• Musikalisch gehen Werner und Thomas Aeschbacher oft eigene Wege, die sich aber immer wieder kreuzen. Gemeinsam haben sie in Heimisbach eine CD aufgenommen, die sie am 26. März im Krummholzbad präsentieren. · Bild: zvg

  • «Ich wollte gemeinsam mit meinem Vater etwas aufnehmen, etwas, das bleibt», sagt Thomas Aeschbacher. · Bild: Peter Moser-Kamm

16.03.2023
Oberaargau

Vater und Sohn spielen «Örgeligschichte»

«Zäme musige», das machen die beiden Oberaar­gauer Werner und Thomas Aeschbacher seit vielen Jahren. Dieses Zusammenspiel als Örgeli-Duo wollten Vater und Sohn nun für einmal festhalten. Im Krummholzbad in Heimisbach spielten sie ihre CD ein und stellen diese am 26. März mit einem Konzert vor.

Fokus · Das vielseitige Schwyzerörgeli eignet sich für traditionelle Musik genauso wie für andere Stilrichtungen, ob im stillen Kämmerlein oder auf der Bühne. Ein stimmungsvolles Instrument, dessen Klänge direkt ins Herz gehen. Im Gespräch mit den beiden Örgelivirtuosen erzählen Werner und Thomas Aesch­bacher, weshalb sie das kleine Instrument so fasziniert. «Es ist nicht allein der Klang, sondern die Kreativität, damit eigene Ideen musikalisch umsetzen zu können», sagt Thomas Aesch­bacher, während sein Vater schwärmt: «Man hat ein ganzes Orchester auf dem Schoss und kann sich mit Harmonien, Klängen und Rhythmen aus­ein­andersetzen.»
Angesprochen auf das beeindruckende Musikgehör meint Aeschbacher Senior schlicht, dies sei vergleichbar mit dem Auswendiglernen von Gedichten in der Schule. So könne man sich auch Musik merken, speichern und behalten. Thomas Aeschbacher beherrscht das Zuhören und Nachspielen genauso wie sein Vater. Das habe vorwiegend mit Training und Begabung zu tun. Wenn man ohne Noten spiele, habe man auf jedem Instrument viel mehr Freiheiten. «Du kannst so spielen, wie du es in dir fühlst. Ohne das freie Spielen würden wir nicht diese individuelle Musik machen, wie wir es heute tun», ist Aeschbacher Junior überzeugt.

Das Örgeli als Sprachrohr
«Mit meinem Vater mache ich Musik, wie ich sonst mit niemand anderem mache. Es ist eine musikalische Sprache, die uns seit vielen Jahren verbindet», sinniert Thomas Aeschbacher. Sie haben Gemeinsamkeiten durch die Faszination für das Instrument selbst, entdecken Neues, experimentieren und diskutieren. Zusammen gespielt hätten sie vorwiegend zum Plausch im privaten Rahmen. Erstmals öffentlich als Örgeli-Duo spielten sie anlässlich eines Geburtstags, da war Thomas 13 Jahre alt. Durch das intensive Musizieren mit dem Vater hat er gelernt, ein Instrument zu spielen, begleiten zu können und vor Publikum aufzutreten. Das Zusammenspiel bedeutet Thomas Aeschbacher viel: «Ich wollte gemeinsam mit meinem Vater etwas aufnehmen, etwas, das bleibt.» Sie hätten schon mehrmals in Heimisbach gespielt und die natürliche Akustik im heimeligen Saal sei geeignet für ihre Musik. Man hat sich bewusst entschieden, den obligaten Bass wegzulassen und die CD als reines Örgeli-Duo eingespielt. Das gemeinsame Projekt bereitet Werner Aeschbacher grosse Freude: «In einer Klangstudie haben wir diverse Örgeli ausprobiert und jene ausgewählt, die optimal zusammen tönen. Als Vater ist es schön, einen musikalischen Draht zum Sohn zu haben.»
«Zäme musige» ist ein sehr persönliches Album mit Lieblingstiteln von beiden Musikern. Die vorwiegend traditionellen Stücke sind fein abgestimmt und sorgfältig erarbeitet. Auf sechs verschiedenen Örgeli sind Ländler, Polkas, Mazurkas zu hören. Und nicht zu vergessen, der «Liebeswalzer». Da beginnt Werner Aeschbachers Frau Susi nämlich gleich zu tanzen.

Eigene Musikalität ausleben
Im Eggiwil haben Aeschbachers ursprünglich Blasmusik gemacht; neben Trompete spielte Werner Aeschbacher bereits in seiner Jugendzeit Langnauerli und Schwyzerörgeli. «Mit den vorhandenen Möglichkeiten. Eine Musikschule gab es nicht, so habe ich mir alles autodidaktisch angeeignet», erklärt der 78-Jährige, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Beeindruckt von den ersten Motormähern hat er Automechaniker gelernt und wurde später Fahrzeugexperte. Während seiner beruflichen Tätigkeit war die Musik ein Hobby. Verwurzelt in der Schweizer Volksmusik bewegt er sich gerne in andere Musikkulturen hinein und experimentiert mit verschiedenen Klangräumen. Als Komponist von Filmmusik öffnete sich ihm eine völlig andere Welt, als er begann, nach Stimmungen und Bildern zu spielen. Daraus entwickelte er sein Soloprogramm. «Mir war es stets wichtig, die eigene Musikalität ausleben zu können», betont der Virtuose, der 2010 mit dem Kulturpreis der Stadt Langenthal ausgezeichnet wurde.
Als 71-Jähriger erfüllte er sich einen Traum und reiste mit seiner Frau nach Louisiana, im Süden der USA, wo Cajun- und Zydeco-Akkordeon den Takt angeben; begleitet von einem SRF-Kamerateam. Eine weitere Anekdote erzählt Werner Aeschbacher über sein geliebtes 82-bässiges diatonisches Akkordeon mit Wienerton: «Als ich dieses zu dem damals berühmten Örgelistimmer Martin Nauer senior gebracht habe, rief dieser begeistert: Das ist eine Sonntagsorgel.» Auch Thomas Aeschbacher besitzt Instrumente, die ihn speziell ansprechen, etwa das 18-bässige Schwyzerörgeli aus dem Jahr 1920 oder ein Langnauerli in der seltenen Tonart E-Dur.

Talent, Können und Wille
Thomas Aeschbacher hat schon als Kind mit dem Örgelen begonnen und ist damit aufgewachsen. Geprägt hat ihn nicht allein die Vaterfigur, die Familie und das gesamte Umfeld haben musiziert. «Mit dem Grossvater am B-Bass und uns am Örgelen haben wir sogar eine Aufnahme gemacht», erinnert sich Thomas Aeschbacher. Als Teenager suchte er seine musikalische Eigenständigkeit und grenzte sich bewusst ab. Er war frei zu entscheiden, ohne jeden Druck. Im Haus Aesch­bacher war man kulturell sehr offen und hörte auch klassische Musik und Jazz. «Nach dem Besuch eines Jazzfestivals in Bern kaufte mein ‹père› auch Schallplatten, die haben wir monatelang nachgespielt. Zeitweise gab es für mich nur das Klavier; ich sammelte Erfahrungen in einem Jazzquartett und spielte in einer Steelband», erzählt der 57-Jährige. Beeindruckt haben ihn auch die Improvisationskünste der Akkordeonlegende «Flaco» Jiménez. Das Kennenlernen und Leben von anderen musikalischen Stilrichtungen waren weg­weisend und haben ihn für die Volksmusik und die Weltmusik sensibilisiert. «Es gab auch eine Zeit, als Thomas sich in einer nicht einfachen Jugendphase befand und wir fast mehr musikalisch kommuniziert haben als verbal. So habe ich ein altes Schlagzeug instand gestellt und wir spielten nächtelang zusammen mit Drums und Klavier», sagt Werner Aeschbacher lächelnd.

Örgeli werden salonfähig
«Während dem Seminar war ich nicht mit dem Örgeli, sondern mit Gitarre und Klavier unterwegs», bestätigt Thomas Aeschbacher, der als Musiklehrer an der Oberstufe Burgdorf unterrichtet und mit seiner Frau in Langenthal wohnt. «In unserer Familie wird immer gesungen und musiziert, etwa wenn wir ein Fest haben», freut sich der Vater von drei erwachsenen Kindern. Heute sei das Örgeli salonfähiger geworden. Der Stellenwert habe sich in den letzten 20 Jahren infolge mehrerer Faktoren verändert. Volksmusik habe heute ihren Platz, wo sie früher nicht gefragt war. «Ebenso werden wir regelmässig angefragt für Anlässe in der Kleinkunstszene oder bei Abdankungen», sagt der Musikpädagoge und erzählt von einem bewegenden Moment in der Abdankungshalle in Lang­nau. Mit dem Örgeli habe er die Trauernden begleitet, als sie den «Trueber Bueb» gesungen haben.
Aktuell gebe es mehr Plattformen und Festivals für neuere und alte Volksmusik. Durch die Musik habe er an Orten gespielt, wo er sonst nicht hingekommen wäre. Als Mitglied der Formation «Pflanzplätz» spielte er an Festivals in Peru und Kolumbien. Die Begegnungen mit anderen Musikern und Menschen seien bereichernd und öffnen den Blick. Berührungsängste mit anderen Musikstilen haben weder Vater noch Sohn. Neben dem Zusammenspiel haben die beiden Örgelivirtuosen unterschiedliche Projekte. Wichtig ist, dass es für jeden selbst stimme.

Von Brigitte Meier