• Bei der Ramserenbrücke fand heute vor 161 Jahren die letzte Hinrichtung im Emmental statt. · Bild Fritz von Gunten

  • Für die Vollstreckung wurde ein Scharfrichter aus Deutschland geholt. · Symbolbild: vig

08.07.2022
Emmental

Vier Köpfe rollten wegen sieben Franken

8. Juli: Ein Schreckenstag in der Geschichte des Emmentals. 1861, heute vor 161 Jahren, fanden die letzten Hinrichtungen im Emmental statt. Vier Mörder – Stucki, Krähenbühl und das Ehepaar Wyssler – wurden bei der Ramserenbrücke zwischen Langnau und Trubschachen vor gut 15 000 Schaulustigen durch einen Scharfrichter aus Deutschland mit dem Schwert geköpft.

Eigentlich war nur eine «gewöhnliche» Wanderung geplant. Auf dem «Holzbrücken-Weg» der Ilfis entlang von Trub-schachen nach Langnau. Bei der Vorbereitung nach möglichen Besonderheiten am Wegrand tauchte allerdings eine «gruselige» Geschichte auf, die sich wie eine alte, dunkle Sage liest, aber in der Realität stattgefunden hat. Zum Glück sind mittlerweile 161 Jahren verstrichen! Es geht um die Vollstreckung von vier Todesurteilen, nach einem schrecklichen Raubmord am «Schafberg-Resli», einem rätselhaften Sonderling, einem Geizhals, der weder Magd noch Knecht hielt. Bei dem aber ein grosses Vermögen vermutet wurde.

Mit der Axt den Schädel gespalten
Wie aus der gerichtlichen Untersuchung, den Zeugenaussagen und dem Geständnis der Mörder hervorging, wurde der «Schafberg-Resli» von einer vierköpfigen Mörderbande, seinem Nachbarn Jakob Wyssler, Schuhmacher, und seiner Frau, Jakob Stucki, Landwirt, und dessen Knecht, Samuel Krähenbühl, am heiterhellen Tag des 15. Februars 1861 überfallen und überwältigt. Sie sollen das Opfer auf die Heubühne geschleppt haben und dort kopfvoran durch das Heu-Loch auf die Tenne gedrängt haben. Obschon er auf dem steinharten Tennboden aufschlug, soll sein «Dickschädel» bloss betäubt gewesen sein. Selbst nach einem dritten Sturz durch das Heu-Loch soll das Opfer immer noch Lebenszeichen von sich gegeben haben. Erst das Spalten des Schädels mittels einer Axt soll den Raubmördern erlaubt haben, sich ungestört nach verborgenen Schätzen des Opfers umzusehen. Die Beute war allerdings erbärmlich. So berichtet das «Emmenthaler Blatt», dass lediglich sieben Franken zum Vorschein gekommen seien. Die Täterschaft wurde rasch ermittelt und wurde am 13. und 14. Juni vor dem Assisengericht in Burgdorf zum Tode durch das Schwert verurteilt.

Fremder Scharfrichter
Da zu dieser Zeit im Kanton Bern kein Scharfrichter mehr im Amt war, musste im Ausland ein Vollstrecker gesucht werden. Die Hinrichtung verzögerte sich. Schliesslich wurde in Deutsch-Rheinfelden der Scharfrichter Mengis gefunden und ins Emmental beordert. Am 8. Juli war es soweit. In der Naturarena bei der Ramserenbrücke an der Ilfis, auf dem Weg zwischen Langnau und Trubschachen, fand die letzte Hinrichtung im Emmental vor gegen 15 000 Schaulustigen statt, wie das «Emmenthaler Blatt» berichtet. Aus allen Dörfern und Gräben seien die Leute hergereist. Sogar ein Lehrer sei mit seiner Klasse vor Ort gewesen, um dem furchtbaren Schauspiel beizuwohnen. Wer sich das grausame Spektakel um keinen Preis entgehen lassen wollte, reiste bereits am Vortag an, um einen möglichst guten Schauplatz zu ergattern. Offenbar waren all die umliegenden Bäume die begehrtesten Plätze.
Die Todeskandidaten wurden auf ihrem letzten Weg zur Richtstätte ab Langnau von je zwei Geistlichen begleitet, die ihnen laufend Trost gespendet hätten. Währenddessen liess sich der Regierungsstatthalter in einer Kutsche vor Ort führen. Sehr detailliert fährt der Berichterstatter weiter, dass als erste Frau Wyssler aufs Schafott geführt und dort auf eine Stabelle gefesselt wurde. Immer noch begleitet und getröstet von den Geistlichen! Ihr Kopf rollte nach dem ersten Hieb, während der Scharfrichter beim Knecht Krähenbühl zweimal ansetzen musste. Die Leichen der vier Enthaupteten wurden auf einem Karren verladen ins Anatomische Institut nach Bern überführt. Dort wurden sie von Studenten als originales Anschauungsmaterial seziert. Offenbar seien die Leichname schlecht verpackt gewesen, seien doch bis Worb immer wieder Blutspuren auf der Strasse sichtbar gewesen.
8. Juli: Das war die letzte öffentliche Hinrichtung im Emmental – vor 161 Jahren. Die letzte zivile Hinrichtung in der Schweiz fand am 18. Oktober 1940 statt und jene für militärische Vergehen wurde am 11. November 1942 in der Nähe von Kriens vollzogen.
Glücklicherweise gehören solche Strafvollzüge in unserem Lande der Vergangenheit an. Auf der Wanderung auf dem «Holzbrücken-Weg» durchs Emmental erinnert bei der Ramserenbrücke nichts an diese grausame Vergangenheit. Vielmehr ist auf einer Informationstafel festgehalten, dass Passanten vor einer im barocken Stil erbauten Brücke stehen. Nun, beim Verlassen der einstigen Richtstätte und dem Weiterwandern Richtung Langnau begleitet diejenigen dennoch ein leises Schauern, die sich dieser Geschichte bewusst sind.

Von Fritz von Gunten