• Monika Frauenfelder (links) und Regula Steinmann beim Bedienen einer Stammkundin. · Bild: ljw

28.05.2019
Emmental

Viel Herzblut für die Brocki Härzlech

Sie stehen im dritten Brocki-Jahr, die sieben Frauen aus Rüegsau, die im Januar 2017 die Brocki Härzlech an der Alten Lützelflühstrasse 22 in Rüegsauschachen eröffnet haben. Es ist ein blühendes Werk, das sie ehrenamtlich führen. Sie bereiten damit Menschen, die ein- und ausgehen, sich selbst und vielen weiteren Freude. Denn der gesamte Überschuss wird gespendet.

Rüegsauschachen · Hell, luftig, geordnet und alles blitzsauber. Ein gemütlicher Tisch, wo man zusammensitzt und etwa einen Kaffee trinkt. Fröhlichkeit, Frohmut, aber auch Raum, um das Herz auszuschütten. Kleine Möbel, kleine Gegenstände, die zuweilen auch liebevoll geflickt oder frisch gestrichen wurden und die nun wieder dienen können. «Äs mues ä Gattig mache», meint Regula Steinmann, die zuvorderst an der Front der noch jungen Institution steht. Eine Chefin sei sie jedoch nicht, betont sie. Eher ein «Käpt’n». «Jedes, das mithilft, hat seinen Platz, findet seine Aufgabe. Alle sind wichtig. Aber jemand muss ja schliesslich die Verantwortung tragen, auch nach aussen hin.» Also habe sie diese übernommen.

Keine «gewöhnliche» Brocki
Eine «gewöhnliche» Brocki ist die Brocki Härzlech nicht. Und dies wohl nicht nur wegen den bunten Stoffherzchen, die an einem der breiten Fenster hängen und auch käuflich sind. «Wir brauchen viele davon. Vreni näht immer wieder neue», sagt Regula Steinmann. Herz oder besser gesagt Herzblut steckt in jedem Detail. Das Ziel der Frauen ist es, dass jeder Gegenstand, ob nützlich oder Deko, ob aus dem Haushaltbereich, aus der Spielstube oder aus dem Kleiderschrank, wieder «sein Plätzchen findet».
Anfangs brachten die Frauen eigene Sachen oder solche aus dem Bekanntenkreis. Schon bald sprachen sich ihre Tätigkeit und ihre schöne neue Brocki herum.
Leute kamen, brachten und nahmen auch wieder mit. Nicht nur Dinge, die sie in den Händen halten konnten, sondern auch ein bisschen Wärme, ein bisschen Menschlichkeit. «Manchmal haben wir Kundinnen und Kunden, die eher als Besucher hier weilen», erzählt Regula Steinmann strahlend. Aber so würden es die «Brocki»-Frauen wollen. «Es waren die Leute, die Kontakte, die uns am meisten dazu motivierten, die Brocki ‹Härzlech› zu eröffnen. Und natürlich die Nachhaltigkeit. Es gibt so vieles, das noch nützlich ist und Freude bereitet.»
Manchmal würden sich Kunden im Laden treffen, die sich schon lange nicht mehr gesehen haben. «Dann dürfen sie sich an den Tisch setzen und erhalten einen Kaffee.»
Die sieben Frauen sind in die Arbeit hineingewachsen, bilden ein Team, das sich gegenseitig stützt. Brocki Härzlech sei eine schöne Aufgabe für alle, eine Erfüllung und ein Hobby.

Lebensgeschichten
Im ansprechenden Sortiment findet sich Modernes, «Normales» und auch Älteres. «Wir kennen uns zuwenig aus, um festzustellen, ob etwas wirklich alt und wertvoll ist. Aber wenn jemand hinausgeht und er hat ein Schnäppchen zu einem Schnäppchenpreis gekauft, weil wir nicht wussten dass es einen höheren Wert hatte, ist es so auch gut», hält Regula Steinmann fest.
Inzwischen werden nicht nur viele Gegenstände auch von weither in die Brocki Härzlech gebracht, sondern die Frauen erhalten auch etwa die Anfrage, ob sie bei einer Hausräumung schauen möchten, was für sie noch brauchbar wäre.
«Das sind dann jeweils Geschichten, wie sie das Leben schreibt. Man muss sich Zeit nehmen dazu. Denn die betroffenen Menschen müssen sich von dem trennen, das ihnen lieb war. Oder sie haben jemanden verloren, müssen nun räumen. Das ist auch mit Schmerz verbunden. So ist es für uns immer eine grosse Ehre, wenn wir dazu beitragen dürfen, dass geliebte Gegenstände wieder ein Plätzchen erhalten, wo sie ebenfalls Freude bereiten und geschätzt werden», erzählt Regula Steinmann. Ausserdem sei inzwischen ein so grosses Netzwerk entstanden, dass sie manchmal auch weiterhelfen könne, wenn etwas für die Brocki Härzlech nicht geeignet sei. Denn diese soll nicht überstellt sein, soll hell und luftig bleiben, und es wird nur saubere Ware angenommen. Hie und da gibt es Aktionen, um wieder Platz zu schaffen, und Kleider werden von Zeit zu Zeit sorgsam verpackt und an Institutionen übergeben.
Man habe auch schon schöne Ware nach Afrika senden können. So steht auch ein ständig wechselndes Angebot zur Verfügung.
Beim Gestalten der Räume können die Frauen ihre Kreativität walten lassen. So präsentieren sich Hüte zum Beispiel auf speziellen Hutständern, die aus einer Stange und einer «Zeitungskugel» oben drauf selbst hergestellt worden waren. Überhaupt ist alles so sorgfältig präsentiert, dass man sich schon beim Blick darauf ein bisschen «zuhause» fühlt.
Erst recht natürlich, wenn es ganz unverhofft und je nach Lust und Laune der «Brocki»-Frauen beim Einkaufen noch eine heisse Kürbissuppe gibt («weil es draussen so kalt war») oder ein herrlich-frisches «Öpfuchüechli» («weil es so viele Äpfel gab») ... Die Preise sind moderat. «Es soll nicht teuer sein. Uns ist es wichtig, dass die Leute mit etwas Schönem hier hinausgehen und gleichwohl nicht viel Geld ausgeben mussten.» Miete, Versicherungen und zusätzliche Kosten müssen gedeckt sein.
Was übrig bleibt, wird vollumfänglich gespendet. Manchmal an ortsansässige Vereine oder Institutionen, oft auch an Stiftungen in der Region, letzthin an eine Familie, die bei einem Hausbrand alles verloren hatte. Deshalb, aber nur deshalb freuen sich Regula Steinmann, Annemarie Luginbühl, Monika Frauenfelder, Brigitta Schöni, Madlen Jöhr, Annegret Hirschi und Vreni Röthlisberger über jeden erfolgreichen Tag. Denn ihnen geht es nicht ums Geld, sondern ums – «härzlech».

Gut zu wissen
Brocki Härzlech, Alte Lützeflühstrasse 22, Rüegsauschachen. Tel. 034 461 47 12 (Regula Steinmann) oder Tel. 034 461 47 26 (Annemarie Luginbühl). Öffnungszeiten: Freitag, 13.30 bis 17.30 Uhr, Samstag, 9 bis 13 Uhr, oder auf telefonische Anfrage.

Von Liselotte Jost-Zürcher