Umgeben von bunten Legosteinen
Die Leidenschaft von Thomas Aeschlimann ist auf den ersten Blick erkennbar. Inmitten seines Wintergartens befindet sich seine selbst aufgebaute Lego-Welt. «Darin stecken mehr als hundert Stunden Arbeit», erzählt er eindrucksvoll. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass der bald 60-Jährige eine Sehbehinderung hat. Beim Aufbauen von Modellen verlässt er sich dabei voll und ganz auf seinen Tastsinn und weiss ganz genau, wie sich das Ergebnis am Ende anfühlen muss.
Wasen · Unglaublich, aber wahr. Das meiste, was in der Wohnung im Wasen von Thomas Aeschlimann zu finden ist, hat er selbst aufgebaut. Trotz seiner Sehschwäche findet er sich hier sehr gut zurecht, denn sein Lego-Konvolut sortiert er nach einem Farbschema, welches er auswendig kennt. «Ich erkenne nur noch wenige Umrisse, verlasse mich aber auf meinen Orientierungssinn», so Aeschlimann, der seit er 18 Jahre alt ist an einer genetischen Netzhauterkrankungen leidet und nur noch etwa 2 % seiner Umgebung wahrnimmt.
Sein Orientierungssinn weiss Thomas Aeschlimann beim Bauen seiner Modelle trotzdem ganz genau einzusetzen und er weiss, in welcher Ecke sich was befindet und wo was hingehört. Einzig beim Sortieren der Steine nach Farben hilft ihm seine Mutter, oder beim Aufbau von komplexen Modellen oder auch beim Sammeln von weiteren Lego-Schätzen unterstützt ihn sein Freund Mauro Grossud. Der Solomusiker von Popcorn und seine einzige Tochter waren der Grund, warum er 2015 wieder mit seiner Sammel-Leidenschaft begann.
Das Tor zu den Lego-Schätzen
Kaum zum Garagentor reingekommen, öffnet der Sammler eine Schranktüre. Darin befinden sich einige Modelle aus seiner Zeit. «Mein Sammelgebiet sind die 60er- und 70er-Jahre», sagt er begeistert, legt seinen Stock weg und nimmt die italienische Villa aus dem Baujahr 1971 raus. Dabei weiss er ganz genau, welche Farbe das Dach, die Fassade oder der Balkon hat. Auch die kleinen Details wie eine Antenne entgehen ihm nicht. «Die Anschaffung von Speziallegos aus den 70ern wie beispielsweise diese Antenne, sind jeweils teuer. Da kostet eine einzige Antenne bereits um die 8 Euro», so der Sammler.
So lässt sich schnell erraten, dass seine Legowelt mit den vielen kleinen Details einen hohen Wert aufweist. «Ohne dabei überheblich sein zu wollen: Ich bin im Besitz von rund 120 nachgebauten, aber auch selbstkonstruierten Modellen. Sie haben einen Wert von 1500 bis 2000 Franken.» Darunter befinden sich zirkulierende Eisenbahnen wie etwa der Schwedenexpress oder die Krokodil-Lokomotive, die er selbst konstruiert hat. Vorbei fahren sie an einer Windmühle, an bunten Häusern und vervollständigen das Bild einer niedlichen Lego-Welt. «Ich kaufe nicht verbissen um jeden Preis Modelle ein, sondern überlege mir ganz genau, was ich brauche», gibt er zu verstehen. Als einen Glückskauf beschreibt er jenen, als er ein Containerschiff aus Brandenburg für nur 4.50 Euro ersteigerte. Beim Einstieg von 380 Euro einer Esso Tankstelle blieb es lediglich bei der Beobachtung. «So viel wollte ich nun doch wieder nicht investieren und so ging die Esso Tankstelle letztendlich für das Doppelte an jemand anderes weg.» Wenn die Schachtel sowie die Anleitung noch dabei seien, werde der Verkaufspreis des Modells jeweils sofort höher, weiss der erfahrene Sammler. «Zurzeit bin ich auf der Suche nach jemandem, der im gleichen Spittel krank ist und Spass daran hätte, mir beim Sortieren meiner vielen Anleitungen nach Modellnummern zu helfen», sagt Aeschlimann hoffnungsvoll.
Ein Lego-Reich – ganz nach seinem Geschmack
Im Wintergarten steht auf einer 3,5 x 2,5 Meter breiten Platte ein riesiges Legoland. «Dass dies überhaupt zu Stande gekommen ist, ist Mauro Grossud und meiner Tochter zu verdanken», erklärt er. Denn er habe ihm damals beim Ersteigern geholfen und sie habe ihn motiviert, im Wintergarten sein eigenes Reich zu schaffen.
Auffallend bunt ist es geworden und auch hier kennt Thomas Aeschlimann seine gebauten Modelle ganz genau und zeigt auf seine beiden Lieblinge: Das Kieswerk sowie das nachgebaute Cape Canaveral samt startbereiter Rakete. Ob das Bauen nach Anleitung oder Eigenkonstruktionen, der 60-jährige gelernte Kaufmann liebt die Abwechslung. Hoch empor ragt das Empire State Building, welches er nach Vorlage konstruiert hat. «Durch Abtasten habe ich die Proportionen des Metall Gusses festgestellt und konnte so mit dem Bauen beginnen», sagt Aeschlimann. Beim Feinschliff oder einem fehlenden Stockwerk war Freund Mauro seine helfende Hand. «Das ist eindeutig mein Lieblingshochhaus», schmunzelt er und erzählt, dass er schon in Manhattan war. «Es fasziniert mich, obschon ich nicht alles genau sehe.» Er lasse sich, obschon er nicht spirituell sei, gerne von seiner Gegend inspirieren. «Als nächstes möchte ich einen Dorfkern mit Stadtteil bauen. Es soll Kreuzungen, aber auch Strassen geben», verrät er. Das Ganze soll sich an die Legolandserie Ende der 60er- Jahren anlehnen und mit entsprechenden Modellen realisiert werden.
Kleine Sammler ganz gross
Liebe auf den ersten Blick klingt zwar kitschig, aber trifft bei der Geschichte von Thomas Aeschlimann ganz genau zu. Als er im Alter von sieben Jahren war, bekam er seine ersten Grundsteine. Ein Jahr später folgte ein Geschenk seiner Mutter: ein Krankenwagen. Dieser kostet 3.50 Franken und war zu dieser Zeit ein wertvolles Geschenk, da in den 60er- und 70er-Jahren auch wesentlich weniger verdient wurde, weiss Aeschlimann.
Er und sein Bruder waren von diesem Zeitpunkt an zu kleinen Sammlern geworden und konnten von den kleinen, bunten Lego-Steine einfach nicht genug bekommen. «Was brannten auch immer die Häuser im Legoland», erzählt Aeschlimman mit einem riesigen Schmunzeln. Ihre Fantasiegeschichten hielten einige Jahre an, bis im Alter von 14 Jahren andere Dinge mehr Priorität hatten wie etwa «die Mädchen oder vor allem die Musik». Thomas sein zweites grosses Hobby war und ist nach wie vor das Schlagzeug-spielen. Mit 14 Jahren war der Beatles-Fan zusammen mit Freund Mauro in einer Jugendband und es folgten erste regionale Auftritte. Doch regional blieb es nicht. «Später spielte ich noch in einer Countryband, mit der wir auch international unterwegs waren und zwei Cds herausbrachten.» Nach drei Jahren war dann auch hier Schluss, weil ihm die Nähe zu seinem Dorf fehlte. Zum Tagesprogramm des bald 60-Jährigen gehören übrigens nicht nur seine Legos oder seine Arbeit bei Mopac, er hält sich mit seinem täglichen Cross-Trainer Workout fit. «Dies ist nötig für meine Gesundheit», erklärt er. Denn nach seiner zweiten Nierentransplantation sei die tägliche Bewegung für ihn umso wichtiger geworden. Kein besseres als sein eigenes Lebensmotto würde wohl besser hier hin passen: «Nimm die schlechten Zeiten mit in die guten», sagt der lebensfrohe Thomas Aeschlimann trotz seiner Schicksalsschläge immer wieder zu sich selbst.
Von Chantal Bigler