt weiter gekommen. «Zuerst waren da Qualifikationen an internationalen Wettkämpfen im Nachwuchs, dann in der Elite. Später kam die erste Medaille auf Stufe Nachwuchs und mittlerweile sogar auf Stufe Elite», erinnert sich Rothenbühler und hängt lachend an: «Eigentlich müsste ich jetzt meinen Rücktritt ins Visier nehmen.» So weit ist es vorläufig aber noch nicht, denn eigentlich sind seine Trainerämter vielmehr Hobby als Beruf und deshalb auch der perfekte Ausgleich zu seinem Arbeitsalltag.

Kambundji und Ruckstuhl
Passenderweise dreht sich aber auch dieser um Sport. Rothenbühler arbeitet in Magglingen beim Bundesamt für Sport bei der Trainerbildung Schweiz als Ausbildner. Anders gesagt: Er bildet die besten Trainer des Landes zu noch besseren Trainern aus und schult sie vor allem im Bereich der Trainings- und Konditionslehre. Diese Begegnungen seien sehr interessant, vor allem auch, weil er Personen aus unterschiedlichen Sportarten ausbildet und betreut. «Noch heute rufen mich ehemalige Teilnehmer immer mal wieder an und fragen mich um Rat, wenn sie nicht weiter mehr wissen.» Das Pensum, welches der 46-Jährige leistet, beläuft sich auf 80 Prozent – und erst danach arbeitet er mit seinen Vor-
zeigeathletinnen zusammen. Neben Kambundji gehört da auch die Altbüronerin Géraldine Ruckstuhl dazu. Während er bei der Sprinterin viel eher als Berater und Coach amtet, ist er bei der Mehrkämpferin hingegen als Trainer im Einsatz. «Mujinga hat ein sehr gutes Team um sich und versteht es, in den richtigen Momenten auf die richtigen Personen zurückzugreifen», sagt Rothenbühler. Mit ihr, die beinahe seine Nachbarin ist, pflege er deshalb wahrlich ein dem entsprechendes Verhältnis. «Zwischen uns ist es wie bei Nachbarn. Manchmal sieht man sie weniger und auch weniger gerne, wenn man aber etwas voneinander braucht, kann man stets aufeinander zugehen und manchmal auch gemeinsam Feste feiern.» Bei der Bernerin hilft Röthenbühler derweil auch beim Ausarbeiten von Jahres- und Trainingsplänen, beispielsweise in Doha war er als Unterstützer direkt vor Ort mit dabei. «Mujinga ist eine Person, die es beherrscht, Menschen für sich zu gewinnen», erklärt er weiter. Den Eindruck, der sie vor der Kamera erweckt, trüge nicht. Auch abseits der Medien sei sie dieser fröhliche, freundliche Typ. «Aber sie ist auch sehr kompetitiv und will etwas erreichen.»
Géraldine Ruckstuhl sei als Person anders, zugleich ist bei ihr auch die Aufgabe Rothenbühlers eine andere. Sie sehe er gut fünf oder sechs Mal wöchentlich um sie voranzubringen, mit ihr hat er folglich die typische Trainer-Sportler-Beziehung. «Géraldine ist sehr minutiös organisiert. Bei ihr geht strikt alles nach Plan, jede Minute ist genau strukturiert», erzählt der in Liebefeld bei Bern wohnhafte Vater zweier Kinder. Mit ihr verfolge er aktuell das Ziel, sie schneller zu machen.
«Das fehlt ihr, um in die Top-Sechs, oder gar die Top-Drei der Weltelite vorzustossen. Wenn sie schneller wird, sammelt sie in unterschiedlichen Disziplinen mehr Punkte», erklärt Rothenbühler. Zugleich wolle man aber auch die aktuell vorhandenen Stärken nicht vernachlässigen und diese Balance zu finden sei zweifellos eine Herausforderung.

Lehrer in Hasle-Rüegsau
Aufgewachsen ist Adrian Rothenbühler derweil im Rüegsauschachen, noch heute wohnen seine Eltern dort, weiterhin hat er einen engen, heimatlichen Bezug zum Emmental. Schon früh, direkt nach der Schulzeit, habe er in der Jugendriege im örtlichen Turnverein eine Leiteraufgabe wahrgenommen und bemerkt, dass er ein Flair fürs Trainersein hat. Passend dazu hat er sich letztlich zum Lehrer ausbilden lassen, im heimischen Hasle-Rüegsau unterrichtete er denn auch mehrere Jahre. Nebenbei hat sich seine Trainerkarriere stetig weiterentwickelt, bis er vom Leichtathletikverband engagiert wurde. Weil dies aber zu aufwändig wurde und sein Hobby, das Trainersein, beinahe zu kurz kam, brachte die letzte Veränderung ihn nun nach Magglingen. «Das Trainersein war mir immer wichtig und als ich Vater wurde, waren mir diese Engagements gemeinsam mit dem Job zu viel. Dass ich jetzt wieder unterrichte passt mir sehr – und passend dazu haben sich in dieser Zusammenstellung dann auch vermehrt Erfolge eingestellt», erinnert sich Adrian Rothenbühler. Auch jetzt fühle er sich in seinen Aufgaben sehr wohl, auch wenn die insbesondere auch zeitlich herausfordernd sind. «Familie, Ferien, Trainingslager und Grossanlässe unter einen Hut zu bringen ist manchmal schwierig», sagt der Rüegsauschachener und lacht. «Ich habe meiner Frau versprochen, dass der neue Jahresplan bis zum Silvester steht. Das stellt sich aber nicht nur als einfach heraus.» Dies ist aber keine Überraschung, wartet im nächsten Jahr doch mit den Olympischen Spielen in Tokyo ein besonderer Grossanlass auf.
Dieser bietet vor allem auch sportliche Herausforderungen, weil Rothenbühler in der Leichtathletik mit neuerlichen Bestresultaten rechnet. «Für die Schweizer Athleten dürfte es sehr schwierig sein, sich ganz vorne zu klassieren», weiss der Sports-Award-Träger. Mujinga Kambundji traut er aber dennoch einen Finaleinzug zu, und wenn Géraldine Ruckstuhl sich wie erwartet qualifiziert, so sei die Top-Ten greifbar.
«In Tokyo dürfte es für Géraldine jedoch schwierig sein, besonders gute Leistungen zu erbringen. Solche Grossanlässe sind weniger auf Best-Resultate ausgelegt, weshalb man sich eher einen Rang als eine Punktzahl zum Ziel setzen muss.» Für die junge Altbüronerin könnte danach auch noch die Europameisterschaft interessant sein, weil erwartungsgemäss nach Olympischen Spielen nicht alle Topathleten auch noch die EM besteiten.

Prozess ist interessanter
Auch für Adrian Rothenbühler steht damit ein interessantes Jahr bevor. «Oder sagen wir anspruchsvoll und herausfordernd.» Solche Grossanlässe selbst seien nicht unbedingt sein persönliches Highlight, sondern vielmehr der Weg dorthin. «Für einen Trainer ist der Prozess viel wichtiger und entscheidender. Hier wird die Arbeit geleistet.» Dennoch freue er sich ebenso über gute Resultate während Grossanlässen, ebenso sei er froh, wenn er etwas dazu beitragen könne. «Ich sage immer: Es ist schon gut, wenn ich die Top-Resultate nicht verhindere. Das wäre als Trainer nämlich eigentlich auch möglich.»
Wie es nach diesem ereignisreichen Jahr weitergeht, weiss Rothenbühler noch nicht, gerade nach Olympischen Spielen verändern Athleten oftmals diverse Gegebenheiten, um weitere Fortschritte zu erzielen. «Bei Géraldine ist es beispielsweise so, dass sie danach All-in gehen dürfte. Eigentlich braucht sie schon jetzt einen Trainer, der ihr rund um die Uhr zur Verfügung steht – ich kann ihr dies aber nicht bieten.» Gerade für die noch junge Athletin sei womöglich auch deshalb dieses Jahr sehr wegweisend, weil nun entscheidende Fortschritte erwartet werden dürfen. «Tokyo ist für sie ideal, um zu lernen. In drei, vier Jahren ist sie dann genau im richtigen Alter, um Bestleistungen zu erbringen.»

Nicht nur Spitzensport
Ob auch Adrian Rothenbühler in Zukunft für die Bestleistungen der Schweizer Athleten mitverantwortlich ist, steht aktuell noch in den Sternen. Es ist zweifellos so, dass die Verleihung des Sport Awards ein Höhepunkt in seiner bisherigen Karriere ist. «Ich sehe das als Preis für meine ganze Arbeit an. Ich bin schliesslich nicht nur als Spitzensport-Trainer im Einsatz, sondern helfe auch weniger talentierten Sportlern. Und manchmal ist es sogar eine grössere Auszeichnung, einen solchen Sportler noch etwas weiter zu bringen», weiss Rothenbühler. Immerhin die Reaktionen auf seinen Triumph seien überwältigend gewesen, umso schöner habe dies der Gewinn des Awards gemacht. «Einzelne ehemalige Schüler aus meiner Zeit als Lehrer haben mir geschrieben und gratuliert und drei Jungs meinten sogar scherzhaft, dass ja nun doch noch etwas aus mir geworden sei. Das alles hat mich sehr gefreut.»
Das Jahr 2019 wird Adrian Rothenbühler in bester Erinnerung behalten. Es ist ihm nur zu wünschen, dass er dies mit dem Jahr 2020, mitsamt den anstehenden Grossanlässen, sogar noch toppen kann.

Von Leroy Ryser