Verein PorziAreal will keine Hauruck-Planung
Das Porziareal Langenthal bewegt, bewegt enorm. Nicht nur die Gemüter, sondern auch die Massen: Über 200 Besucher folgten dem Aufruf des Vereins PorziAreal, um sich von den aktuellen Nutzern, Gewerbetreibenden und Anwohnern über deren Visionen von einer sanften Weiterentwicklung des Areals informieren zu lassen. Stadtpräsident Reto Müller liess dabei durchblicken, dass seit einem Monat Funkstille zwischen Planern und Gemeinderat herrsche.
«Wenn ich daran denke, dass das Verkaufslokal der Porzi, in dem wir uns jetzt gerade befinden, als erstes abgebrochen werden soll, dann blutet mir das Herz. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.»
Roland Isenschmid vom Verein PorziAreal traf damit den Nerv der Zuhörer. Die Stimmung war eindeutig: Die Mehrheit der Besucher sympathisiert mit dem 112 Mitglieder zählenden Verein PorziAreal, der eine sanfte Nutzungsweiterentwicklung des Industrieareals anstrebt, anstelle den von der Planergemeinschaft skizzierten Neubauten für Wohnhochhäuser bis 45 Meter, Verkaufslokalen und Tiefgaragen für 700 Fahrzeuge. Der aufflackernde Zwischenapplaus war entsprechend parteiergreifend.
Dennoch waren unter den stilleren Gästen auch Vertreter der Planergemeinschaft Porzi Langenthal auszumachen wie unter anderen Manuel Alberati, Co-Projektleiter bei der Ducksch-Anliker-Gruppe, der Besitzerin des Arealkerns.
«Wir haben sie nicht offiziell eingeladen, wir waren an ihrer Präsentation auch nicht offizielle Gäste», erklärt Roland Isenschmid, Vorstandsmitglied vom Verein Porzi-Areal, gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Unser Ziel an diesem Abend war nicht ein Dialog mit den Planern zu führen, sondern eine Auslegeordnung unserer Vision für die Entwicklung des Porzi Areals aufzuzeigen.»
Fehlender Dialog
Gleichwohl thematisierte Roland Isenschmid die Misskommunikation im offiziellen Teil. Im Juli 2017 habe Stefan Anliker zu einem Porzikafi eingeladen. «Wir haben mit ihm diskutiert, wie man das Areal nutzen könnte. Wir füllten Fragebögen aus. Es wurde uns gesagt, dass weitere Porzikafis folgen werden, bei dem die Beteiligten am Entwicklungsprozess mitdiskutieren können.» Doch es habe keine solchen Zusammentreffen mehr gegeben, eine Auswertung der Fragebögen hätten sie nie erhalten, erklärte Roland Isenschmid. Als der Verein im August 2017 vom Stadtbaumeister informiert wurde, wie es zum Verkauf des Areals gekommen sei, habe man ihnen erklärt, dass Ducksch und Anliker als einzige Unternehmung den geforderten Nutzungsmix mit Wohnen, Arbeiten und Kultur akzeptiert hätten.
«Doch wir wissen heute, dass die Stiftung Abendrot diesen Nutzungsmix ebenfalls akzeptiert und auch mitgeboten hat. Wieso sie nicht zum Zuge gekommen ist, ist für uns nicht ersichtlich.» Man sei zwar zu vier Testplanungssitzungen eingeladen worden, ergänzte Martin Furter, «doch wir vom Verein waren nur Zuhörer, hatten kein Mitsprachrecht.»
Auf einen Beurteilungsbericht habe man von Stefan Anliker ebenso wenig eine Reaktion erhalten wie auf die Vorschläge, vergleichbare Industrieareale in der Schweiz zu besuchen und deren Entwicklungsformen anzuschauen.
Tanzschule weggeplant
Dass die Visionen der Planer plötzlich keine Fiktionen mehr sind, sondern Tatsachen werden, befürchtete zudem Grundeigentümer Klaus Stauffer. «Am 19. Februar 2019 wurde ein Porzi-Arealplan in den Medien publiziert, auf dem die jetzige Tanzschule einfach verschwunden ist.»
Man habe ihm erklärt, dass dies unverbindliche, rein planerische Ideen seien. «Doch, wenn ich entsprechend dieser Vision nicht mehr vorhanden bin, dann frage ich mich, was mit den Gebäuden geschieht, die laut diesem Plan erhalten bleiben sollen? Sind das auch nur Visionen? Was sollen wir da noch glauben?» Sollte Wohnraum gebaut werden, müsse er trotz Besitzstandgarantie um die Weiterexistenz der Tanzschule fürchten wegen allfälligen Lärmemission. «Das Umweltgesetz schränkt uns ein. Aber eine Tanzschule ohne Musik kann man vergessen.» Dabei habe er ja gerade deswegen den Standort in einem Industriegebiet gewählt. «Das Areal ist der richtige Ort für Leute wie mich, die aus dem Nichts etwas aufbauen wollen.» Dementsprechend habe er im Sommer 2017 ein Kaufsangebot von Stefan Anliker und Manuel Alberati ausgeschlagen.
Ausbau im Bedarfsfall
Was aber will der Verein PorziAreal? In erster Linie eine sanfte Weiterentwicklung des Areals ohne Zeitdruck. In einer ersten Phase von 10 Jahren, in der keine Abbruchbewilligungen erteilt werden dürfen, sollen laut Roland Isenschmid die bestehenden Gebäude entsprechend den Bedürfnissen der Nutzer saniert und weiter belebt werden. «Es muss nicht alles perfekt in Stand gestellt werden. Die Geschichte der Gebäude soll weiterhin sichtbar bleiben.» Dadurch lasse sich massiv Kosten sparen, da keine Neubauten notwendig wären. «In einer zweiten Phase kann man das Areal ergänzen mit Neubauten oder Aufstockungen.» Dadurch wäre eine allfällige Umzonung des Areals frühestens ab 2025 angezeigt. «Dies aber nur, wenn der Bedarf wirklich erwiesen sei», so Roland Isenschmid.
Mit der vorliegenden abgeschlossenen Testplanung werde die von den Planern versprochene Wahrung der Arealidentität nicht berücksichtigt. Viele bestehende Gebäude müssten Neubauten weichen. Ob aber der Bedarf etwa für bis zu 250 Wohnungen wirklich bestehe, sei fraglich.
Isenschmid verwies in diesem Zusammenhang auf einen Grundlagenbericht der Raumplaner Lohner und Partner aus dem Jahre 2012, den das Stadtbauamt in Auftrag gegeben habe. Darin hiess es, dass die Stadt Langenthal über genügend Baulandreserven für die Wohnnutzung verfüge. «Für die zukünftige Entwicklung des Porzi-Areals sollen aus diesen Überlegungen primär Arbeits- und Freizeitnutzungen im Vordergrund stehen.»
Laut den Berechnungen von Architekt Martin Furter könnten die Käufer des Porziareals mit der sanften Entwicklungsvariante dennoch eine Ertragsrendite zwischen 4,4 bis 5,6 Prozent erzielen. «Das ist eine gute Rendite.» Anwohner Dominik Meuli machte in diesem Zusammenhang noch eine andere Rechnung: Durch die Umzonung steige der Wert des Areals um rund 30 Millionen Franken.
Nach Abzug der Planungssteuer und der Mehrwertabgabe ergebe dies für die Käufer einen Nettomehrwert von rund 20 Millionen Franken. «Ist es nachhaltig, das jetzt schon genutzte Potenzial des Porziareals kurzsichtig der Gewinnmaximierung zu opfern?» fragt er. «Kaputt gemacht ist so schnell etwas, aber es besteht keine erwiesene Dringlichkeit.»
Das Schweigen der Planer
Wie geht es nun weiter? Stadtpräsident Reto Müller schilderte dazu die Sicht des Gemeinderates: «Für uns als Planungsbehörde ist die Situation schwierig, seit die Testplanung abgeschlossen wurde. Wir haben seit einem Monat von der Planergemeinschaft selber nichts mehr gehört.»
Man habe im Gemeinderat besprochen, wie es nun weitergehen soll. «Für uns ist klar: Wir brauchen von den Planern eine grundeigentümerverbindliche Regelung.» Diese müsse ausgearbeitet und dem Stimmberechtigten vorgelegt werden. «Wir wollen, dass die Bevölkerung uns sagt, wie sie zu den Plänen steht. Wir wissen das jetzt nicht. Die Testplanung ist für uns wirklich nur eine Vision, wie es in 40 oder 50 Jahren sein könnte.»
Scheinbar existiere ein entsprechender Plan, aber den kenne der Gemeinderat nicht. «Der Gemeinderat will nicht ein «fait accompli» (vollendete Tatsachen) entgegennehmen. Wir sind Planungsbehörde und nicht Eigentümer. Für uns ist es wichtig, dass das Volk seine Meinung dazu sagt.»
Unmissverständlich ein «Ja»
Kann der Stadtpräsident garantieren, dass keine Abbruchbewilligungen für das Porziareal erteilt werden, solange dieser Entscheid nicht gefällt sei? Auf diese Frage aus dem Publikum meinte Reto Müller kurz wie unmissverständlich: «Ja.»
Auf den Vorwurf, die Stadt handle unverantwortlich, in dem sie die Planung des Areals in fremde Hände gegeben habe, entgegnete der Stadtpräsident, dass man durch den vom Volk genehmigten, behördenverbindlichen Siedlungsrichtplan veranlasst gewesen sei, die Testplanung für das Porziareal in Auftrag zu geben.
Von Thomas Peter