• Christoph Müller, Bankleiter Ersparniskasse Affoltern. · Bilder: Liselotte Jost-Zürcher

10.11.2017
Emmental

Umfassende Vorsorge - ein Grossprojekt

Im Saal der Emmentaler Schaukäserei Affoltern lud die Ersparniskasse Affoltern Kundinnen und Kunden zu einem Vortragsabend «Pensionsplanung» ein. Der Abend richtete sich an Gäste, die zwischen null und 15 Jahren vor dem Eintritt ins Pensionsalter stehen. Erfahrene Fachleute informierten umfassend zur finanziellen, rechtlichen und persönlichen Planung.

Affoltern · «Der Ruhestand ist das, worauf man sein ganzes Leben lang hin arbeitet und sich dann erschrocken wundert, wenn es soweit ist». Mit diesen Worten eröffnete Christoph Müller, Bankleiter der EK Affoltern, den Vortragsabend im nahezu vollbesetzten Saal der Emmentaler Schaukäserei. Er wies auf die Wichtigkeit einer umfassenden, frühzeitigen Planung hin, betonte, dass es sich lohne, schon Jahre vor der Pensionierung abzuklären wie hohe Renten aus AHV, Pensionskasse und aus der 3. Säule zu erwarten sind, wieviel von Erspartem bezogen werden könne. Letzteres sei nicht zu unterschätzen. «Wenn man nicht wirklich sehr vermögend ist, ist es kaum möglich nach der Pension Vermögen aufzubauen, sondern das Angesparte muss nach und nach für den Lebensunterhalt verzehrt werden.» Zu sehen, wie das Kapital langsam aufgebraucht werde, könne beängstigend wirken und brauche zumindest mentale Vorbereitung.
Ebenso wichtig sei es, ein Budget für die Zeit nach dem Arbeitsleben zu erstellen, eventuelle grössere Vorhaben einzurechnen und festzuhalten, wann man in Pension gehen möchte.
Ein vorzeitiger AHV-Rentenbezug schmälert die Rente dauerhaft; bezieht man die AHV ein bis fünf Jahre nach dem Eintritt ins Pensionsalter, wird dauerhaft mehr Rente ausbezahlt. Frühzeitig, je nach Pensionskasse Monate oder Jahre vor dem Renten- oder Kapitalbezug, muss verbindlich festgelegt werden, ob ein Kapitalbezug, Teil-Kapital- oder Rentenbezug vorgesehen ist. Wird diesbezüglich nichts geregelt, erfolgt die Auszahlung des Pensionskassengeldes automatisch und unabänderlich mittels monatlichen Renten.

Jede Situation individuell
«Viele Fragen kann man nicht einfach pauschal beantworten, sondern sie müssen unbedingt individuell angeschaut werden. Was für eine Person oder eine Familie richtig ist, muss für andere nicht unbedingt auch richtig sein, oder es kann sogar falsch sein», stellte Christoph Müller fest. Er wies im Weiteren auf Möglichkeiten zu Steueroptimierungen hin, erwähnte dabei vor allem die steuerlichen Vorteile eines gestaffelten Bezugs aus der zweiten und dritten Säule.  
Die Ersparniskasse Affoltern bietet ihren Kundinnen und Kunden innerhalb eines bescheidenen Kostendachs eine persönliche, massgeschneiderte Planung mit allen Berechnungen an, aus welcher ersichtlich ist, wie sich das Einkommen im Alter zusammensetzt, wie das Vermögen allenfalls gestaffelt verzehrt werden kann. Im Angebot ist auch die «Pensionsagenda» inbegriffen, damit nichts vergessen geht und die wichtigen Termine eingehalten werden.
Marianne Haldimann, Notarin vom Notariat Haldimann in Grünen, informierte zu den rechtlichen Belangen. Ihre Informationen umfassten insbesondere den Vorsorgeauftrag, die Vermögensübertragung, die Übertragung von Liegenschaften und im Weiteren Grundlegendes zu Testament, Ehe- und Erbvertrag sowie zur Begünstigung von Konkubinatspartnern.
Ein Vorsorgeauftrag muss – wie das Testament – entweder notariell beurkundet oder vollständig von Hand geschrieben werden. Er regelt, wer die Verantwortung für Entscheidungen, Vermögensverwaltung oder über die Verwaltung einer Liegenschaft übernimmt, wenn eine Person nicht mehr urteilsfähig ist. Die Mitwirkung von Behörden (KESB) kann damit auf ein Minimum reduziert werden.

Wann Vermögen oder Liegenschaften übertragen?
Die Notarin zeigte unter anderem auf, ob es allenfalls Sinn macht, Wohneigentum zu Lebzeiten an eines oder mehrere Kinder zu übergeben und wann dazu der richtige Zeitpunkt ist. Dies insbesondere in Hinsicht darauf, dass bei einem allfälligen Eintritt ins Alters- oder Pflegeheim nicht Wohneigentum zur Deckung der Kosten beansprucht oder sogar aufgebraucht werden muss.
Die Eltern müssen sich aber in jedem Fall bewusst sein, was eine Schenkung der Liegenschaft – oder des Vermögens – finanziell für sie bedeutet. Sie können im Alter nicht alles verschenken und dafür ohne Weiteres Ergänzungsleistungen beziehen. Ein sogenannter Vermögensverzicht zu Gunsten der Nachkommen wird bei der Bemessung von Ergänzungsleistungen mitberücksichtigt. Es lohnt sich, die rechtlichen Bedingungen vor einer Vermögens- oder Liegenschaftsabtretung vorher abzuklären.

Kein Vermögensverbrauch auf Kosten der Ergänzungsleistungen
Abgesehen davon haben der Ständerat und die zuständige Nationalratskommission beschlossen, dass inskünftig ein Rentner, welcher zuviel Vermögen verbraucht (konkret mehr als 10 % des Vermögens pro Jahr) eine Kürzung der Ergänzungsleistungen in Kauf nehmen muss.

Aktiver Ruhestand
Die Anwesenden erhielten an diesem Abend wertvolle Anhaltspunkte, Informationen über Regelungen und Beispiele. Aber auch Ideen, wie sie ihre (durchschnittlichen) 7000 Tage «Ruhestand» angehen und gestalten könnten oder sollten. Denn «der dritte Lebensabschnitt ist nicht das Warten auf den Tod», sagte Urs A. Bettler vom Triple-A-Team AG in Biglen, der zusammen mit seiner Kollegin Suzanne Zesewitz über den mentalen Abschied vom Erwerbsleben, dem neuen intensiveren Zusammenleben zuhause, der neuen Strukturierung des Alltags und dem Gestalten der Freizeit sprach. Die beiden taten dies mit viel Einfühlungsvermögen und köstlichem Humor, etwa anhand des Beispiels «Italienische Wochen»: Ein ehemaliger Projektleiter erstellte seiner Frau ein «Flussdiagramm» für die Wohnungsreinigung, weil er befand, sie arbeite unstrukturiert. Das Resultat war dann eben die «Italienische Woche»: «Wir hatten jeden Tag Mais ...»
Mit den Gedanken des Kurzfilms «Philosophie des Alterns», den George Garlin im Alter von 102 Jahren gedreht hat, schlossen Suzanne Zesewitz und Urs A. Bettler ihren spannenden Beitrag.
Der informative, vielfältige Abend sorgte für angeregten Gesprächsstoff beim anschliessenden delikaten «Schauchäsi-Apéro».

Von Liselotte Jost-Zürcher